Korfu [1]

Korfu [1]

Korfu (bei den alten Griechen Kerkyra, bei den Römern Corcyra), nördlichste der Ionischen Inseln und gleich ihnen ein losgelöster Teil des epirotischen Gebirges, am Eingang vom Ionischen ins Adriatische Meer (Kanal von Otranto), an der Küste von Albanien, von der sie durch den schmalen Kanal von K. getrennt wird, ist 62 km lang, von keulenförmiger Gestalt, an der breitesten Stelle fast 30 km breit und hat einen Flächenraum von 719 qkm (nach Partsch und englischen Angaben nur 593 qkm) und (1896) 90,872 Einw. K. zerfällt in das nördliche Bergland, das im Pantokrator zu 914 m, der größten Höhe der Insel, aufsteigt und vorwiegend aus mesozoischen Kalksteinen, aus Flyschmergeln und Sandsteinen und pliocänen Mergeln, Sandsteinen und Konglomeraten besteht, und in das tertiäre (pliocäne) Hügelland des langen, schmalen Mittel- und Südteils, eine anmutige, fast durchweg von Ölbäumen bewachsene, wohlbevölkerte Landschaft. Erdbeben sind häufig, aber meist nicht besonders heftig. Die Insel hat regenreiche (77,8 Regentage), aber warme, milde Winter und heiße, trockne Sommer. Perennierende Flüsse hat K. bloß zwei, jedoch zahlreiche Quellen. Die Malaria ist für gewöhnlich auf bestimmte Örtlichkeiten beschränkt und nimmt nur höchst selten einen epidemischen Charakter an. Wald ist nur noch wenig vorhanden, um so mehr Gestrüpp. Die Fauna ist arm, die Viehzucht unbedeutend. Weder Ackerbau noch Fischerei und Industrie (Seifensiederei, Gerberei, Dampfmühlen, Makkaronifabriken) leisten etwas; K. ist auf Zufuhr angewiesen. Mais ist die wichtigste Frucht, dann Winterweizen, Mohrenhirse und Gerste; der Anbau von Kartoffeln nimmt stetig zu, und es findet eine bedeutende Ausfuhr nach Deutschland statt. Hervorragend ist der Weinbau, noch mehr aber der des Ölbaums, der die Hälfte von K. bedeckt (über 4 Mill. Bäume) und als Haupthandelsgegenstand Öl liefert. Der Ertrag an Öl beläuft sich jährlich auf 60,000 hl, die Ausfuhr auf etwa 48,000 hl. Der Anbau der Agrumen ist nicht so bedeutend, als er sein könnte, der Gemüsebau vernachlässigt, die Fischerei wird nachlässig betrieben. Die ionischen Gewässer sind jetzt fast fischarm, weil man sich mit Vorliebe des Dynamits beim Fange bedient. Die einst bedeutenden Salinen werden wenig ausgebeutet. Vorzüglich aber ist das Straßennetz, das seine Entstehung der englischen Schutzherrschaft verdankt. Der Schiffsverkehr betrug 1903: 1214 Dampfer (meist österreichische) von 1,100,454 Ton. und 491 Segelschiffe von 16,611 T. Die Einfuhr betrug 1903: 6,369,502 Fr. Mit der Insel Paxos bildet K. einen Nomos Griechenlands und zerfällt in drei Eparchien: K. (Kerkyra), Messi und Oros.

Die Insel K., bei den Byzantinern und Türken Korphus (von korypho, »Gipfel«), bei den Griechen Korkyra oder Kerkyra genannt, hieß in der ältesten Zeit DrepaneSichel«) von ihrer halbmondförmig gedehnten Gestalt und galt im Altertum als das Homerische Scheria, das Land der Phäaken. Sie ward in der ältesten Zeit von illyrischen Liburnern bewohnt, dann 734 v. Chr. von Korinthern unter dem Herakliden Chersikrates kolonisiert. Als Zwischenstation zwischen Griechenland und Italien hatte die Insel eine höchst günstige Lage und dehnte ihren Handel und seinen Einfluß im Ionischen und Adriatischen Meere so weit aus, daß sie die Eifersucht der Mutterstadt Korinth rege machte. Es kam 665 zwischen beiden zum offenen Kampf, in dem die Korkyräer den Korinthern eine siegreiche Seeschlacht, die erste in der griechischen Geschichte, lieferten. Die Folge war die Unabhängigkeit der Insel. Ein neuer Streit mit Korinth wegen der gemeinschaftlichen Kolonie Epidamnos 434–432 gab den Anlaß zum Peloponnesischen Krieg, währenddessen K. auf seiten der Athener stand, aber durch blutige Bürgerkriege zerrüttet wurde, so daß es durch Syrakus vom Handel im Ionischen und Adriatischen Meere verdrängt ward und mehr und mehr sank. Später ward sie von illyrischen Seeräubern besetzt, denen die Römer sie 229 entrissen, um ihr die nominelle Freiheit zurückzugeben, dann sie aber mit der Provinz Epirus zu vereinigen, mit der sie bei der Teilung des römischen Reiches an das oströmische Reich fiel. Bei dem Zerfall des byzantinischen Reiches kam K. nach mannigfachem Besitzwechsel an die Venezianer, die es als Vormauer gegen die Türken stark befestigten und gegen ihre wiederholten Angriffe siegreich behaupteten; berühmt ist namentlich seine Verteidigung durch den Grafen v. d. Schulenburg 1717. Seit 1797 teilte die Insel das Schicksal der Ionischen Inseln (s. d.) und gehört mit ihnen seit 1863 zu Griechenland. Am 11. April 1905 wurde K. von Kaiser Wilhelm II. besucht, der hier mit König Georg von Griechenland zusammentraf. Vgl. Marmora, Historia di Corfu (Vened. 1672); Gregorovius, K., eine ionische Idylle (2. Aufl., Leipz 1884); v. Warsberg, Odysseische Landschaften, Bd. 2 (Wien 1878, die Geschichte von K. enthaltend); Partsch, Die Insel K. (Ergänzungsheft 88 zu »Petermanns Mitteilungen«, Gotha 1887); B. Schmidt, Korkyräische Studien (Leipz. 1890); de Claparède, Corfou et les Corfiotes (Genf 1899).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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