Koralleninseln

Koralleninseln

Koralleninseln und Korallenriffe (Bryozoenriffe), inselförmige, aus dem Meer aufragende und aus Anhäufungen von Kolonien gewisser artenreicher Geschlechter von Korallen (Asträen, Mäandrinen, Madreporen, Milleporen) und Bryozoen etc. bestehende Gebilde. Sie sind, da die Tiere zu ihrem Fortkommen und Gedeihen eine Temperatur von wenigstens 18–30° verlangen, auf die wärmern Meere der Erde beschränkt, wo sie besonders zwischen 28° nördl. und südl. Br. über die Äquatorialzone angetroffen werden. Nur an einzelnen günstigen Lokalitäten verbreiten sie sich weiter gegen die Pole hin, so im Roten Meer bis 30° nördl. Br., während sie auf der südlichen Hemisphäre nur an der Westküste Australiens bis 29° reichen, an andern Stellen bloß bis 25°, doch fehlen sie gänzlich an den Westküsten Afrikas und Amerikas. Die Malediven und Lakadiven im Indischen Ozean sowie die östlich von Madagaskar und nördlich von der Inselgruppe Garajos unter dem gleichen Meridian wie diese gelegene Nazarethbank (etwa 400 km lang), ferner Hunderte von Koralleninseln im Stillen Ozean, die Bermudas im Atlantischen Ozean, namentlich aber die Torresstraße, deren Fahrwasser seit ihrer Entdeckung durch Ausbreitung der Korallenbauten bedeutend beschränkt wurde, sind Beispiele besonders stark entwickelter Bautätigkeit der Korallen. Die Korallen siedeln sich familienweise auf dem flachen, höchstens 30–50 m (in vereinzelten Fällen bis 90 m) tiefen Grunde des Meeres an, zumal wenn derselbe aus festem Gestein, aber auch, wenn er aus lockern Massen und weichem Schlamm besteht; sie bilden dann einzelne Höcker, zwischen denen sich noch andre Meeresorganismen, besonders Foraminiferen, Bryozoen und Kalkalgen, einnisten.

Fig. 1. Hohe Insel mit Wall- und Saumriff. (Nach Dana.)
Fig. 1. Hohe Insel mit Wall- und Saumriff. (Nach Dana.)

Neue Generationen folgen, sich auf den alten Höckern aufsetzend, sie erhöhend und ihre Zwischenräume überwölbend. Das Wachstum dieser Korallenbänke ist verhältnismäßig rasch (s. Korallen). Die kalkreichen Exkremente zahlreicher die Korallenfelder abweidender Fische und Spritzwürmer mischen sich mit den durch die Wellen abgerissenen Korallentrümmern, die zum Teil zu Sand zerkleinert werden und sich in allen Zwischenräumen ablagern. Der so gebildete Kalk wird zu festem, marmorartigem Stein (Korallenkalk), reich an Resten von Krebsen, Muscheln, Seeigeln und von Bohrmuscheln durchbohrt. Bis an die Meeresoberfläche zur Ebbezeit bauen sich die Polypen empor, dann siedeln sich besonders Kalkalgen, die eine Entblößung zur Ebbezeit vertragen, an; Wellen und Wind werfen abgerissene Trümmer von Korallen auf die Höhe des Risses, und so hebt es sich im Verlauf der Zeit zuerst an einzelnen Punkten, endlich im ganzen Umfang über die höchste Flutlinie. Die Strömungen des Meeres bringen Samen und Früchte an das Riff, die Brandung wirft sie aus Land; die Kokospalme, der Pandanus, der Brotfruchtbaum und andre Pflanzen siedeln sich an. Man bezeichnet in der Regel als Korallen risse die die Küsten der Kontinente und Inseln umsäumenden Korallenbildungen, als Korallen inseln die isoliert mitten im Meer auftretenden Korallenbauten und unterscheidet nach Darwin, der zuerst die K. eingehender untersuchte: Saum- (Ufer-, Küsten-, Strand-, Fransen-) Risse, die in einer Breite von 40–90 m die Küsten, z. B. des Roten Meeres, von Florida, Ceylon etc., unmittelbar umgürten; Damm- (Wall-, Kanal-, Barren-, Barriere-) Risse (Fig. 1), die eine Breite von oft vielen Kilometern und eine Länge bis über 1600 km (so z. B. das Great Barrier Reef an der Küste von Queensland) erreichen können, von der Küste des Festlandes oder der von ihnen umschlossenen Insel aber durch einen an 30–140 km breiten, an 20 bis über 100 m tiefen Meereskanal getrennt sind, und Atolle (Lagunenriffe, Fig. 2 u. 3), niedrige, schmale, ovale und ausgebuchtete, selten kreisrunde Inseln, die sich steil, oft mehrere hundert oder gar Tausende von Metern vom Meeresboden bis zum Meeresspiegel erheben und im Innern eine an 60–150 m tiefe Wasserfläche (Lagune) einschließen.

Fig. 2. Ansicht eines echten Atolls. (Nach Dana.)
Fig. 2. Ansicht eines echten Atolls. (Nach Dana.)

Letztere, besonders im Indischen und Stillen Ozean sehr verbreitet, sind die merkwürdigste Form der K.

Fig. 3. Die Pfingstinsel. (Nach Darwin.)
Fig. 3. Die Pfingstinsel. (Nach Darwin.)

Sie sind meist nur 1/2-1 m über Fluthöhe gelegen, etwa 300–400 m breit und bilden einen schmalen Landring, der oft durch einen oder mehrere Kanäle, die die Lagune mit dem Meer verbinden, unterbrochen wird. Manchmal erhebt sich auch das Riff nur in einzelnen, im Kreis angeordneten Inseln über das Meer, deren Längsdurchmesser dann zwischen wenigen Metern und mehreren Kilometern schwanken kann. Wegen der großen Mächtigkeit vieler Korallenriffe, die besonders deshalb auffällt, weil die Korallen nachweislich nur bis zu einer gewissen Tiefe leben können, nahm Darwin (1831–36) eine allmähliche Senkung des Meeresbodens in den Gegenden dieser K. an. Nach ihm hat jedes Atoll als Saumriff um eine Insel begonnen; der Meeresboden ist dann so langsam gesunken, daß die Korallen in ihrem Fortwachsen nach oben gleichen Schritt damit halten konnten; so bildete sich zunächst ein Wallriff um die mehr und mehr versinkende Insel, und schließlich verschwindet sie ganz unter der Meeresoberfläche, und es entsteht ein Atoll. Gegen diese Theorie Darwins, nach der jedes Atoll aus einem Küstenriff hervorgegangen sei, sind besonders von Semper, Rein, Murray, Guppy, Agassiz und Gardinier mannigfache Bedenken geltend gemacht worden. Allerdings entsprechen die Atolle der Südsee, zumal da, wo sie von dem Meeresboden wirklich mehr als 1000 m hoch steil emporsteigen, im ganzen der Senkungstheorie von Darwin; doch gibt es dort nachgewiesenermaßen auch gehobene Korallenfelsen, und deshalb ist von Gerland die Theorie aufgestellt worden, die unterseeischen Vulkane, auf deren Gipfel nach seiner Ansicht die Atolle ausruhen, besäßen die sonst bisher noch nicht bekannt gewordene Fähigkeit, einzeln auf- und abzuschwanken. Ferner hat man beobachtet, daß sich auf seichten Stellen (sogen. Bänken), wie sie sich in den westindischen Gewässern und in der Umgebung der Philippinen bis zur Riffzone erheben, Korallen ansiedeln, die nach außen wegen besserer Nahrungszufuhr vom Meere her rascher emporwachsen als in der Mitte, und so atollartige Bildungen (sogen. Krustenriffe, Flachsee- oder Fleckenriffe) liefern, ohne jemals Wallriff oder Küstenriff gewesen zu sein. Dann aber ist die Mächtigkeit der Korallenbildungen, wie mehrfach durch Tiefbohrungen bestätigt worden ist, an vielen Stellen (so auf der Insel Oahu der Hawaïgruppe und auf Kap West, einer der Florida-Inseln) gar keine so große, als man früher geglaubt hat; an andern Stellen beträgt sie aber an 400 m und mehr, und vielfach wechsellagern dann, wie auf Funafuti in der Ellice-Gruppe, mit dem Korallenkalk Foraminiferensande, so daß es scheint, als ob in der Tat allmähliche Senkungen stattgefunden haben; allerdings sind die tiefer gelegenen Korallenkalke oft von ganz anderm Charakter und viel höherm Alter, so auf Key West von pliocänem und eocänem Alter. Viele westindische Inseln, wie die Bermudas und Bahamas, tragen nur einen verhältnismäßig dünnen Überzug von jungen Korallen und bestehen darunter aus Sandstein, der als alte Düne und somit als äolische Bildung aufgefaßt wird. Die K. sind demnach sehr verschiedenartig und zum Teil sehr kompliziert gebaut. Am leichtesten ist ihr Bau zu erkennen an den gehobenen K. So erkennt man z. B. im Salomonsarchipel Korallenkalk, oft 45–60 m mächtig, auf Foraminiferenkalk gelagert, der seinerseits wieder auf einer vulkanischen Unterlage ausruht. Riffbildungen aus ältern geologischen Perioden liegen in dem oft stark dolomisierten Korallenkalk verschiedener Formationen vor. Wo sie durch Denudation der gleichzeitig außerhalb des Riffes gebildeten geschichteten Ablagerungen ganz oder teilweise bloßgelegt sind, stellen sie sich als steil geböschte, hochaufragende Kalk- und Dolomitberge mit abenteuerlichen, ruinenähnlichen Felsformen dar, ganz entsprechend den Formen der jetzigen submarinen Korallenbauten. Sie finden sich vom Obersilur an in allen Formationen, unter anderm auch im Devon der Eifel, Westfalens und des Harzes, und besonders in der Trias und im obern Jura. In der Zechsteinformation in Thüringen bilden die Risse, reich an Bryozoen (Bryozoenriffe), längs der alten Küstenlinie des Zechsteinmeeres grotesk geformte, vielfach zerklüftete und Höhlen einschließende Berge bei Altenstein und Liebenstein, sowie in der Gegend von Köstritz über Neustadt, Pößneck und Könitz bis Blankenburg. Auch die großen plumpen, zuweilen ruinenartig gestalteten Felsklippen, die allenthalben am Nordwestabhang der Schwäbischen Alb beobachtet werden, sind Korallenriffe, die ihrem Alter nach der obern Jurazeit entsprechen. Weit großartiger aber sind die bis 1000 m mächtigen und oft viele Quadratmeilen großen triadischen Dolomitriffe Südtirols, die Dolomitgebilde von Ampezzo und Bozen, die wegen ihrer wildzerrissenen malerischen Formen ein Hauptanziehungspunkt aller Alpenfreunde geworden sind. Selbstverständlich darf aus dem Vorkommen von Korallenriffen in ältern Formationen und in andern als tropischen Gegenden nicht sofort gefolgert werden, daß zur Bildungszeit der Risse auch an diesen Stellen ein tropisches Klima geherrscht habe: handelt es sich doch bei diesen Korallen früherer Formationen nur um entfernte Verwandte unsrer heutigen riffbauenden Polypen, so daß der tropische Charakter der heutigen Korallen nicht auf die frühern sofort übertragbar ist. Vgl. Darwin, Über den Bau und die Verbreitung der Korallenriffe (deutsch von Carus, Stuttg. 1876); Dana, Corals and coral-islands (3. Ausg., New York 1890); Guppy, Solomon-Islands (Lond. 1887); Langenbeck, Die Theorien über die Entstehung der K. (Leipz. 1890) und Die neuern Forschungen über die K. (das. 1897).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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