Kopfsteuer

Kopfsteuer

Kopfsteuer (franz. Capitation), roheste Art der Personalsteuer, welche die Steuerpflichtigen ohne Rücksicht auf Vermögen und Einkommen gleich hoch trifft. Als Mittel, den gesamten Staatsbedarf aufzubringen, ist sie nur in den Anfängen der Kultur bei größerer Gleichheit des Besitzes denkbar und empfiehlt sich dann durch Leichtigkeit und Sicherheit der Anlegung und Erhebung. Sie kam in den Staaten des Altertums (Persien, Rom etc.) vielfach vor, fand sich aber auch später noch in europäischen Staaten in mannigfaltigen Gestalten, indem nicht selten unter dem Namen von Personalsteuern alle Familienväter und einzeln lebenden Personen oder sogar alle Erwachsenen, sei es des ganzen Volkes oder bestimmter Klassen desselben, mit gleich hohem Betrag belastet wurden. So zahlte nach der ehemaligen österreichischen Personalsteuer, die von 1802–30 erhoben wurde, jede Person über 15 Jahre jährlich 30 Kreuzer, später 2 Gulden. Nur das Militär und erweislich Dürftige waren befreit. Sie besteht heute noch in mehreren Staaten der nordamerikanischen Union und bildet zuweilen die Bedingung des Stimmrechts. Ihr Ertrag ist meist für besondere Zwecke, wie zur Unterstützung von Schulen, Armen, für Wegebau etc., bestimmt. In Preußen wurde noch 1811 eine K. als außerordentliche Kriegssteuer erhoben; auch die Steuerregulierung vom 7. Sept. 1811 hielt an ihr teilweise fest, indem jede über 12 Jahre alte Person in kleinern Städten und auf dem platten Land eine feste Personalsteuer von 1/2 Tlr. zu entrichten hatte. Eine Modifikation der K. war die an ihre Stelle tretende Klassen- und Rangsteuer, die durch klassenweise Abstufungen eine größere Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit in der Belastung zu erzielen suchte. Die in Rußland unter Peter d. Gr. eingeführte K. traf die bäuerliche Bevölkerung und die bürgerlichen Städtebewohner mit 80 Kopeken, bez. 1 Rub. 20 Kop. auf den Kopf, wurde aber gemeindeweise erhoben und innerhalb der Gemeinden selbst nach andern Maßstäben umgelegt. Sie wurde später öfter erhöht, 1885 aber mit Ausnahme von Sibirien aufgehoben. Die Domänenbauern wurden erst 1887 von der K. befreit, müssen aber den von ihnen zuletzt erhobenen Betrag von 18,8 Mill. Rubel fast vollständig in andrer Gestalt (als Kopfgeld, Obrok) weiter entrichten. Die K. kann größern Anforderungen des Staates nicht genügen, auch entspricht sie keineswegs dem heute allgemein als richtig anerkannten Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Praktisch können einzelne Steuern, insbes. Verbrauchssteuern, kopfsteuerartig wirken, wenn die Ärmern von den besteuerten Gegenständen ebensoviel verzehren wie die Reichern (z. B. Salzsteuer). Letztere müßten dann auf andern Gebieten zu verhältnismäßig höherer Besteuerung herangezogen werden.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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