Kohlehydrate

Kohlehydrate

Kohlehydrate, Gruppe chemischer Verbindungen, die im Molekül 6 oder ein Multiplum von 6 Atomen Kohlenstoff enthalten und Wasserstoff und Sauerstoff in demselben Verhältnis wie das Wasser (H2O). Fast alle natürlich vorkommenden K. sind optisch aktiv, indem ihre Lösungen die Polarisationsebene nach rechts oder links ablenken. Die Bestimmung des Drehungsvermögens der K. mittels des Saccharimeters dient zur Ermittelung ihrer Reinheit und des Gehalts von Lösungen (optische Zuckerprobe, Saccharimetrie). Während früher die K. eine Sonderstellung unter den aliphatischen Verbindungen einnahmen, sind sie jetzt in innige Beziehungen zu gewissen Körperklassen getreten. Alle Aldehydalkohole und Ketonalkohole (Oxyaldehyde, Oxyketone), die als erste Oxydationsprodukte mehrwertiger Alkohole aufgefaßt werden können, enthalten wie die K. im engern Sinne Wasserstoff und Sauerstoff in demselben Verhältnis wie das Wasser, z. B.:

Tabelle

An die Pentosen schließen sich die Hexosen C6H12O6, Heptosen, Oktosen, Nonosen etc. an. Die einfachsten K. sind Aldehydalkohole mit der Gruppe -CH(OH).CHO wie die genannten (Aldodiose, Aldotriose etc.) oder Ketonalkohole mit der Gruppe -CO.CH2OH wie die Fruktose (Ketohexose). Zu den Pentosen gehören außer Arabinose noch Xylose (Holzzucker), Lyxose, Ribose, Rhamnose (Isodulzit), Isorhamnose, Chinovose, Fukose. Zu den Hexosen (Glykosen, Monosen, Monosaccharide), den ersten Oxydationsprodukten sechswertiger Alkohole, gehören seit langer Zeit bekannte Zuckerarten, wie Traubenzucker, Fruchtzucker, Galaktose u. v. a., die durch neuere Untersuchungen bekannt geworden sind. Einige Hexosen finden sich weitverbreitet im Pflanzenreich, namentlich in reisen Früchten, Ester der Hexosen mit organischen Säuren sind die Glykoside. Hexosen entstehen unter Aufnahme von Wasser bei der Spaltung von Di- und Polysacchariden und von Glykosiden durch Fermente und beim Kochen mit verdünnten Säuren. Mannose und Fruchtzucker wurden durch gelinde Oxydation von Mannit erhalten. Auch sind verschiedene Hexosen durch unmittelbare Synthesen dargestellt worden. Unter den Hexosen finden sich viele stereoisomere Formen, die bei gleicher Struktur infolge verschiedener Lagerung der Atome im Raum verschiedene chemische und physikalische Eigenschaften haben, auch existiert jeder stereoisomere Körper in drei optisch verschiedenen Formen, in einer rechts-, einer linksdrehenden und einer optisch inaktiven Form. Von den Hexosen sind Aldosen: Glykose (Traubenzucker, Dextrose), Mannose und Galaktose; Ketosen sind Fruktose (Fruchtzucker, Lävulose) und Sorbinose. Auch Heptosen C7H14O7, Oktosen C8H16O8 und Nonosen C9H18O9 sind dargestellt worden, in der Natur aber kommen nur Pentosen und Hexosen vor.

Disaccharide (Saccharobiosen) entstehen aus 2 Molekülen von Monosen unter Abspaltung von Wasser, doch kennt man solche bisher nur von den Hexosen; sie haben die Formel C12H22O11., und sind als ätherartige Anhydride der Hexosen aufzufassen. Hierher gehören Rohrzucker (Saccharose), Milchzucker (Laktose) und Maltose. Diese Zuckerarten bilden wie die Hexosen mit Säuren zusammengesetzte Äther (Oktacetylester des Rohrzuckers) C12H14O3(O.C2H3O)8 etc., und vom Rohrzucker sind Saccharate bekannt. Durch Erhitzen mit verdünnten Säuren und durch Fermente werden sie unter Aufnahme von Wasser in 2 Moleküle Hexosen gespalten, der Rohrzucker in Traubenzucker und Fruchtzucker, der Milchzucker in Traubenzucker und Galaktose, die Maltose in 2 Moleküle Traubenzucker. Trisaccharide (Saccharotriosen) O18H32O16 sind die Raffinose, Melecitose u. Stachyose.

Die Polysaccharide (C6H10O5)11, deren Molekulargröße in keinem einzigen Falle festgestellt ist, weichen von den Mono- und Disacchariden, die man als Zuckerarten (s. Zucker) zusammenfaßt, stark ab. Sie sind amorph und z. T. wie Stärke und Zellulose in Wasser unlöslich, während sich die Gummiarten in Wasser leicht lösen. Beim Behandeln mit verdünnten Säuren oder bei Einwirkung von Fermenten werden sie in Hexosen gespalten. Hierher gehören Stärke (Amylum), Paramylum, Inulin, Lichenin, Carubin und Glykogen, die Gummiarten (C5H10O5), die mit kaltem Wasser klebende, geruch- und geschmacklose Flüssigkeiten geben. Die eigentlichen Gummiarten (Dextrin, Arabin) sind im Wasser klar löslich, während die Pflanzenschleime (Bassorin) darin nur aufquellen. Den Pflanzenschleimen schließen sich als Oxypflanzenschleime die Pektinstoffe an. Endlich gehört hierher noch die in den gewöhnlichen Lösungsmitteln unlösliche Zellulose.

Die K. spielen im Pflanzen- und Tierleben die wichtigste Rolle. Sie sind in der Pflanze neben Proteinkörpern das hauptsächlichste organisationsfähige Material und werden in der Zeit der höchsten Assimilationstätigkeit weit über den augenblicklichen Bedarf hinaus gebildet und als Reservestoffe abgelagert. Beim neuen Erwachen der Vegetation und noch vor Ausbildung der assimilierenden Blätter werden die Reservestoffe zur Bildung neuer Organe verwendet. Gegenüber dem reichlichen Vorkommen im Pflanzenreich finden sich K. im Tierkörper nur in geringer Menge. Am reichlichsten enthält davon die Leber (bis 11 Proz. Glykogen) und die Milch (bis 5,5 Proz. Milchzucker). Muskeln, Blut und Lymphe enthalten nur geringe Mengen K. In allen jungen wachsenden Geweben findet sich Glykogen, das besonders in Leber und Muskeln in großen Mengen gebildet, aber annähernd in demselben Maß auch wieder zerstört wird. Auch bei der Zersetzung der Eiweißstoffe im tierischen Organismus entstehen K. Viele K., wie namentlich Stärkemehl, Rohrzucker, Traubenzucker, Fruchtzucker, gehören zu den wichtigsten Nahrungsstoffen des Menschen und der Tiere (s. Ernährung, S. 57, und Nahrungsmittel) und bilden die Grundlage vieler Gewerbszweige, der Stärke- und Zuckerfabrikation, der Bäckerei etc. Aus den Zuckerarten werden durch Gärung die geistigen Getränke (Wein, Bier etc.) und der Spiritus dargestellt. Auch die Zellulose spielt bei der Ernährung eine gewisse Rolle und findet ausgedehnte technische Verwendung, teils in Form von Spinnfasern (Baumwolle etc.), teils als Holz oder in mechanisch oder chemisch mannigfach veränderter Gestalt (Papierstoff, Holzzellulose, Schießbaumwolle etc.). Vgl. Tollens, Kurzes Handbuch der K. (Bresl. 1888–95, 2 Bde.; Bd. 1 in 2. Aufl., 1898); Lippmann, Die Chemie der Zuckerarten (3. Aufl., Braunschw. 1904); Emil Fischer, Die Chemie der K. und ihre Bedeutung für die Physiologie (Berl. 1894); Maquenne, Les sucres et leur principaux dérivés (Par. 1900).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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