Hygrométer

Hygrométer

Hygrométer (griech., Feuchtigkeitsmesser), Instrument, mit dem die atmosphärische Feuchtigkeit gemessen wird. Die am häufigsten benutzten H. gründen sich darauf, daß manche Stoffe (die hygroskopischen Substanzen) mit großer Begierde Wasser aus der Luft absorbieren und dabei ihr Volumen verändern. Das älteste Absorptionshygrometer ist eine Art Wagehygrometer von Nikolaus da Cusa (um 1450), bei dem trockne Wolle auf einer Wage durch Steine im Gleichgewicht gehalten und dann der Luft ausgesetzt wurde; die durch das Absorbieren des Wasserdampfes schwerer gewordene Wolle erforderte Zusatzgewichte. Die beste Methode zur Bestimmung der Luftfeuchtigkeit ist die chemische, die direkt die Menge des in einem bestimmten Volumen Luft enthaltenen Wasserdampfes ergibt. In luftdichter Verbindung mit einem Aspirator steht ein U-förmiges Glasrohr, das mit einer stark hygroskopischen Substanz (Schwefelsäure, Chlorcalcium, Phosphorsäureanhydrid) gefüllt ist. Das Gewicht des gefüllten Rohres muß vorher genau bestimmt sein. Ist der Apparat zusammengestellt, so öffnet man den Aspirator und mißt das ausfließende Wasser, dem ein ebenso großes Volumen Luft nachströmt, aber bei dem Durchgang durch das Glasrohr den Wasserdampf an die hygroskopische Substanz abgibt. Wenn dann das Rohr gewogen wird, so gibt seine Gewichtszunahme das Gewicht der Wasserdämpfe an, die in der eingeströmten Luft enthalten waren. Da man nun weiß, wieviel Luft durch die Röhre hindurchgegangen ist, so läßt sich das Gewicht der in einem Kubikmeter Luft enthaltenen Dämpfe nach Grammen berechnen und so die absolute Feuchtigkeit der Luft finden; aus dieser kann man dann, wenn man die Temperatur der Luft kennt, ebensowohl die relative Feuchtigkeit als auch das Sättigungsdefizit (s. Luftfeuchtigkeit) durch Rechnung ableiten. Bei gehörigen Vorsichtsmaßregeln liefert diese Methode absolut genaue Resultate, allein sie ist schwierig, da sie große Genauigkeit erfordert (in 1 Lit. Luft von 60 Proz. Feuchtigkeit sind bei 10° nur 0,005 g Wasser), und daher hat man zur Bestimmung der atmosphärischen Feuchtigkeit kleinere, leicht transportable Apparate konstruiert, die unter dem Namen H. bekannt sind. Das erste wissenschaftlich brauchbare H. ist das Haarhygrometer von Saussure (1783). Ein Haar, das mit seinem obern Ende an einem Stativ befestigt ist, während sein unteres Ende über eine Rolle geht und durch ein kleines Gewicht das Haar gespannt hält, bewegt mittels der Rolle einen Zeiger, und dieser gibt auf einer bogenförmigen Skala die Veränderungen der Länge des Haares bei zunehmender oder abnehmender Luftfeuchtigkeit sehr genau an. Man bestimmt die beiden festen Endpunkte der Skala, indem man den Stand des Zeigers zuerst in künstlich getrockneter und dann in mit Feuchtigkeit gesättigter Luft beobachtet. Den Zwischenraum zwischen den beiden auf diese Weise gefundenen Punkten teilt man in 100 Teile (Feuchtigkeitsgrade). Das Haar selbst muß mit Äther entfettet sein. Wenn man stets dieselbe Art von Haaren anwendet, so gehen diese Instrumente zwar nicht streng übereinstimmend, können aber für die meisten Beobachtungen als vergleichbar betrachtet werden. Die jedem Hygrometergrad entsprechende Spannkraft des Wasserdampfes kann nur empirisch ermittelt werden. Sie ist nach Gay-Lussac für das Haarhygrometer bei der Lufttemperatur von 10° in folgender Tabelle zusammengestellt:

Tabelle

Wenn daher das H. auf 50° steht und die Temperatur der Luft ungefähr 10° ist, so enthält sie 27,79 Proz. desjenigen Wasserdampfes, den sie enthalten müßte, um gesättigt zu sein. Das Haarhygrometer hat zahlreiche Abänderungen erfahren, indem man statt eines mehrere Haare anwendete oder das Haar durch andre organische Substanzen, z. B. Kokonfäden, Fischbein, Federposen etc., ersetzte. Alle diese H. geben wenig genaue Resultate; sie sind fast nur Hygroskope, d. h. sie zeigen an, ob die Feuchtigkeit der Luft zu- oder abnimmt, und können zu wissenschaftlichen Beobachtungen nicht benutzt werden. In neuerer Zeit ist das Haarhygrometer von Koppe (Fig. 1) viel in Gebrauch gekommen, weil die Skala direkt die Prozente der relativen Feuchtigkeit angibt, und weil es wenigstens für den Sättigungspunkt leicht geprüft werden kann.

Fig. 1. Haarhygrometer von Koppe.
Fig. 1. Haarhygrometer von Koppe.

Nachdem ein Rahmen mit befeuchteter Leinwand hinter dem Haar befestigt ist, wird vorn eine Glasscheibe, hinten eine Blechtafel eingeschoben und das so kastenartig geschlossene H. stehen gelassen, bis durch Verdampfung die Luft innen gesättigt ist; der Zeiger muß dann auf 100 Proz. stehen oder wird dahin gedreht. Durch das Bifilarhygrometer von Klinkerfues sind die Haarhygrometer in weitere Kreise gedrungen und haben in neuester Zeit große Verbreitung gefunden. Das gewöhnliche Haarhygrometer bedarf häufiger Vergleichung mit einem Psychrometer. Aus den Angaben eines Thermometers und Hygrometers (wie beim Polymeter) läßt sich der Taupunkt berechnen, dessen Kenntnis für die Vorhersage von Nachtfrösten besonders für Gärtnereien wichtig ist. Auch für die lokale Wetterprognose, hygienische und technische Zwecke (Bestimmung der Feuchtigkeit in Wohn- und Fabrikräumen) sind H. von Nutzen. Daß Darmsaiten und Stricke sich mit zu- und abnehmender Feuchtigkeit ausdehnen und verkürzen oder sich auf- und zudrehen, ist eine alte Erfahrung, die man z. B. zur Konstruktion der Wetterhäuschen benutzt, wobei eine mit zwei Figuren besetzte Scheibe an einer Darmsaite hängt und sich mit dem wechselnden Feuchtigkeitsgehalt der Luft dreht (wie bei dem Kronleuchter mit der Wetterjungfrau in Rothenburg o. T.). Die Hygroskopizität gewisser Pflanzen verwendet man für H., z. B. Gerstengrannen und Strohfäden mit untergelegter Skala; hierher gehören auch die Rose von Jericho, Miere (Stellaria media), Mirabilis Jalappa, Tannenzapfen, Karlsdistel etc. Vgl. auch Art. »Barometerblumen«.

Bei den Kondensationshygrometern wird der Feuchtigkeitsgehalt der Luft durch die Verminderung der Temperatur angezeigt, die nötig ist, um den atmosphärischen Wasserdampf auf der Oberfläche eines polierten Körpers als Tau niederzuschlagen. Die Temperatur, bei welcher der Wasserdampf eben anfängt, sich zu kondensieren, nennt man den Taupunkt, und deshalb gibt dieser diejenige Temperatur an, bis zu der man die Luft erkalten lassen müßte, wenn sie mit der Quantität Wasser, die sie enthält, gesättigt sein sollte. Die Temperatur des Taupunktes kann man deshalb dadurch finden, daß man eine polierte Metallfläche allmählich abkühlen läßt und genau die Temperatur beobachtet, bei der ein Beschlagen anfängt. Dieses Prinzip ist bei Daniells H. (1819), dem ältesten Instrument dieser Art, zur Anwendung gebracht. Es besteht aus einem horizontalen Glasrohr, das an seinen beiden Enden senkrecht nach unten gebogen ist und in je eine Kugel endigt. Die eine dieser Kugeln ist vergoldet, während die andre mit einem Läppchen Musselin umwickelt ist. Die vergoldete Kugel ist zur Hälfte mit Äther gefüllt und enthält ein kleines Thermometer, dessen Skala in die Röhre hineinragt; der Apparat ist ganz luftleer. Tröpfelt man nun auf die mit Leinwand umwickelte Kugel Äther, so wird er rasch verdunsten und durch die erzeugte Kälte ein Überdestillieren des Äthers aus der vergoldeten Kugel veranlassen. Die hierzu nötige Wärme wird der vergoldeten Kugel entzogen und deren Temperatur so weit erniedrigt, bis sich die Kugel mit Wassertröpfchen beschlägt. An dem in der Kugel befindlichen Thermometer wird die in diesem Augenblick vorhandene Temperatur abgelesen, und das ist die Temperatur des Taupunktes. Wird noch die Temperatur der Luft beobachtet, so kann die absolute und relative Feuchtigkeit berechnet werden. Regnault (1845) benutzte statt dessen ein versilbertes, mit Äther gefülltes Glasgefäß, dessen Mündung mit einem dreimal durchbohrten Kork verschlossen ist. In diesem Kork stecken zwei gebogene Glasröhren und ein Thermometer. Bringt man das eine Glasrohr mit einem Aspirator in Verbindung und läßt aus diesem Wasser ausströmen, so wird durch das zweite Glasrohr ein Luftstrom in das versilberte Gefäß eintreten und den darin enthaltenen Äther zur Verdunstung bringen. Hat man bei der hierdurch erzeugten Temperaturerniedrigung den Taupunkt erreicht, so wird ein Beschlagen der versilberten Fläche stattfinden. In diesem Augenblick wird das Thermometer abgelesen und dadurch die Temperatur des Taupunktes gefunden. Hierbei ergibt sich der Vorteil, daß der Aspirator weit vom Instrument entfernt sein und der Beobachter die Thermometerangaben mit einem Fernrohr ablesen kann. Alluard (1877) verbesserte dieses H. (Fig. 2) insofern wesentlich, als die Luft entweder eingeblasen oder abgesaugt werden kann und die bisher runde Taufläche durch ein ebenes vergoldetes Kupferblech ersetzt ist. Eine neuere Form ist der Taupunktspiegel.

Fig. 2. Alluards Taupunkthygrometer.
Fig. 2. Alluards Taupunkthygrometer.

Eine andre Methode, den Feuchtigkeitsgehalt der Luft zu bestimmen, besteht in der Anwendung des Psychrometers (s. d.). Durch die Volumhygrometer wird der Raum bestimmt, den der in einem bestimmten Volumen Luft enthaltene Wasserdampf unter dem Druck der Atmosphäre einnehmen würde, und aus seinem Volumen kann dann auch sein Gewicht berechnet werden. Alle Instrumente dieser Art beruhen auf der Tatsache, daß, wenn in ein geschlossenes Gefäß eine stark hygroskopische Flüssigkeit, wie z. B. Schwefelsäure, gebracht wird, diese den Wasserdampf absorbiert und dadurch die Luft eine Verkleinerung des Volumens erfährt, die groß genug ist, um gemessen werden zu können (Schwachhöfer). Statt der Veränderung im Volumen kann auch die Veränderung des Druckes gemessen und daraus der Druck des ursprünglich vorhanden gewesenen Wasserdampfes ermittelt werden (Edelmann u. Rüdorss). Vgl. Saussure, Versuch über die Hygrometrie (1783; hrsg. in Ostwalds Klassikern, Leipz. 1900); Jelinek, Psychrometertafeln für das 100 teilige Thermometer nach den von Wild berechneten Tafeln (5. Aufl., das. 1903); Großmann, Beitrag zur Geschichte und Theorie des Psychrometers (»Meteorologische Zeitschrift«, 1889, S. 121); Aßmann, Das Aspirationspsychrometer (in den »Abhandlungen des Königlich preußischen meteorologischen Instituts«, Bd. 1, 1892); A. u. H. Wolpert, Die Luft und die Methoden der Hygrometrie (Berl. 1898).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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  • Hygrometer — (v. gr.), Instrument, die Feuchtigkeit der Luft zu erforschen, Hygroskop, in wie fern man nicht dabei eben auf den Grad der Feuchtigkeit Rücksicht nimmt. Manche Körper (hygrometrische od. hygroskopische Körper) zeigen eine ausgezeichnete… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Hygrometer — Hygrometer, s. Feuchtigkeitsmesser; Hygrometrie, die Lehre von der Messung des in der Luft enthaltenen Wasserdampfes …   Lexikon der gesamten Technik

  • Hygrometer — Hygromēter (grch.), Feuchtigkeitsmesser, jedes Instrument zur Bestimmung des Feuchtigkeitsgrades der Luft. Am bekanntesten das H. von Saussure, in welchem ein vom Fett befreites Menschenhaar durch seine infolge von Feuchtigkeitsänderungen in der… …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Hygrometer — Hygrometer, Feuchtigkeitsmesser, Instrument zur Bestimmung der Feuchtigkeitsverhältnisse der Luft. Das Saußureʼsche H. besteht aus einem Menschenhaar, welches an einem Ende befestigt u. am andern um eine Rolle geschlungen ist, welche einen Zeiger …   Herders Conversations-Lexikon

  • hygrometer — 1660s, from Fr. hygromètre, from Gk. hygro (see HYGRO (Cf. hygro )) + METER (Cf. meter). Related: Hygrometry; hygrometric …   Etymology dictionary

  • hygrometer — ► NOUN ▪ an instrument for measuring humidity. DERIVATIVES hygrometric adjective hygrometry noun. ORIGIN from Greek hugros wet …   English terms dictionary

  • hygrometer — [hī gräm′ət ər] n. [Fr hygromètre: see HYGRO & METER] any of various instruments for measuring the absolute or relative amount of moisture in the air hygrometric [hī΄grō me′trik, hī΄grəme′trik] adj. hygrometry [hī΄grō me′trē, hī΄grə me′trē] n …   English World dictionary

  • Hygrometer — Das Hygrometer (Kunstwort aus griech. hygrós „feucht, nass“ und μέτρον métron „Maß“) ist ein Messinstrument zur Bestimmung der Luftfeuchtigkeit. Mit der Lufttemperatur kann man aus der Luftfeuchtigkeit den Wasserdampfgehalt der Luft bestimmen.… …   Deutsch Wikipedia

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