Grimm

Grimm

Grimm, 1) Melchior, Freiherr von, geistreicher Literator, geb. 26. Dez. 1723 in Regensburg als Sohn eines Pfarrers, gest. 19. Dez. 1807 in Gotha, erhielt eine sorgfältige Erziehung, studierte in Leipzig, wohin er den jungen Grafen von Schönburg begleitete, und ging dann 1748 nach Paris, wo er Vorleser des Erbprinzen von Sachsen-Gotha wurde. Rousseau, den ihm seine musikalischen Kenntnisse bekannt machten, führte ihn pei d'Alembert, Holbach, Diderot, der Frau v. Epinay u. a. ein, der Graf Friesen, Neffe des Marschalls pou Sachsen, als dessen Sekretär er fungierte, in die ersten Zirkel von Paris; überall machte sich G. durch seinen Geist wie durch sein seines Wesen beliebt. Nach dem Tode des Grafen Friesen wurde G. Sekretär des Herzogs von Orléans, fand aber noch Zeit genug, seit 1753 literarische (vielleicht mit Beihilfe Diderots und Raynals verfaßte) Bulletins für mehrere deutsche Fürsten (auch Friedrich d. Gr. war 1763–66 abonniert) zu schreiben, die 36 Jahre lang fortgesetzt wurden und nach seinem Tode u. d. T.: »Correspondance littéraire, philosophique et critique« (Par. 1812–14; neu hrsg. 1829–31; vollständig erst von Tourneux, das. 1877–82, 16 Bde.; deutsch im Auszug, Brandenb. 1820–23, 2 Bde.) erschienen. Sie bilden eine vollständige Geschichte der französischen Literatur von 1753–90 und zeichnen sich sowohl in sprachlicher Hinsicht als durch glänzende und pikante Urteile aus. Seit 1775 versah G. am französischen Hof die Funktionen eines bevollmächtigten Ministers des Herzogs von Gotha; 1777 wurde er von Kaiser Joseph II. in den Reichsfreiherrenstand erhoben. Nach dem Ausbruch der Revolution begab er sich nach Gotha, wo ihn 1795 die Kaiserin Katharina II. von Rußland zum Staatsrat und Ministerresidenten in Hamburg ernannte. Als er infolge einer Krankheit ein Auge verloren hatte, nahm er seine Entlassung und kehrte nach Gotha zurück. Seinen Briefwechsel mit Katharina II. hat Grot 1878–86 für die russische Geschichtsforschende Gesellschaft herausgegeben. Vgl. E. Schérer, Melchior G. (Par. 1887).

2) Jakob Ludwig Karl, der Begründer der deutschen Philologie und Altertumswissenschaft, geb. 4. Jan. 1785 in Hanau (wo ihm und seinem Bruder Wilhelm 1896 ein Denkmal errichtet worden ist), gest. 20. Sept. 1863 in Berlin, wurde in Steinau erzogen, wohin sein Vater 1791 als Amtmann versetzt worden war, kam 1798 mit seinem Bruder Wilhelm auf das Lyzeum in Kassel und bezog 1802 die Universität Marburg, um sich dem Studium der Rechtswissenschaft zu widmen. Durch Wachlers Vorträge wurde indes seine Aufmerksamkeit mehr und mehr auf den deutschen Sprachstamm und die Schätze der deutschen Literatur hingewendet, wozu ihn schon Savignys rechtshistorische Forschungen veranlaßt hatten. Als letzterer 1804 behufs wissenschaftlicher Studien nach Paris ging, ließ er G. bald nachkommen, um sich seiner Hilfe bei literarischen Arbeiten zu bedienen. Im September 1805 nach Kassel, dem Wohnort seiner Mutter, zurückgekehrt, erlangte er hier mit vieler Mühe den Posten eines Akzessisten beim Sekretariat des Kriegskollegiums, nahm aber noch vor Ablauf eines Jahres seine Entlassung. Durch Johannes v. Müller dem damaligen Kabinettssekretär des Königs von Westfalen empfohlen, erhielt er im Juli 1808 eine Anstellung als Bibliothekar des Königs und wurde im Februar 1809 außerdem zum Auditor im Staatsrat ernannt. Die viele Muße, die ihm die amtlichen Geschäfte ließen, verwendete er auf das Studium altdeutscher Poesie und Sprache. Die ersten Resultate seines Fleißes legte er in der Schrift »Über den altdeutschen Meistergesang« (Götting. 1811) nieder, der bald der 1. Band der allbekannten, aus dem Volksmund geschöpften »Kinder- und Hausmärchen« (Berl. 1812) folgte. Dieses Werk, von dem der zweite Band 1815 und der dritte, die Märchenliteratur enthaltend, 1822 erschien (3. Aufl. 1856), während vom ersten und zweiten neue Ausgaben (30. Aufl. 1899) und vom Ganzen eine kleinere Ausgabe (die fortwährend in neuen Auflagen erscheint) nötig wurden, fand sofort den ungeteiltesten Beifall. Im folgenden Jahre gab G. die »Altdeutschen Wälder« (Kassel 1813–16, 3 Bde.) heraus, denen »Die beiden ältesten deutschen Gedichte, das Lied von Hildebrand und Hadubrand und das Weißenbrunner Gebet« (das. 1812) vorhergegangen waren. Mit Ausnahme der Schrift über den Meistergesang hatte G. die übrigen in Verbindung mit seinem Bruder Wilhelm bearbeitet und herausgegeben. Beim Einpacken der reichhaltigen königlichen Bibliothek zu Kassel zur Versendung nach Paris wußte G. manche wertvolle Handschrift als unwichtig darzustellen und zurückzuhalten. Nach der Rückkehr des Kurfürsten wurde G. zum Legationssekretär des hessischen Gesandten Grafen Keller ernannt und begab sich mit diesem ins Hauptquartier der Verbündeten. In Paris war er Mitglied der Kommission, welche die entführten literarischen Schätze zurückforderte. Im Sommer 1814 nach Kassel zurückgekehrt, ging er alsbald zum Kongreß nach Wien, wo er bis Juni 1815 blieb. Um jene Zeit begann er sich mit den slawischen Sprachen bekannt zu machen, deren Studium er später, bei mehr Muße, wieder aufnahm. Eine Frucht dieser Beschäftigung war, wenn wir von den anderweitigen Ergebnissen für die allgemeine linguistische Vergleichung absehen, »Wuk Stephanowitsch' Kleine serbische Grammatik, verdeutscht mit einer Vorrede« (Leipz. 1824). Von Kassel aus, wohin er sich nach Erledigung seiner Wiener Aufträge begeben hatte, mußte er auf Requisition der preußischen Regierung wieder nach Paris eilen, um dort die aus verschiedenen Gegenden Preußens geraubten Handschriften zu ermitteln und zurückzuverlangen. Diese Aufträge brachten ihn mit dem preußischen Geheimen Kammergerichtsrat Eichhorn, dem spätern Unterrichtsminister, zusammen, mit dem er ein dauerndes freundschaftliches Verhältnis anknüpfte. Gegen Ende 1815 nach Kassel zurückgekehrt, wurde er 16. April 1816 zum zweiten Bibliothekar an der Bibliothek daselbst ernannt, an der sein Bruder Wilhelm das Jahr vorher Sekretär geworden war. Schon 1815 hatte er zu Wien »Irmenstraße und Irmensäule« und »Silva de romances viejos« und zu Berlin gemeinschaftlich mit seinem Bruder Wilhelm »Der arme Heinrich von Hartmann von Aue« und »Lieder der alten Edda« (neue Ausgabe der deutschen Übersetzung von Hoffory, Berl. 1885) erscheinen lassen. Nach ihrer Anstellung an der Bibliothek veröffentlichten die Bruder gemeinschaftlich: »Deutsche Sagen« (Berl. 1816–18, 2 Bde.; 3. Aufl. 1891) und »Irische Elfenmärchen« (Leipz. 1826), eine Übersetzung von Crofton Crokers »Fairy legends and traditions of the South of Ireland«, der sie eine treffliche Einleitung vorausschickten. Zwei der wichtigsten Arbeiten Grimms, die in der deutschen Altertumswissenschaft Epoche machen, fallen in diese Zeit des Aufenthalts zu Kassel: die »Deutsche Grammatik« (Götting. 1819, Bd. 1, 2. Aufl. 1822, 3. Aufl. 1840; Bd. 2–4, 1826–37, 2. Abdruck 1853; neuer vermehrter Abdruck des 1. u. 2. Bandes durch Scherer, Berl. 1870 u. 1878, des 3. u. 4. Bandes durch Roethe u. Schröder, Gütersloh 1890 u. 1898) und »Deutsche Rechtsaltertümer« (Göttingen 1828; 4. Aufl. von Heusler u. Hübner, Leipz. 1900, 2 Bde.). In seiner »Deutschen Grammatik« hat G. den ersten wesentlichen Schritt zur Begründung tieferer Erkenntnis des deutschen Altertums getan. Die Grammatik erscheint in diesem Werk nicht mehr als trockne Schematisierung; G. wußte »ein historisches Leben mit allem Fluß freudiger Entwickelung in sie zu zaubern« und hat dadurch zu dem Bau unsrer nationalen Philologie einen neuen Grund gelegt. Was die »Rechtsaltertümer« für das innigere Verständnis des ältesten Rechtslebens sind, das leistete für die Religion der alten Deutschen Grimms »Deutsche Mythologie« (Götting. 1835, 3. Aufl. 1854; 4. Aufl. durch E. H. Meyer, Berl. 1875–78), ein Werk von nicht minder großer Tragweite für die germanistische Wissenschaft. Da nach dem 1329 erfolgten Tode Völkels, des Oberbibliothekars, die Gebrüder G. ihren Anspruch auf Beförderung nicht berücksichtigt sahen, folgten sie in demselben Jahr einem Ruf nach Göttingen, und zwar Jakob als ordentlicher Professor und Bibliothekar und Wilhelm als Unterbibliothekar. Hier wurde die »Deutsche Grammatik« vollendet und die schon erwähnte »Mythologie« ausgearbeitet. In jene Zeit fallen auch Grimms kleinere Werke. »Hymnorum veteris ecclesiae XXVI interpretatio theotisca« (Götting. 1830), »Die angelsächsischen Dichtungen Andreas und Elene« (Kassel 1840); von größern Arbeiten noch »Reinhart Fuchs« (1834), worin G. nebeneinander den mittelhochdeutschen Reinhart, den niederländischen Reinaert und andre deutsche und lateinische Gedichte der mittelalterlichen Tierfabel veröffentlichte und mit umfassenden Untersuchungen über die Tiersage begleitete. Da G. mit seinem Bruder Wilhelm die bekannte Protestation der Göttinger Sieben gegen die Aufhebung des hannoverschen Staatsgrundgesetzes von 1833 unterschrieb, wurden beide Ende 1837 ihres Amtes entsetzt und begaben sich zurück nach Kassel (vgl. Jakob Grimms Schrift: »Über meine Entlassung«, Basel 1838). 1840 gleichzeitig mit seinem Bruder zum ordentlichen Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Berlin mit dem Recht, Vorlesungen an der Universität zu halten, ernannt, eröffnete Jakob 30. April 1841 seine Vorlesungen über Altertümer des deutschen Rechts. Er war Vorsitzender der Germanistenversammlungen zu Frankfurt (1846) und Lübeck (1847) und saß 1848 kurze Zeit in der Nationalversammlung zu Frankfurt, tagte auch 1849 mit zu Gotha. 1848 erschien seine »Geschichte der deutschen Sprache« (Leipz., 2 Bde.; 4. Aufl., das. 1880). Schon früher hatte er im Anschluß an seine »Rechtsaltertümer« eine Sammlung deutscher »Weistümer« (Götting. 1840–63, 4 Bde.) unternommen, von denen nach seinem Tode noch 2 Bände (das. 1867–70, Registerband 1878) erschienen. Viele besondere Untersuchungen legte G. in Haupts »Zeitschrift für deutsches Altertum«, in Pfeiffers »Germania« und in den Abhandlungen der Berliner Akademie nieder; von letztern erschien in besonderm Abdruck die Schrift »Über den Ursprung der Sprache« (Berl. 1852, 7. Aufl. 1879). In der Vorrede zu Merkels »Lex salica« (Berl. 1850) behandelte er ausführlich die Malbergische Glosse. In Gemeinschaft mit seinem Bruder begann er endlich noch in hohem Alter die umfassendste Arbeit seines Lebens, das »Deutsche Wörterbuch« (Leipz. 1852 ff.), das den gesamten neuhochdeutschen Sprachschatz von der Mitte des 15. Jahrh. bis zur Gegenwart darzulegen bestimmt ist, und dessen Weiterführung nach seinem Tode Hildebrand und Weigand übernahmen, denen sich später Moritz Heyne, M. Lexer, Ernst Wülcker, H. Wunderlich und Karl v. Bahder anreihten. Eine Sammlung von Abhandlungen, Rezensionen, Reden etc. von Jakob G. erschien u. d. T.: »Kleinere Schriften« (Berl. 1867–90, 8 Bde.; Auswahl daraus, 2. Ausg. 1875), worin auch seine Selbstbiographie enthalten ist. Ein lebendiges Bild seiner Persönlichkeit geben seine in großer Anzahl veröffentlichten Briefe, so: der »Briefwechsel zwischen Jakob G. und J. D. Graeter aus den Jahren 1810–1813« (Heilbr. 1877); »Freundesbriefe von Wilh. und Jakob G.« (das. 1878); »Briefwechsel des Freiherrn v. Meusebach mit Jakob und Wilh. G.« (das. 1880); »Briefwechsel zwischen Wilhelm und Jakob G. aus der Jugendzeit« (Berl. 1.881); »Briefe an Hendrik Willem Tydeman« (Heilbr. 1882); »Briefwechsel der Gebrüder G. mit nordischen Gelehrten« (Berl. 1885); »Briefwechsel zwischen Jakob und Wilhelm G., Dahlmann und Gervinus« (das. 1885–86, 2 Bde.); »Briefe der Brüder Jakob und Wilhelm G. an Georg Friedrich Benecke« (Götting. 1889); »Emil Brauns Briefwechsel mit den Brüdern G. und Jos. v. Laßberg« (Gotha 1891); »Briefwechsel Friedrich Lückes mit den Brüdern Jakob und Wilhelm G.« (Hannov. 1891). Vgl. Scherer, Jakob G. (2. Aufl., Berl. 1885); Berndt, Jakob Grimms Leben und Werke (Halle 1884); A. Duncker, Die Bruder G. (Kassel 1884); Schönbach, Die Brüder G. (Berl. 1885); Stengel, Private und amtliche Beziehungen der Brüder G. zu Hessen (Marb. 1886, 2 Bde.); Steig, Goethe und die Brüder G. (Berl. 1892); R. Hübner, Jakob G. und das deutsche Recht (Götting. 1895); C. Franke, Die Brüder G. Leben und Wirken (Dresd. 1899).

3) Wilhelm Karl, ausgezeichneter deutscher Altertumsforscher, Bruder des vorigen, geb. 24. Febr. 1786 in Hanau, gest. 16. Dez. 1859 in Berlin, genoß mit seinem Bruder Jakob gleiche Erziehung und gleichen Unterricht, besuchte, wie dieser, das Lyzeum zu Kassel und 1803 die Universität Marburg und erfreute sich ebenfalls des Wohlwollens Savignys, der ihn bestimmte, sich der Rechtswissenschaft zuzuwenden. Asthmatische Beschwerden und eine Herzkrankheit, zu deren Heilung er 1809 zu Reil nach Halle ging, verboten ihm längere Zeit, sich um ein Amt zu bewerben. Er genas nur langsam, doch vollständig. Er wurde 1814 zum Bibliotheksekretär in Kassel ernannt, wo er sich auch 15. Mai 1825 verheiratete, und folgte Anfang 1830 seinem Bruder nach Göttingen, wo er die Stelle eines Unterbibliothekars und 1835 eine außerordentliche Professur in der philosophischen Fakultät erhielt. Seine übrigen Lebensschicksale sind aufs engste mit denen seines Bruders Jakob verflochten: auch er gehörte zu den Sieben, die gegen die Aufhebung des Staatsgrundgesetzes protestierten, und wurde infolgedessen seines Amtes entsetzt, durfte aber noch bis Oktober 1838 in Göttingen bleiben, worauf er sich zu seinem Bruder nach Kassel begab. Mit diesem ging er 1841 nach Berlin. Die Gemeinsamkeit und gegenseitige Ergänzung der beiden Brüder in Hinsicht auf deutsche Wissenschaft und Politik, Überzeugungstreue, Arbeitskraft und Richtung ihres Wirkens steht als ein seltenes Beispiel da. Mit liebevoller Hingabe hat Wilhelm G. seine Forschungen besonders der Poesie des Mittelalters zugewendet. Außer einer Anzahl mit seinem Bruder Jakob bearbeiteter Werke (so der »Kinder- und Hausmärchen«, an deren Bearbeitung ihm der Hauptanteil gebührt) veröffentlichte er allein: »Altdänische Heldenlieder, Balladen und Märchen«, übersetzt (Heidelb. 1811); »Über deutsche Runen« (Götting. 1821; Nachtrag: »Zur Literatur der Runen«, 1828); Ausgaben des »Grave Ruodolf« (das. 1828, 2. Aufl. 1844; Bruchstücke eines Gedichts aus dem 12. Jahrh.), des »Hildebrandsliedes« (Faksimile, das. 1830), des »Freidank« (das. 1834,2. Ausg. 1860), des »Rosengarten« (das. 1836), des »Rolandsliedes« (das. 1838), des »Wernher vom Niederrhein« (das. 1839), der »Goldenen Schmiede« (Berl. 1840) und des »Silvester« von Konrad von Würzburg (Götting. 1841), des »Athis und Prophilias« (das. 1846, Nachtrag 1852), der »Altdeutschen Gespräche« (Berl. 1851, Nachtrag 1852). Sein Hauptwerk ist »Die deutsche Heldensage« (Götting. 1829; 3. Aufl., Gütersl. 1889), eine Zusammenstellung der Zeugnisse für sie, nebst einer Abhandlung über ihren Ursprung und ihre Fortbildung. Außerdem sind zu erwähnen: die in der Berliner Akademie gelesene Abhandlung »Exhortatio ad plebem christianam« (Berl. 1848), mit der eine Abhandlung über die »Glossae Casselanae«, die zu den ältesten Denkmälern der deutschen Sprache gehören (Nachtrag hierzu 1855), sowie eine andre »über die Bedeutung der deutschen Fingernamen« verbunden ist; ferner die gelehrte Untersuchung über »Die Sage vom Ursprung der Christusbilder« (das. 1843); die Abhandlung »Über Freidank« (das. 1850, mit 2 Nachträgen 1852 u. 1856); »Zur Geschichte des Reims« (das. 1852) und »Die Sage von Polyphem« (das. 1857). Seine »Kleinern Schriften« (hrsg. von Hinrichs, Berl. 1881–86, 4 Bde.) enthalten eine Sammlung seiner Rezensionen und zerstreuten Abhandlungen, darunter seine Selbstbiographie. G. veranstaltete 1839 auch eine Ausgabe der Werke Achim v. Arnims. Vgl die bei Jakob G. (s. oben) angeführte Literatur (Briefwechsel etc.).

4) Ludwig Emil, Maler und Kupferstecher, Bruder der beiden vorigen, geb. 14. Mai 1790 in Hanau, gest. 4. April 1863 in Kassel, kam 1808 nach München zum Kupferstecher Karl Heß, unter dessen Leitung er sich vorzugsweise in der Radierung ausbildete. G. radierte eigne Kompositionen, Landschaften, Tiere, am liebsten Bildnisse. Nachdem er an den Befreiungskriegen teilgenommen, kehrte er 1814 nach Kassel zurück, besuchte 1816 Italien und arbeitete dann bis Anfang 1818 in München, worauf er sich in seiner Heimat niederließ. 1832 wurde er Professor an der Akademie zu Kassel. Unter seinen Ölbildern ist eine Madonna in einer Landschaft mit Joseph, Georg und Augustin sein Hauptwerk. Eine Sammlung radierter Blätter (historische Darstellungen, Genrebilder, Köpfe, Bildnisse und Landschaften) gab er 1840 mit einem Titelblatt: die Märchenerzählerin, heraus, welchem Werk 1854 noch 30 Blätter folgten.

5) Heinrich Gottfried, Mediziner, geb. 21. Juni 1804 in Sargstedt bei Halberstadt, gest. 24. Dez. 1884 in Berlin, studierte 1821–25 im Friedrich Wilhelms-Institut in Berlin, dirigierte 1830 während der polnischen Insurrektion ein leichtes Feldlazarett und folgte 1832 einem Kommando in die französischen und holländischen Lazarette bei dem Bombardement von Antwerpen. 1835 wurde er Regimentsarzt in Potsdam, 1838 Subdirektor der militärärztlichen Bildungsanstalten in Berlin, 1844 Generalarzt, 1847 zweiter und 1851 erster Generalstabsarzt der Armee und Chef des Militärmedizinalwesens. 1879 trat er wegen eines Augenleidens in den Ruhestand. G. hat sich große Verdienste um die Entwickelung des preußischen Militärmedizinalwesens erworben, das in seiner jetzigen Gestalt wesentlich sein Werk ist. Den Schluß seiner Tätigkeit bildete die 1880 erschienene »Kriegssanitätsordnung«.

6) Karl Ludwig Wilibald, protest. Theolog, geb. 1. Nov. 1807 in Jena, habilitierte sich hier 1833, wurde 1837 außerordentlicher, 1844 Honorarprofessor der Theologie und starb 22. Febr. 1891. Unter seinen Schriften heben wir hervor: »Kommentar über das Buch der Weisheit« (Leipz. 1837); »Die Glaubwürdigkeit der evangelischen Geschichte« (Jena 1845); »Institutio theologiae dogmaticae« (das. 1848, 2. Aufl. 1869); »Kurzgefaßtes exegetisches Handbuch zu den Apokryphen des Alten Testaments« (mit O. F. Fritzsche, Leipz. 1851–60, 6 Bde.); »Lexicon graeco-latinum in libros Novi Testamenti« (3. Aufl., das. 1388); »Kurzgefaßte Geschichte der Lutherschen Bibelübersetzung« (Jena 1883).

7) Julius Otto, Komponist, geb. 6. März 1827 zu Pernau in Livland, gest. 7. Dez. 1903 in Münster, studierte in Dorpat Philologie, machte das Oberlehrerexamen und wurde Hauslehrer in Petersburg bei einer deutschen Familie, die ihm die Mittel gewährte, sich von 1851 an am Leipziger Konservatorium zum Musiker auszubilden. 1855 ließ er sich als Musiklehrer in Göttingen nieder, wo er einen Chorgesangverein begründete, übernahm aber 1860 die Leitung des Cäcilienvereins in Münster, wurde 1878 auch königlicher Musikdirektor an der Akademie, 1885 königlicher Professor. 1897 ernannte ihn die Universität Breslau zum Ehrendoktor der Philosophie. Unter seinen Kompositionen sind hervorzuheben: zwei Suiten für Streichorchester in Kanonform, eine dritte Suite für Orchester (Op. 25), eine Symphonie in D moll, eine Sonate für Klavier und Violine, eine Kantate: »An die Musik« (diese zu fünf Orchester), ein- und mehrstimmige Lieder, zwei und vierhändige Klavierstücke u. a.

8) Herman, Schriftsteller, Sohn von G. 3), geb. 6. Jan. 1828 in Kassel, gest. 16. Juni 1901 in Berlin, studierte in Berlin und Bonn die Rechte, wandte sich dann mehr philologischen und historischen Arbeiten zu und ließ sich in Berlin nieder, wo er 1872 zum Professor der Kunstgeschichte an der Universität und 1884 zum Geheimen Regierungsrat ernannt wurde. Als Schriftsteller trat G. zuerst mit dem Drama »Armin« (Leipz. 1851) auf. Er veröffentlichte ferner die Dichtung »Traum und Erwachen« (Berl. 1854), das Trauerspiel »Demetrius« (Leipz. 1854), »Novellen« (Berl. 1856, 3. verm. Aufl. 1897) und den Roman »Unüberwindliche Mächte« (das. 1867, 3 Bde.; 3. Aufl. 1902). In den »Essays« (Hannov. 1859; 3. Aufl., Berl. 1884), den »Neuen Essays« (das. 1865, 2. Aufl. 1874), »Zehn ausgewählten Essays zur Einführung in das Studium der modernen Kunst« (das. 1871, 2. verm. Aufl. 1883), »Fünfzehn Essays«, neue Folge (das. 1875), 4. Folge (das. 1890) und den »Fragmenten« (Berl. 1900, 2 Bde.; zweiter Teil, hrsg. von R. Steig, 1902) lieferte er eine Reihe vorzüglich geschriebener und gehaltvoller Betrachtungen über Personen und Gegenstände der Literatur und Kunst und dann in seinem Hauptwerk: »Leben Michelangelos« (Hannov. 1860–63, 2 Bde.; 10. Aufl., Stuttg. 1901), nicht nur eine ausgezeichnete kunstgeschichtliche Monographie, sondern zugleich ein Kulturbild, das die politischen und sozialen Verhältnisse, in welchen der Künstler gelebt, und von denen er seine Anregung empfangen hat, zu einem reichen und mannigfaltigen Ganzen vereinigt. Seit 1865 gab G. die von ihm allein geschriebene Zeitschrift »Über Künstler und Kunstwerke« heraus, die jedoch mit dem 3. Band (Berl. 1867) wieder entging. Gegen die Ausstellungen, die ihm über seine Herausgabe von Vasaris »Leben Raphaels« (Berl. 1872, Bd. 1; ital. Text, Übersetzung und Kommentar) gemacht wurden, schrieb er: »Zur Abwehr gegen Herrn Professor A. Springers Raphael-Studien« (das. 1373). Eine neue Bearbeitung des genannten Werkes, mit Abschluß des biographischen Teils (»Das Leben Raphaels«), erschien 1886 (4. Aufl., Stuttg. 1903). Aus Vorlesungen an der Berliner Universität ging das biographisch-kritische, durch eigenartige Auffassung ausgezeichnete Buch »Goethe« (Berl. 1877, 2 Bde.; 7. Aufl. 1903) hervor. Seine originellen Homerstudien vereinigte er in dem Werke »Homer« (Berl. 1890–95, 2 Bde.), viel Anregendes bot er in seinen »Beitragen zur deutschen Kulturgeschichte« (das. 1897). Grimms literarische Bedeutung liegt in seiner ungewöhnlichen Vielseitigkeit, seinem feinsinnigen Urteil, in lebendiger, farbenreicher Darstellung und einem individuellen, freilich bisweilen auch etwas seltsamen Stil. Als Dichter ermangelt er der Kraft, wenn auch viele Stellen seiner »Unüberwindlichen Mächte« von vornehmster Geistes- und Herzensbildung zeugen. Vermählt war G. mit Gisela v. Arnim, einer Tochter Bettinas (s. Arnim 3).

9) »Gebrüder G.«, die Brüder Jakob und Wilhelm G., s. Grimm 2) u. 3).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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