Gliederfüßer

Gliederfüßer

Gliederfüßer (Arthropoden, Arthropoda), einer der großen und der an Arten bei weitem reichste Stamm des Tierreichs. Charakteristisch für die G. ist die Gliederung des Körpers und der Besitz gegliederter Anhänge (Gliedmaßen, Extremitäten), der sie von den gleichartig (homonom) segmentierten Ringelwürmern unterscheidet. Ein weiteres wichtiges Merkmal bildet die feste, aus Chitin bestehende Körperdecke, die von dem einschichtigen Körperepithet, der Hypodermis, als Cutikularbildung abgeschieden wird. Die Chitindecke bleibt bei manchen Gliederfüßern dünn, bei andern (großen Krebsen und Käfern) erlangt sie, häufig noch durch die Einlagerung von Kalksalzen gefestigt, eine sehr bedeutende Stärke und wird dann als Panzer oder Hautskelett bezeichnet; sie dient zum Schutz der von ihr umschlossenen Weichteile und zum Ansatz der Muskeln, die sich also an die Innenfläche dieses Außenskeletts anheften. Die Gliederung ist eine heteronome, d.h. die einzelnen Körperringe sind verschieden ausgestattet. Der Kopf trägt die Augen, Fühler und Mundwerkzeuge, in ihm liegt das Gehirn; darauf folgt die Brust (Thorax) mit den Hauptbewegungsorganen (Beinen, Flügeln) und an ihn schließt sich der Hinterleib (Abdomen) an, der Gliedmaßen tragen kann (Krebse) oder ohne solche ist (Spinnentiere, Insekten). Sowohl einzelne Segmente wie ganze Abschnitte können verschmelzen, so Kopf und Brust zum Cephalotorax (Krebse, Spinnentiere). An einem Körperring findet sich nicht mehr als ein Gliedmaßenpaar; diese selbst sind sehr vielgestaltig, je nach der Art ihrer Verwendung zum Tasten, Beißen, Kauen, Saugen (Fühler, Mundwerkzeuge), Gehen, Kriechen, Klettern, Graben, Greifen, Schwimmen (Geh-, Grab-, Raub-, Schwimmfüße etc.). Wie die festen Chitinglieder der Extremitäten, so sind auch die Körperringe durch weiche Gelenkhäute verbunden, so daß eine Bewegung gegeneinander, wie auch eine gewisse Ausdehnung dadurch ermöglicht ist, doch ist letztere nur beschränkt, so daß nur ein geringes Wachstum möglich ist und die Chitinhaut in gewissen Zwischenräumen von dem heranwachsenden Tier abgeworfen wird. Unter der alten bildet sich wieder als Abscheidung der Hypodermis die neue Chitindecke, die anfangs weich ist, aber bald erhärtet. Entsprechend den verschiedenen Stadien der Metamorphose zeigt die neue Haut eine von der alten abweichende Gestaltung. Die Häutung setzt sich auch auf die innern, mit Chitin ausgekleideten Teile (Darm, Genital- und Drüsenausführungsgänge etc.) fort.

Das Nervensystem besteht wie das der Ringelwürmer aus dem über den Schlund gelegenen Gehirn (Oberschlundganglion), dem Schlundring, der sich zum Unterschlundganglion verdickt und dem von diesem ausgehenden strickleiterförmigen Bauchmark, das ein Ganglienpaar in jedem Körperring und diese verbindende Quer- und Längskommissuren aufweist. Die Zahl der Ganglien ist je nach der größern Streckung oder Konzentration des Körpers bei den einzelnen Gliederfüßern eine sehr differente. Ein sympathisches Nervensystem versorgt die Eingeweide. Äußerst charakteristisch sind die Augen der G., die man als einfache (Ocellen) und zusammengesetzte oder Facettenaugen unterscheidet (s. Auge). Hörwerkzeuge finden sich am Kopf, aber auch als Equiliberorgane am Hinterleib und den Gliedmaßen. Sinneshaare zum Tasten, Riechen und Schmecken finden sich besonders an Fühlern und Mundteilen. Der Darm ist je nach der Ernährungsweise verschieden gebaut und von differenter Länge, selten fehlt er (Parasiten); oft besitzt er umfangreiche Anhangsorgane (Leber der Krebse und Spinnen); auch Exkretionsschläuche münden in ihn (Malpighische Gefäße der Spinnen, Insekten etc.). Außerdem finden sich besonders bei den Krebsen als Nieren gewundene Schläuche (Antennen- und Kieferdrüsen), die am Kopf ausmünden. Das Blutgefäßsystem fehlt bei manchen Gliederfüßern, bei andern besteht es nur aus einem sack- oder schlauchförmigen Herz (Rückengefäß), in dem sich das Blut von hinten nach vorn bewegt, um direkt in die Leibeshöhle einzutreten oder durch Gefäße weiter geleitet zu werden. Als Atmungsorgane dienen Kiemen oder Lungen, auch kann, zumal beim Fehlen der Respirationsorgane, die Atmung durch die Haut erfolgen. Die Kiemen finden sich als äußere sack-, blatt- oder fadenförmige Anhänge der Gliedmaßen bei den zumeist wasserlebenden Krebsen und Paläostraken, die übrigen (landlebenden) G. führen Lungen. Dies sind entweder Tracheen, d.h. mit einer äußern Öffnung (Stigma) beginnende Röhren, die sich bald verästeln und durch feinste Zweige an den Organen ausbreiten. Die Lungen suchen also hier das Blut auf, während sonst das Blut den Lungen in besondern Gefäßen zugeführt wird. Übrigens gibt es auch mehr lokalisierte Lungen, die als Fächertracheen wenig umfangreiche, buchartig geblätterte Säcke bilden (Spinnentiere) Die Fortpflanzung der G. geschieht nur auf geschlechtlichem Weg, und zwar sind sie, mit Ausnahme der Rankenfüßer (s. d.), getrennt geschlechtlich; bei vielen kommt Parthenogenese (s. d.) vor (Krebse, Insekten), doch pflegt auf eine Reihe von Generationen, die sich durch unbefruchtete Eier fortpflanzen, wieder eine zweigeschlechtige Generation zu folgen. Männchen und Weibchen können in Form, Größe und Färbung sehr different sein, zumal dann, wenn das Weibchen wie bei vielen Parasiten Unmengen von Eiern hervorbringt und zugunsten des Geschlechtsapparates sehr starke Veränderungen seiner äußern und innern Organisation erfährt; in andern Fällen ist die Zahl der Eier gering. Diese Verhältnisse wie diejenigen der Entwickelung hängen ganz von der Lebensweise ab. Die Entwickelung erfolgt z. T. direkt, indem das Junge zwar noch klein, aber in ziemlich fertiger Gestalt aus dem Ei schlüpft, z. T. aber auf indirektem Wege durch mehrfache Verwandlung (Metamorphose), wobei sowohl das ausschlüpfende Junge als auch die spätern Stadien recht different von dem fertigen Zustand sein können; wir erinnern nur an die sechsbeinige Naupliuslarve der Krebse (s. d.), die Raupen, Maden und Puppen der Insekten.

Die Organisation der G. erlaubt ihnen die Anpassung an sehr verschiedene Lebensverhältnisse, und so finden wir sie nicht nur an Zahl der Arten, sondern auch an Reichtum der verschiedenartigsten Formen andern Tierstämmen weit überlegen. Am nächsten verwandt sind die G. den Ringelwürmern (Anneliden), von denen sie sich herleiten dürften, und mit denen sie früher (als Artikulaten) vereinigt wurden. Eingeteilt werden sie in: 1) Krebse (Crustacea, inkl. Trilobiten), 2) Palaestraca (Pfeilschwanzkrebse [Xiphosura], Gigantostraken), 3) Spinnentiere (Arachnoidea), 4) Urtracheaten (Protracheata), 5) Tausendfüßer (Myriopoda), 6) Insekten (Hexapoda). S. die einzelnen Gruppen. Wohl hat man außerdem eine Einteilung in die zwei großen Abteilungen der durch Kiemen (Branchiata) und durch Lungen atmenden G. (Tracheata) versucht, doch dürften auf diese Weise nicht zusammengehörende Gruppen (Spinnentiere und Insekten) vereinigt und näher verwandte (Spinnentiere und Paläostraken) getrennt werden.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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