Geologische Formation

Geologische Formation

Geologische Formation (hierzu die Tafeln »Geologische Formationen I-VI«, mit Textblatt), auch Gebirgsformation oder nach der vom Geologenkongreß vereinbarten Nomenklatur geologisches System, ein Komplex von Gesteinen, die durch gemeinsame Eigenschaften der Lagerung, der Struktur und der etwa vorhandenen Einschlüsse organischer Abstammung (Petrefakten) einen gewissen Zusammenhang kundgeben und durch jene Eigenschaften auf eine in derselben größern Zeitperiode erfolgte Entstehung schließen lassen. Bei der Bestimmung der Reihenfolge in der Bildung der Gesteine, d. h. ihres relativen Alters, geht man aus von den geschichteten Gesteinen (s. Gesteine) und wendet unter der Voraussetzung, daß jede Schicht ursprünglich horizontal oder doch annähernd horizontal gebildet wurde, als logische Konsequenz dieser Voraussetzung den weitern Satz an, daß die unterlagernde Schicht die ältere, die höher gelegene die jüngere sei, ein Satz, der nur in seltenen Fällen, wenn Schichtsysteme durch spätere Prozesse (Faltungen) senkrecht ausgerichtet oder gar überstürzt (überkippt) wurden, kein oder ein falsches Resultat ergibt. Gewinnt man so das relative Alter einer Mehrzahl an einem Beobachtungsort vorkommender Schichten, so führt die Identifizierung einer oder mehrerer Schichten des Systems des einen Beobachtungsortes mit solchen eines zweiten Beobachtungsortes, die an dieser zweiten Stelle von wesentlich andern Schichten über- oder unterlagert werden, zu einer Vermehrung der Kenntnis weiterer Schichten in bezug auf ihr relatives Alter. Die hierzu notwendige Identifizierung fern voneinander entwickelter Schichten würde nur auf dem mitunter undurchführbaren, immer leicht trügerischen Vergleich der Gesteinsbeschaffenheit des geschichteten Materials beruhen, wenn sich nicht der Erfahrungssatz ergeben hätte, daß sich innerhalb einer jeden Entwickelungsperiode der Erde über ihre ganze Oberfläche stets ein gemeinsamer Charakter der Tier- und Pflanzenwelt nachweisen läßt. So führen in der Regel gleichalterige Schichten übereinstimmende Reste dieser Tier- und Pflanzenwelt (Versteinerungen, Petrefakten), die sich dann, wenn sie charakteristisch und zugleich nicht zu selten sind, praktisch als Erkennungsmittel für die Gleichalterigkeit ausnutzen lassen (Leitfossilien). Wo Petrefakteneinschlüsse (wie namentlich in den ältesten Schichten) fehlen, da ist man auf den Versuch, nach Gesteinsmaterial zu identifizieren, angewiesen. Durch die Übertragung dieser angedeuten Beobachtungsprinzipien auf eine große Menge von Beobachtungsstellen ist man (immer zunächst nur für die geschichteten Gesteine) zur Ausstellung eines großen Profils gekommen, in dem jede charakterisierbare Schicht nach ihrem relativen Alter oder, wie man es nennt, nach ihrer bathrologischen Stellung (von bathron, griech., »Stufe, Sitz«) eingetragen ist. Des öftern stellt sich bei dieser Operation heraus, daß, wenn von drei Schichten oder Schichtsystemen des einen Beobachtungsortes die obere und die untere sich nach der Gesteinsbeschaffenheit und den Leitfossilien identifizieren läßt mit der obern und untern einer Dreizahl von Schichten oder Schichtsystemen an einem zweiten Ort, für die mittlern Schichten beiderorts eine solche Übereinstimmung fehlt. Man schließt dann auf zwar gleichzeitige, aber unter verschiedenen Verhältnissen gebildete Schichten (Faziesbildung, s. Fazies). Freilich herrscht oft genug über das relative Alter ganzer Schichtsysteme Unbestimmtheit, dann nämlich, wenn diese, an sich versteinerungsleer, von Schichten über- und unterlagert sind, die ihrer bathrologischen Stellung nach zwar vollkommen bekannt sind, aber zwischen sich einen zu großen Spielraum für das relative Alter des eingeschlossenen Materials übriglassen.

Ein mit den geschilderten Hilfsmitteln entworfenes ideales Normalprofil aller Schichten, die sich irgendwo beobachten und einordnen lassen, ist in verschiedene Abteilungen gebracht worden, für die man auf dem internationalen Geologenkongreß folgende, immer größere Schichtenkomplexe umfassende Ausdrücke festgestellt hat:

Tabelle

Da diesen Lagerungsbegriffen Zeitbegriffe entsprechen müssen, so hat man sich über folgende Parallelbezeichnungen geeinigt:


Stufe – Alter

Abteilung – Epoche

SystemPeriode

Gruppe – Ära, Zeitalter.


Das Wort »System« scheint sich in Deutschland nicht einbürgern zu wollen; es ist hier die Bezeichnung »Formation« gebräuchlich, die der internationale Kongreß für die Art und Weise der Bildung (sedimentäre, marine etc. Formation) angewendet wissen will. Der Begriff der Formation (System) ist als die geologische Einheit zu betrachten und die Abgrenzung der Formationen voneinander als die erste Aufgabe aufzufassen. Häufig bieten sich nun für eine naturgemäße Abgrenzung wichtige Merkmale dar, und zwar entweder paläontologischerseits durch wesentlich voneinander abweichende organische Reste in zwei aufeinander folgenden Schichten oder durch die Lagerung dann, wenn eine folgende Schicht der untern diskordant oder übergreifend (s. Gesteine und Schichtung) ausgelagert ist. Da sich nämlich die Schichtenstörungen, wie sie der Diskordanz in der Auslagerung der jüngern Schicht vorausgegangen sein müssen, nicht plötzlich vollzogen haben können, sv ist eine solche Diskordanz das Signal eines bedeutenden Zeitintervalls zwischen der Bildung der tiefern und der höhern Schicht. Demungeachtet bleibt die Abgrenzung der einzelnen Formationen nur zu oft eine willkürliche Handlung, und auch unsre »übersicht der geologischen Formationen« (s. das Textblatt zu beifolgenden Tafeln) kann sich nur den am weitesten unter den Geologen verbreiteten, nicht aber unbestreitbaren und unbestrittenen Ansichten über die Abgrenzung der einzelnen Formationen anschließen. So wird die früher als sogen. Zwischenformation betrachtete rätische Formation jetzt in der Regel nicht mehr als selbständige Formation angesehen, sondern als oberste Stufe zur Triasformation gestellt, während die Wealdenformation noch von den einen Geologen der Kreide, von den andern dem Jura zugerechnet wird. Indem hinsichtlich aller Details der Etagierung auf die Tabelle und auf die in den Tafeln I u. II gegebenen Beispiele der Auflagerungen geschichteter Formationen verwiesen wird, sei noch in betreff der vier Formationsgruppen erwähnt, daß sich die älteste oder bathrologisch tiefste, die archäische, von den übrigen drei scharf durch den Mangel an Versteinerungen abtrennt; man hat sie deshalb auch wohl die azoische genannt. Die Namen der übrigen drei Formationsgruppen wurden nach dem Vergleich der in ihnen eingeschlossenen Reste der Tier- und Pflanzenwelt (zoon, griech., »Lebewesen«, Tier und Pflanze) gewählt, der im allgemeinen ein um so fremdartigeres Bild in bezug auf Fauna und rlora ergibt, je weiter rückwärts die Zeit der Bildung der einschließenden Schichten liegt: die paläozoische Gruppe umfaßt die ältesten Formationen, die mesozoische die mittlern und die känozoische die jüngsten Formationen. Die ältere, aus der Zeit Werners stammende Einteilung der Formationen deckt sich nur teilweise mit der jetzt allgemein üblichen; das »sekundäre« Gebirge oder Flözgebirge Werners und seiner Zeitgenossen entspricht nahezu der mesozoischen Gruppe einschließlich der Dyasformation, das »primäre« Gebirge umfaßt das Grund- oder Urgebirge und das Übergangsgebirge, d. h. die archäische und einen großen Teil der paläozoischen Gruppe, das »tertiäre« einen Teil der Tertiärformation der neuern Geologen, das »quartäre« Gebirge die jüngsten Bildungen.

Bezüglich der Altersbestimmung der Eruptivgesteine gilt folgendes: Das eine Schicht gangförmig durchsetzende (s. Gang) oder sie als Decke oder Strom (s. Gesteine) bedeckende Eruptivgestein ist jünger als die betreffende Schicht, aber älter als diejenige, die ihrerseits das Eruptivgestein überlagert, ohne von ihm durchsetzt zu werden. So kann man an einzelnen Orten das Rotliegende (s. die Übersicht) in eine ante porphyrische und eine postporphyrische Stufe trennen. Nur die untern Schichten werden von Porphyrgängen durchsetzt, die obern nicht; diese haben sich vielmehr z. T. aus Trümmergesteinen des Porphyrs (Breccien, Konglomeraten, Tuffen, letztere mit den für das Rotliegende charakteristischen Versteinerungen) gebildet; dieser selbst schiebt sich in Form von Decken zwischen die beiden Schichtsysteme: alles Beweise, daß die Eruptionszeit des Porphyrs in die Periode der Ablagerung des Rotliegenden hineinfällt. Fehlt eine solche enge Verknüpfung, so ist die Altersbestimmung des Eruptivgesteins nicht genau durchführbar. Wenn z. B. im Odenwald der Nephelinbasalt den Buntsandstein (s. die Übersicht) durchsetzt und eine Kuppe über ihm bildet, so kann daraus nur geschlossen werden, der Nephelinbasalt sei jünger als dieses geschichtete Gestein, ohne daß sich ein Anhaltepunkt für die Abgrenzung des Termins der Eruption nach den jüngern Perioden zu darböte. Denn die Erfahrung hat gelehrt, daß jede Periode der Entwickelung unsrer Erde neben geschichtetem auch eruptives Material geliefert hat, daß das letztere in allen Perioden Repräsentanten von siliciumreichen und siliciumarmen (sauren und basischen) Gesteinen aufzuweisen hat.

Die Lagerungsverhältnisse sowohl von geschichteten als von eruptiven Formationen erläutern die Profile beifolgender Tafeln »Geologische Formationen I u. II«. Während die Profile 2 u. 4, Tafel II, die im allgemeinen regelmäßige Aufeinanderfolge der zu demselben System oder derselben Abteilung gehörigen Sedimente zeigen, sind dagegen Diskordanzen im Profil 2 zwischen den Schichten der Kreide und den ältern Sedimenten, in Profil 4 zwischen dem untern Oldred und Silur sowie zwischen dem obern Oldred einerseits und dem untern Oldred und dem Silur anderseits zu erkennen; dagegen lagert das Karbon konkordant dem obern Oldred auf. Für die Eruptivdecke im Profil 4 muß man nach ihrer Lagerung eine Entstehung zwischen dem obern Oldred und dem Unterkarbon annehmen. In Profil 5 der Tafel II ist der Granit als das älteste Gestein überlagert von einem Andesittuff und mit diesem zugleich durchbrochen von Trachyt, der sich deckenartig über den ältern Andesittuff ausbreitet. Jünger noch als der Trachyt sind dann der Hornblendeandesit, Phonolith und Basalt, die sämtlich die ältern Gesteine und auch den Trachyt durch setzt und lokal über ihm sich ausgebreitet haben. Auf das gegenseitige Alter von Andesit, Phonolith und Basalt läßt das Profil, weil diese Gesteine in demselben nicht miteinander in Berührung treten, keinen Schluß zu. Sehr stark gefaltet und z. T. gegeneinander verworfen sind die paläozoischen Sedimente im Profil 1, Tafel II. Das Devon liegt hier diskordant über dem Silur, während das erstere vom Karbon anscheinend konkordant überlagert wird. Fast horizontal lagert dann, diskordant, die Kreide über den gefalteten ältern Sedimenten. Profil 2, Tafel I, zeigt, wie im allgemeinen regelmäßige Lagerungsverhältnisse infolge zahlreicher Zerreißungen (Verwerfungen) in hügeligem Terrain an der Oberfläche doch ein sehr kompliziertes Bild zu erzeugen vermögen. Während Granit, Gneis und Karbon (Kulm), letztere z. T. steil ausgerichtet, den Kern der Vogesen und des Schwarzwaldes bilden, zeigen die mesozoischen Sedimente am Rande der beiden Gebirge bei gegenseitiger konkordanter Lagerung eine regelmäßige Aufeinanderfolge. In der Rheinebene legen sich tertiäre und quartäre Schichten diskordant auf die mesozoischen Bildungen, und am Rande des Schwarzwaldes durchbrechen Eruptivgesteine die mesozoischen und z. T. noch die tertiären Ablagerungen und liefern dadurch den Beweis, daß sie jüngerer Entstehung sind. Weit komplizierter sind die Lagerungsverhältnisse in den Alpen, von denen die Figuren 1,3 und 4 der Tafel I und Profil 3 der Tafel II eine Vorstellung geben. Hier haben infolge starker Faltungen vielfach Überkippungen, Verwerfungen und andre Lagerungsstörungen stattgefunden, so daß es oft eines sehr eingehenden Studiums bedarf, um die gegenseitigen Beziehungen zwischen den einzelnen Abteilungen und den in diesen auftretenden Eruptivgesteinen zu erkennen.

Viel leichter verständlich sind die Tafeln III-VI. Sie zeigen, wie man sich auf Grund der bisher bekannt gewordenen Verbreitung der einzelnen Formationen und Formationsabteilungen in den geologisch durchforschten Erdteilen die Verteilung von Wasser und Land in den verschiedenen geologischen Perioden zu denken hat und wie ganz anders die Ausdehnung der Kontinente besonders in dem paläozoischen und mesozoischen Zeitalter war gegenüber der jetzigen.

Die den Tafeln beigegebene Übersicht gibt auch technisch besonders wichtiges Material an, das den betreffenden Schichten entweder selbst in Schichten oder Lagern eingeschaltet ist, oder es gangförmig durch setzt, wobei hinsichtlich der letztern Lagerungsform daran erinnert werden muß, daß es sich dabei nicht um ein Vorkommen, gleichzeitig mit den betreffenden Schichtsystemen gebildet, handeln kann, sondern daß der Gang die Bildung der Gangspalte, diese die Ablagerung des durchsetzten Gesteins zeitlich voraussetzt (vgl. Gang). – Zur Ergänzung der »Übersicht« vgl. die Spezialartikel über die einzelnen Formationen, ferner die Artikel »Geologie« und »Gesteine«, wo auch die Literatur über die Formationslehre nachzusehen ist.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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