Geiger

Geiger

Geiger, 1) Peter Johann Nepomuk, Maler, und Zeichner, geb. 11. Jan. 1805 in Wien, gest. daselbst 29. Okt. 1880, entstammte einer Bildhauerfamilie und wollte anfangs ebenfalls Bildhauer werden, fand aber bald im Zeichnen und Malen sein Gebiet. Illustrationen zu Zieglers »Vaterländischen Immortellen« (1841) begründeten seinen Ruf. Bis 1848 folgten eine große Anzahl andrer Illustrationen, daneben aber auch mehrere Ölbilder für Mitglieder des kaiserlichen Hauses. Er begleitete 1850 den Erzherzog Ferdinand Max auf dessen Orientreise und entfaltete nach seiner Heimkehr eine äußerst fruchtbare Tätigkeit. 1853 wurde er Professor an der Wiener Akademie. Unter seinen realistisch treuen Schlachtenbildern ragen hervor: die Schlacht bei Lützen und Tirolerkampf unter Andreas Hofer; für den Erzherzog Ferdinand Max schuf er einen Zyklus Darstellungen zu Schiller, Goethe und Shakespeare. Vgl. Wiesböck, Peter I. N. Geigers Werke (Leipz. 1868).

2) Abraham, namhafter Vorkämpfer der Reform des Judentums, geb. 24. Mai 1810 in Frankfurt a. M., gest. 23. Okt. 1874 in Berlin, widmete sich in Heidelberg und Bonn dem Studium der Philosophie und der orientalischen Sprachen, als dessen erste Frucht die Preisschrift: »Was hat Mohammed aus dem Judentum aufgenommen?« (Bonn 1833; 2. Aufl., Leipz. 1902) erschien. 1832 als Rabbiner zu Wiesbaden angestellt, bemühte er sich, die jüdische Theologie als eine wissenschaftliche Disziplin zu begründen und verband sich mit andern Gelehrten zur Herausgabe der wissenschaftlichen »Zeitschrift für jüdische Theologie« (Bd. 1–4, Frankf. u. Stuttg. 1835–39; Bd. 5 u. 6, Grünb. u. Leipz. 1842–47). 1838 folgte er einem Ruf nach Breslau als zweiter Rabbiner, wiewohl die orthodoxe Partei die Rechtmäßigkeit der Wahl angriff. In zwei deshalb veröffentlichten Schutzschriften suchte er darzutun, daß sein System nur die historisch berechtigte Fortbildung des traditionellen Judentums sei. Seit 1863 war er Rabbiner in seiner Vaterstadt Frankfurt, ging aber 1870 als Rabbiner nach Berlin, wo er zugleich an der »Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums« tätig war. Außer vielen literarhistorischen und sprachlichen Monographien (z. B. »Lehr- und Lesebuch zur Sprache der Mischna«, Bresl. 1845; »Studien über Moses ben Maimon«, das. 1850, Heft 1; »Diwan des Kastiliers Juda ha Levi«, das. 1851; »Isaak Troki«, das. 1853; »Parschaudatha«, Leipz. 1855; »Jüdische Dichtungen«, das. 1885, »Leon da Modena«, Bresl. 1856, und »Gabirol«, Leipz. 1868) veröffentlichte G. namentlich zwei in die theologische Forschung tief eingreifende Werke: »Urschrift und Übersetzungen der Bibel in ihrer Abhängigkeit von der innern Entwickelung des Judentums« (Bresl. 1857) und »Sadduzäer und Pharisäer« (das. 1863). Aus einer Reihe von in Frankfurt gehaltenen Vorträgen entstand das Buch »Das Judentum und seine Geschichte« (Bresl. 1864–71, 3 Bde.; 2. Aufl. des 1. Bandes 1865). Außerdem war G. tätiger Mitarbeiter an der »Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft« und seit 1862 Herausgeber und fast alleiniger Verfasser der »Jüdischen Zeitschrift für Wissenschaft und Leben« (Bresl. 1862–74, 11 Bde.). Seine »Nachgelassenen Schriften« wurden von seinem Sohn Ludwig G. herausgegeben (Berl. 1875–78, 5 Bde., deren letzter Geigers Leben u. Briefe enthält).

3) Lazarus, Sprachphilosoph, geb. 21. Mai 1829 in Frankfurt a. M. von jüdischen Eltern, gest. daselbst 29. Ang. 1870, war ursprünglich für den Kaufmannsstand bestimmt, wandte sich jedoch bald von diesem ab, besuchte das Gymnasium seiner Vaterstadt und studierte in Bonn, Heidelberg und Würzburg orientalische und klassische Sprachen; seit 1861 war er Lehrer an der israelitischen Realschule zu Frankfurt. Sehr anregend wirkten seine beiden Hauptwerke: »Ursprung und Entwickelung der menschlichen Sprache und Vernunft« (Stuttg. 1868–72, 2 Bde.; Bd. 2, aus dem Nachlaß, in 2. Aufl. 1899) und »Ursprung der Sprache« (das. 1869, 2. Aufl. 1878), in denen er die Einwirkung der Sprache auf die Entwickelung der Vernunft und Bildung darzulegen suchte. Kleinere Schriften sind: »Über Umfang und Quelle der erfahrungsfreien Erkenntnis« (1865); »Über den Farbensinn im Altertum« (1867); »Über deutsche Schriftsprache und Grammatik« (Frankf. 1870); »Zur Entwickelungsgeschichte der Menschheit«, Vorträge (Stuttgart 1871, 2. Aufl. 1878) u. a. In der letztgenannten Schrift suchte er unter anderm die Annahme zu begründen, daß die Ursitze der indogermanischen Völker nicht, wie gewöhnlich angenommen wird, in Asien, sondern in Mitteldeutschland zu suchen seien. Vgl. Peschier, Lazarus G., sein Leben und Denken (Frankf. 1871); Rosenthal, Lazarus G. (Stuttg. 1884).

4) Ludwig, Literar- und Kulturhistoriker, Sohn von G. 2), geb. 5. Juni 1848 in Breslau, studierte in Heidelberg, Göttingen, Bonn und Paris und lebt seit 1870 in Berlin, wo er sich 1873 als Privatdozent an der Universität habilitierte und 1880 zum außerordentlichen Professor ernannt wurde. Er schrieb: »Das Studium der hebräischen Sprache in Deutschland vom Ende des 15. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts« (Bresl. 1870); »Nikolaus Ellenbog, ein Humanist und Theolog des 16. Jahrhunderts« (Wien 1870); »Johann Reuchlin, sein Leben und seine Werke« (Leipz. 1871); »Geschichte der Juden in Berlin« (Berl. 1871, 2 Tle.); »Petrarca« (Leipz. 1874); »Deutsche Satiriker des 16. Jahrhunderts« (Berl. 1878); »Renaissance und Humanismus in Italien und Deutschland« (in Onckens »Allgemeiner Geschichte in Einzeldarstellungen«, das. 1882, 2. Aufl. 1899); »Vorträge und Versuche« (Dresd. 1890); »Berlin 1688–1840. Geschichte des geistigen Lebens der preußischen Hauptstadt« (Berl. 1892–95, 2 Bde.); »Augustin, Petrarca, Rousseau« (das. 1893); »Karoline von Günderode und ihre Freunde« (Stuttg. 1895); »Dichter und Frauen«, Vorträge und Abhandlungen (Berl. 1896, neue Sammlung 1899); »Aus Alt-Weimar« (das. 1897); »Goethe in Frankfurt a. M. 1797« (Frankf. a. M. 1899); »Das junge Deutschland und die preußische Zensur« (Berl. 1900); »Therese Huber« (Stuttg. 1901); »Bettina v. Arnim und Friedrich Wilhelm IV.« (Frankf. a. M. 1902). Auch gab er Johann Reuchlins Briefwechsel (Stuttg. 1876, Literarischer Verein), Goethes Werke (Berl. 1880f.), den Briefwechsel zwischen Schiller und Körner (Stuttg. 1895, 4 Bde.), Goethes Gespräche mit Eckermann (Leipz. 1902), I. Burckhardts »Kultur der Renaissance« (3. Aufl., das. 1883; 8. Aufl., das. 1901) u. a. heraus und schrieb den einleitenden Band zu M. Hesses Goethe-Ausgabe (Leipz. 1901). Außerdem betätigte sich G. als Herausgeber des »Goethe-Jahrbuches« (Frankf. a. M. 1880 bis 1903, 24 Bde., seit Begründung der Goethe-Gesellschaft deren Organ), der »Vierteljahrschrift für Kultur und Literatur der Renaissance« (Berl. 1885 bis 1886, 2 Bde.), mit M. Koch zusammen der »Zeitschrift für vergleichende Literaturgeschichte und Renaissance-Literatur« (neue Folge, das. 1887–91, 4 Bde.; später von Koch allein fortgeführt) und der »Zeitschrift für die Geschichte der Juden in Deutschland« (Braunschw. 1886–91, 5 Bde.) sowie als Mitherausgeber der »Berliner Neudrucke« (1888ff.).

5) Nikolaus, Bildhauer, geb. 6. Nov. 1849 zu Lauingen in Bayern, gest. 28. Nov. 1897 in Wilmersdorf bei Berlin, bildete sich an der Münchener Akademie unter Knabl und wandte sich 1873 nach Berlin, wo er zuerst als Ornamentist arbeiten mußte, aber bald mit Arbeiten für das Palais des Herrn v. Tiele-Winckler (Kolossalgruppe: Heimdall, Kinderfries für den Speisesaal) einen Namen gewann. Nach einem längern Aufenthalt in Italien ließ er sich in München nieder, wo er sich auch der Malerei widmete. Als Maler kultivierte er teils das antike Genre (Würfelspiel im Bade), teils das moderne Sittenbild (die Sünderin). 1884 siedelte er wieder nach Berlin über, wo er seitdem zumeist auf dem Gebiete der monumentalen und dekorativen, Ideal- und Porträtplastik mit starker Neigung zum Malerischen tätig war. Seine Hauptwerke sind außer zahlreichen Konkurrenzentwürfen: die Gruppen der Inspiration für die Kuppelhalle des Landes-Ausstellungsgebäudes in Berlin (1886), die Märchenerzählerin, die Arbeit (für die Reichsbank in Berlin), die Figur des sitzenden Barbarossa für das Denkmal auf dem Kyffhäuser, ein Relieffries für das Kriegerdenkmal in Indianapolis und das Hochrelief der Anbetung der heiligen drei Könige für das Giebelfeld der Hedwigskirche in Berlin (1894). 1893 wurde er Mitglied der Berliner Akademie.

6) Wilhelm, Orientalist, geb. 21. Juli 1856 in Nürnberg, studierte in Erlangen, Bonn und Berlin klassische und orientalische Philologie, habilitierte sich als Privatdozent für orientalische Philologie in Erlangen, ging von da als Gymnasiallehrer nach Neustadt a. H., dann nach München, wo er sich auch wieder habilitierte. Seit 1891 wirkt er als ordentlicher Professor der indogermanischen Sprachwissenschaft in Erlangen. Wissenschaftliche Reisen führten ihn 1888 nach England, 1895/96 nach Ceylon. Seine hauptsächlichsten Schriften, teils das Gebiet des Avesta und der iranischen Philologie, teils dasjenige der indischen Philologie betreffend, sind: »Handbuch der Avestasprache« (Erlang. 1879); »Ostiranische Kultur im Altertum« (das. 1882; engl. von Peshotan Sanjānā, Lond. 1885, 2 Bde.); »Die Pamirgebiete«, eine geographische Monographie (in Pencks »Geographischen Abhandlungen«, Wien 1887); »Elementarbuch der Sanskritsprache« (Münch. 1888); »Etymologie des Balūčī und Lautlehre des Balūčī« (in den Abhandlungen der königlich bayrischen Akademie der Wissenschaften, I. Klasse, 19. Bd., 1. u. 2. Abt., Münch. 1890); »Etymologie und Lautlehre des Afghanischen« (ebenda, 20. Bd., 1. Abt., das. 1893); »Etymologie des Singhalesischen« (ebenda, 21. Bd., 2. Abt., das. 1898); »Ceylon, Tagebuchblätter und Reiseerinnerungen« (Wiesb. 1897). Gemeinschaftlich mit E. Kuhn und unter Mitwirkung verschiedener Gelehrten gab er den »Grundriß der iranischen Philologie« (Straßb. 1895ff., 2 Bde.) heraus.


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