Freihafen

Freihafen

Freihafen heißt ein Hafen (ganze Stadt mit Umgebung oder auch nur der Hafen nebst einem kleinern bewachten Gebiet: Freigebiet), der außerhalb der Zollgrenze liegt, nicht unter Zollkontrolle steht, und zu dem alle Flaggen freien Zutritt haben, ohne Zölle (mit Ausnahme von Hafenabgaben) zahlen zu müssen. Er bildet eine besondere Art von offenem Hafen im Gegensatz zu dem geschlossenen, der den Schiffen fremder Nationen nicht zugänglich ist (s. Schiffahrtsgesetze und Schiffahrtsverträge). Die Entstehung von Freihäfen ist auf die Zeiten der prohibitiven und protektionistischen Handelspolitik zurückzuführen. Im Mittelalter dienten sie vornehmlich dazu, den internationalen Handel auf bevorzugte Plätze am Ausfluß großer Ströme oder an geeigneten Küsten zu lenken und diese zu natürlichen Handelszentren zu machen. Ihnen wurden allerlei Rechte verliehen; infolgedessen gelangten sie bald zu großer Blüte. Der erste moderne F., Livorno (1547), wurde ein wichtiger Stapelplatz für den Handel mit der Levante. Ihm folgten Genua 1595, Neapel 1633, Venedig 1661, Ancona und Messina 1732. Das von Italien gegebene Beispiel reizte zur Nachahmung in Frankreich (Marseille 1669), Österreich (Triest 1717, Fiume 1745), Spanien (Gibraltar 1706) und Portugal. Dagegen war in England und den Vereinigten Staaten von eigentlichen Freihäfen niemals die Rede, sondern dort bildete sich das Entrepot- (Warehousing-) System schon früh als Ersatz der Freihafenprivilegien. Auch wurde frühern Freihäfen später vielfach die Zollfreiheit wieder genommen, teils im fiskalischen Interesse, teils weil sie den Schmuggel förderten. In neuerer Zeit sind die Freihäfen als Depots von Warenbezügen und, wenn sie günstig gelegen sind, als Träger eines umfassenden Zwischenhandels wichtig geworden. Aber auch in dieser Beziehung haben die Änderungen in Technik und Wirtschaft zur Beseitigung der Freihäfen geführt. Statt das ganze Hafengebiet als Zollausschluß zu erklären, was den Industriellen und dem Kaufmannsstande des Hinterlandes viele Schwierigkeiten für die Ausfuhr bereitet und den Bewohnern des Freihafens selbst den Verkehr mit dem übrigen Staatsgebiet unterbindet, erreicht man den ganzen Nutzen, ohne die Nachteile zu tragen, durch die Errichtung großer Niederlagen, Lagerhäuser, Docks, in denen die zollfreie Ein- und Ausfuhr und die verschiedenen mit dem Zwischenhandel verbundenen Arbeiten des Verpackens, Sortierens, Rassinierens, Veredelns etc. bequem und rasch vollzogen werden. So ist man fast allgemein zu dem in England schon 1733 durchgebildeten Niederlagensystem, das nachher seine eigentümlichen Formen in Holland und Frankreich erhielt, übergegangen (vgl. Zollniederlagen). In Frankreich, wo unter Colbert 1669 den Freihäfen Marseille, Dünkirchen u. Bayonne große Privilegien verliehen und diese als »étranger effectif« erklärt worden waren, erfolgte nach mannigfachen Wandlungen die endgültige Beseitigung 1817, indem das in ganz Frankreich herrschende Zoll- und Entrepotsystem, mit einigen Ausnahmen zugunsten von Marseille, eingeführt wurde.

In Deutschland waren Lübeck, Bremen und Hamburg seit Bildung des Zollvereins Freihäfen, Altona hatte schon 1664 als dänische Waffe gegen Hamburg Zollfreiheit. Die Freihafenstellung von Lübeck fand ihr Ende durch den 1868 erfolgten Eintritt in den Zollverein. Dagegen blieben »die Hansestädte Bremen und Hamburg mit einem dem Zweck entsprechenden Bezirk ihres oder des umliegenden Gebiets Freihäfen außerhalb der gemeinschaftlichen Zollgrenze, bis sie ihren Einschluß in dieselbe beantragen« (Art. 34 der Reichsverfassung vom 16. April 1871). Hamburg vereinbarte 1881 den Anschluß (Gesetz vom 16. Febr. 1882, wonach das Reich für die nötigen Bauten einen Zuschuß von 40 Mill. Mark gewährte), Bremen 1884 (Gesetz vom 31. März 1885). Beide Städte nebst Altona sind dem Zollgebiet seit 15. Okt. 1888 angeschlossen. So besteht jetzt nur noch das Freihafengebiet in Hamburg sowie die Hafenanlagen in Bremerhaven-Geestemünde mit den angrenzenden Petroleumlagerplätzen. Im Nordwesten von Bremen wurde ein Freibezirk (Freigebiet) eingerichtet, der aber ebenso wie der Hafen von Brake nur als im Zollgebiet gelegenes Freilager gilt. In Stettin und Neufahrwasser bei Danzig sind 1898, bez. 1899 größere Freibezirke eingerichtet worden. In Italien wurden die alten Freihafenprivilegien von Genua, Livorno, Venedig, Messina und Brindisi kurz nach der Wiederherstellung des Königreichs aufgehoben. In Österreich-Ungarn waren Triest und Fiume früher wichtige Freihäfen; Martinschizza, Buccari, Portore, Zengg und Carlopago wurden 1880, Triest und Fiume 1891 unter Belassung kleiner Freigebiete in das allgemeine Zollgebiet einbezogen; Rumänien hatte 1872 den Städten Galatz, Braila und Sulina und 1880 Tultscha und Küstendsche auf der untern Donau Freihafenprivilegien erteilt; doch wurden diese 1883 wieder aufgehoben und durch Entrepots ersetzt. In Europa ist jetzt nur noch Gibraltar F. Dann hat Dänemark in Kopenhagen ein Freihafenviertel. Von den Engländern ist Adenin Arabien 1850 zum F. erklärt worden, aber auch viele andre britische Häfen in Asien sind tatsächlich Freihäfen, so: Singapur, Georgetown auf Pinang, Malakka und das wichtige Hongkong. Ferner sind Freihäfen St Thomas im dänischen Westindien, Omoa in Honduras seit 1877 und (seit 1848) die niederländischen Häfen Manado und Kema auf Celebes, im wesentlichen auch seit 1854 die molukkischen Häfen Amboina, Banda, Ternate und Kajelie und neuerdings das deutsche Gebiet von Kiautschou.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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