Französisch-Indochina

Französisch-Indochina

Französisch-Indochina (Indo-Chine Française; hierzu Karte »Französisch-Indochina«), Bezeichnung für die seit 1887/88 unter einheitliche Verwaltung genommenen Länder Tongking, Anam, Laos, Kambodscha und Kotschinchina (vgl. die Artikel über die einzelnen Länder). Außerdem wird ihm die französische Interessensphäre in Siam angegliedert. Seit 1898 untersteht dem Generalgouverneur von F. auch das von China durch Pacht erworbene Kwang-tschou-wan (s.d.). Die Grenzen sind im N. die chinesischen Provinzen Kwangtung, Kwangsi und Yünnan, im W. das rechte Ufer des Mekhong bis zu 131/2° nördl. Br. und weiter südlich eine nach W. ausbuchtende, hauptsächlich durch hydrographische Verhältnisse bedingte Linie, die beim Kap Samit endet; im S. und O. liegt das Meer (Golf von Siam, Chinesische Südsee, Golf von Tongking). Die Grenzen zwischen den einzelnen Kolonien werden hauptsächlich durch die Abgrenzung hydrographischer Bezirke bestimmt. Das Gebiet umfaßt nach den jetzigen Feststellungen 663,000 (mit der Interessensphäre rund 900,000) qkm mit (1900) etwa 16 Mill. Einw.; letztere Zahl wurde früher stark übertrieben. F. steht unter einem Generalgouverneur, dem der Gouverneur von Kotschinchina und die Oberresidenten von Tongking, Laos, Anam und Kambodscha unterstellt sind und ein aus 29 Mitgliedern bestehender Hoher Rat zur Seite steht. Das Budget erhält seine lokalen Einnahmen aus Zöllen, Monopolen, indirekten Steuern, Post, Telegraphie und Eisenbahnen; die lokalen Einnahmen betrugen 1902: 27,142,000, die Ausgaben 27,128,000 Piaster; die militärischen Ausgaben erforderten jedoch einen Zuschuß von 33,574,923 Frank aus dem Mutterlande. Seit 1887 sind die fünf Kolonien von F. durch eine Zollunion verbunden und stehen auch mit Frankreich in Zolleinigung (Begünstigung der Ausfuhr nach dem Mutterlande).

Die Hauptprodukte des Gebiets sind die des Ackerbaues, vornehmlich Reis, womit in den vier Kolonien mit Ausnahme von Laos etwa 2 Mill. Hektar mit einem jährlichen Ertrag von 21/2-3 Mill. Ton. bebaut sind. Die Reisausfuhr betrug 1901: 913,580 T. im Werte von 1081/2 Mill. Fr. Die Reiskultur ist noch einer starken Ausbildung fähig, die durch Erteilung großer Konzessionen gefördert wird. Von andern Kulturen sind zu nennen: Pfeffer, Tee, Maniok, Baumwolle, Manilahanf, Tabak; außerdem wird aus Bankulnüssen Ol, aus dem Buteabaum Farbstoff gewonnen. Seidenraupenzucht und Seidenspinnerei werden in der Küstenzone in nicht großem Umfang betrieben und von Chinesen beherrscht. Der Mineralreichtum (Gold, Silber, Kupfer, Blei, Zink, Zinnober, Eisen, Kohle, Steinsalz) ist nach den neuen Untersuchungen bedeutender, als man früher annahm, namentlich auch in Laos, wird aber bisher wenig ausgebeutet. Bisher sind nur in Tongking drei Kohlengruben mit minderwertigen Erzeugnissen in Betrieb. Die Grube von Hongay lieferte 1901: 248,622 T., wovon drei Viertel ausgeführt wurden. Von den Industrien sind in erster Linie die Reismühlen zu nennen, dann die Verarbeitung von Baumwolle, Holzindustrie etc. Der industrielle Fortschritt ist gering und geht zudem immer mehr in chinesische Hände über.

Das Verkehrswesen wird nach den umfangreichen, z. T. bereits in Ausführung begriffenen Eisenbahnplänen eine lebhafte Förderung erfahren. Im ganzen sollen 2000 km Bahnlinien gebaut werden; von der dafür in Aussicht genommenen Anleihe von 200 Mill. Fr. sind 1902: 70 Mill. Fr. von Frankreich genehmigt und schnell gezeichnet worden. Die Absicht geht auf Schaffung einer »Transindochinesischen Eisenbahn« von Tongking bis Kotschinchina und auf die Entwickelung eines nördlichen Eisenbahnnetzes mit dem Zentrum Hanoi und eines südlichen mit dem Zentrum Saigon; ersteres soll noch im besondern zur Erschließung der chinesischen Nachbarprovinzen, letzteres zum Anschluß an Siam dienen. Bis 1901 waren erst zwei Linien in Betrieb: Saigon-Mytho (81 km) im Mekhongdelta und Phulang-thuong-Langson (104 km) im Delta des Roten Flusses. Im Bau begriffen sind die Linien Haiphong-Viétry (158 km), Hanoi-Ninh-Binh (118 km), Saigon-Tanlinh (132 km). Die Schiffahrt wird an der 2000 km langen Küste durch etwa 17,000 Dschonken betrieben, die jedoch wegen hohen Seeganges von November bis Juni fast gar nicht verkehren können. Für die Flußschiffahrt ist gut gesorgt: auf dem Roten Fluß durch eine französische Gesellschaft, auf den kleinern Flüssen durch kleine chinesische Dampfer, im Delta von Kotschinchina durch eine ebenfalls durch Frankreich subventionierte Gesellschaft. Auf dem Mekhong ist nach Laos hinein die Schiffahrt durch Stromschnellen stellenweise ganz unterbrochen. Für die Entwickelung der Straßen geschieht gleichfalls viel, namentlich nach Laos hinein; die lokalen Budgets enthielten 1901 dafür eine Summe von rund 1,200,000 Fr., während im allgemeinen Finanzplan für öffentliche Arbeiten fast 7 Mill. Fr. ausgeworfen waren. Die Telegraphen verfügten 1899 über Leitungen von 3853 km, die Telephone über solche von 84 km Länge mit 239 Sprechstellen.

Der Handelsverkehr hat sich im letzten Jahrzehnt mehr als verdoppelt. Die Einfuhr betrug 1901. 234,002,830 (davon 120,994,325 aus Frankreich), die Ausfuhr 160,493,892 Fr. (davon 40,343,527 nach Frankreich und seinen Kolonien). Der Schiffsverkehr in den Häfen (einschließlich Küsten- und Flußschiffahrt) betrug 1901: 2459 Schiffe mit 2,962,559 T.; davon entfielen auf Frankreich 1191 mit 1,514,402, auf Deutschland (an zweiter Stelle) 673 mit 661,473 T. Der schnelle Aufschwung Deutschlands ist z. T. auf den Ankauf zweier englischer Linien zurückzuführen. Für regelmäßige Dampferverbindung von Frankreich (Marseille) sorgen die Messageries Maritimes und die Compagnie Nationale. Die Bank von Indochina mit einem Kapital von 24 Mill. Fr. hat bis 1920 ein Privileg für Unternehmungen in Indochina und Neukaledonien. Für das Unterrichtswesen ist neuerdings eine höhere Schule, die École française d'Extrême-Orient, eingerichtet worden, die seit 1901 durch Finot ein »Bulletin« in Saigon herausgibt. Seit 1902 besteht in Phuliën (Tongking) auch ein meteorologisches und ein magnetisches Zentralobservatorium. An periodischen Schriften sind zu erwähnen: »Revue Indochinoise«, das »Annuaire général commerciel administratif et industriel de l'Indochine«, beide in Hanoi, das treffliche »Bulletin économique de l'Indochine« in Saigon (seit 1898) für wirtschaftliche Forschungen und auch das in Paris seit 1901 erscheinende »Bulletin du Comité de l'Asie Française«. An Militär stehen in F. 8860 Mann europäische Truppen und 14,935 Einheimische unter französischen Offizieren, als Kolonialarmeekorps in zwei Divisionen gegliedert. Die Escadre de l'Extrême-Orient hat ihren Kriegshafen in Saigon; zum Stützpunkt für den nördlichen Teil des Gebietes soll Kwangtschou-wan ausgebildet werden. Vgl. de Lanessan, La colonisation françaiseen Indochine (Par. 1895); A. Petiton, Géologie de l'Indochine (1895, mit Atlas); de Barthélémy, En Indochine (1899); E. Bonhoure, L'Indochine (1900); Ch. Lemire, Les cinq pays de l'Indochine Française (1899); M. Monnier, Le tour d'Asie, Bd. 1: Cochinchine, Annam, Tonkin (1899); Salaun, L'Indo-Chine, (1903, mit Atlas); G. Demorgny, Les principaux réformes financières de l'Indochine (1899); E. Lagrillière-Beauclerc, A travers l'Indochine (1900); Neton, L'Indo-Chine et son avenir économique (1904); »Mission Pavie. Indochine, 1879–1895« (1898ff.) und die bei den einzelnen Ländern angegebenen Werke.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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