Fleury [2]

Fleury [2]

Fleury (spr. flöri), 1) Claude, berühmter franz. Pädagog und Kirchenhistoriker, geb. 6. Dez. 1640 in Paris, gest. 14. Juli 1723, im Jesuitenkollegium zu Clermont gebildet, trat 1658 als Parlamentsadvokat auf, studierte seit 1667 Theologie und wurde 1672 Erzieher der jungen Prinzen, dann von Ludwigs XIV. natürlichem Sohn, dem Grafen von Vermandois, und 1689 zweiter Hofmeister der Prinzen von Bourgogne, Anjou und Berry. Ludwig XV. ernannte ihn zu seinem Beichtvater. Seines zurückgezogenen Lebens halber nannte man ihn den »Einsiedler am Hof«. Sein Hauptwerk ist die Kirchengeschichte: »Histoire ecclésiastique« (Par. 1691–1720, 20 Bde., u. ö.; deutsch, Leipz. 1752–76), die bis 1414 reichte und von Claude Fabre (Brüss. 1726–40, 16 Bde.) und von Alex. Lacroix bis 1768 (Par. 1776–87, 6 Bde.) fortgesetzt wurde, freilich nicht in Fleurys Geist. Unter seinen übrigen Schriften sind besonders hervorzuheben: »Histoire du droit français« (Par. 1674, neue Ausg. 1826) und »Catéchisme historique« (das. 1679; neu hrsg. von Laboulaye und Dareste, 1858, 2 Bde.). Das erstere dieser Werke stellt eins der entschiedensten Manifeste des Episkopalismus und Gallikanismus dar; mit dem zweiten ist F. der Vorläufer des auf biblischem Geschichtsunterricht basierenden Religionsunterrichts der Neuzeit geworden.

2) André Hercule de, Kardinal und Premierminister Ludwigs XV., geb. 22. Juni 1653 zu Lodève in Languedoc, gest. 29. Jan. 1743 in Issy bei Paris, wurde Doktor der Sorbonne sowie Almosenier der Königin Maria Theresia. König Ludwig XIV. war ihm nicht günstig und gab ihm nur widerwillig 1698 das weit entlegene und ärmliche Bistum Fréjus. Indes war sein Benehmen in seinem Sprengel ein so musterhaftes, daß der König ihn auf dem Sterbebett (1715) zum Lehrer seines Urenkels Ludwigs XV. ernannte. Sein sanfter Charakter und seine von Berechnung wohl nicht völlig freie Nachsicht machten ihn seinem königlichen Zögling teuer, der ihm den Kardinalspurpur verschaffte und ihn dann 11. Juni 1726 zum leitenden Minister ernannte. Kein Genie, zeigte F. doch große administrative Einsicht, war friedfertig durch sein Alter, seinen geistlichen Beruf und innerste Neigung. Durch die Verträge von Sevilla (1729) und Wien (1731) rettete er Europa vor einem allgemeinen Kriege. Doch trat er energisch bei dem Polnischen Erbfolgekrieg für die Ehre Frankreichs ein, verbündete sich mit Spanien und Sardinien gegen Österreich, das besiegt wurde und in den Wiener Präliminarien (1735) Lothringen an den Schwiegervater Ludwigs XV., Stanislaus Leszczynski, überlassen mußte, nach dessen Tode das wichtige Herzogtum an Frankreich fallen sollte. Durch diesen glücklichen und meisterhaft geführten Krieg wurde Frankreich wieder die erste Großmacht Europas. Zur Teilnahme an dem Österreichischen Erbfolgekrieg von 1740 ward er nur durch die beiden Brüder Belle-Isle beredet. Im Innern stellte er die Staatsfinanzen durch weise Sparsamkeit und strenge Aussicht wieder her, erließ die drückendsten Steuern, baute Kanäle und Landstraßen, begünstigte Gewerbfleiß, Handel und Ackerbau und führte überall Gedeihen und Wohlstand herbei. Auch in den religiösen und philosophischen Streitigkeiten trat er versöhnend und vermittelnd auf und war Freund und Beschützer der Wissenschaften. Er selbst war seit 1717 Mitglied der französischen Akademie. Vgl. Verlaque, Histoire du cardinal de F. (Par. 1879).

3) Pierre Alexandre Edouard F. de Chaboulon, Kabinettssekretär Napoleons I. nach dessen Rückkehr von Elba, geb. 1779, gest. 28. Sept. 1835, war schon im 16. Jahr Anführer eines Bataillons der Nationalgarde. Er wurde von Napoleon I. in verschiedenen hohen Verwaltungsämtern beschäftigt. Während der Hundert Tage wurde er Napoleons Geheimsekretär und ging als solcher mit einer Sendung nach Basel. Nach Napoleons abermaligem Fall begab er sich nach London, kehrte später zurück und wurde nach der Julirevolution Deputierter. Er schrieb: »Mémoires pour servir á l'histoire du retour et du règne de Napoléon en 1815« (Lond. 1820, Hamb. 1820; deutsch, Leipz. 1820).

4) Emile Félix, franz. General, geb. 23. Dez. 1815 in Paris, gest. 11. Dez. 1884, ließ sich 1837 in das Korps der Spahis in Algerien aufnehmen. Er machte in diesem elf Feldzüge mit und erhielt drei öffentliche Belobungen im Tagesbefehl. Seine ausgezeichnete Haltung verschaffte ihm eine rasche Beförderung. Er schloß sich dem Bonapartismus mit Begeisterung an und wurde 10. Dez. 1848 Ordonnanzoffizier des Präsidenten Ludwig Napoleon. Nach Wiederherstellung des Kaiserreichs wurde er zum Kommandeur des Regiments der Guiden, zum ersten Stallmeister der Krone (1862), zum Adjutanten des Kaisers und zum Generaldirektor der kaiserlichen Gestüte (1861) ernannt, 1865 Senator, und 1866 erhielt er den Titel Großstallmeister. F. besaß in hohem Grade des Vertrauen des Kaisers und wurde mit verschiedenen diplomatischen Sendungen beauftragt: 1866 an den Hof des Königs Viktor Emanuel, 1869 als Botschafter nach St. Petersburg. Doch konnte er 1870 die Aufgabe, Rußland in dem deutsch-französischen Kriege für die Sache Frankreichs zu gewinnen, nicht erfüllen. Nach dem Sturz des Kaisertums trat F. zurück. Vgl. »Souvenirs du général F., 1837–1867« (Par. 1897–1898, 2 Bde.) und »La France et la Russie, d'après les papiers du général F.« (das. 1902)

5) Jules F.-Husson (spr. -üssóng), franz. Schriftsteller, s. Champfleury.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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