Fiūme [2]

Fiūme [2]

Fiūme (Tersattica Vitopolis der Römer, im Mittelalter Fanum St. Viti ad Flumen, deutsch St. Veit am Flaum, slaw. Reka), königlich ungar. Frei- und Seestadt und Endstation der Südbahnlinie St. Peter-F. und der Staatsbahnlinie Budapest-Agram-F., am felsigen Westabhang des kroatischen Karstes und an der Mündung der Fiumara in den Quarnero, gegenüber den Inseln Cherso und Veglia malerisch gelegen und sich im N. an die Ausläufer des Karstes anlehnend, besteht aus dem amphitheatralisch ansteigenden alten Stadtteil mit dicht aneinander gedrängten unscheinbaren Häusern und engen, krummen Gäßchen, sowie aus dem am Bergfuß längs der Meeresküste sich ausbreitenden neuen F. mit breiten Kais, stattlichen Straßen und Plätzen und zahlreichen öffentlichen und privaten Prachtbauten (Rathaus, Kasino, Theater, Residenz des Gouverneurs, die Villa des Erzherzogs Joseph, die Gebäude der Adria-Schifffahrtsgesellschaft und der Seebehörde, Marineakademie, die Nautische Schule [1903], zwei Markthallen, Sparkasse, der erweiterte, aber noch immer ungenügende Bahnhof etc.). Unter den Kirchen sind bemerkenswert die 1377 erbaute Domkirche mit einem neuen Frontispiz nach Art des römischen Pantheons und die aus dem 13. Jahrh. stammende, der Kirche della Salute in Venedig nachgebildete St. Veitkirche; von Denkmälern ist nur der römische Triumphbogen (Arco romano) hervorzuheben. F., das (1901) 38,955 meist römisch-kath.

Wappen von Fiume.
Wappen von Fiume.

Einwohner (17,354 Italiener, 5136 Illyrier, 7497 Kroaten, 2842 Magyaren, 2251 Winden, 1945 Deutsche) zählt, ist als einziger größerer Hafenplatz für Ungarn von hoher Bedeutung. Es besitzt großartige Fabrikanlagen, unter andern eine Mineralölraffinerie (mit einem eignen Petroleumhafen und einem Reservoir für 176,000 Faß), die täglich über 1000 Faß verarbeitet und jährlich 1/2 Mill. metr. Ztr. Raffinade erzeugt; ferner eine Reisschäl- und Stärkefabrik, die jährlich 800,000 metr. Ztr. Reis verarbeitet, eine berühmte Torpedofabrik (Whitehead), eine königliche Tabakfabrik (mit über 2100 Arbeitern), eine große Papierfabrik (Smith u. Meynier), eine Kunstdüngerfabrik, Eisfabrik, Kakao- und Kognakfabrikation, ferner Leder- und eine bedeutende Faßdauben- und Fässerfabrik. Dagegen ist die Mühlenindustrie im Niedergang begriffen. Der ehemals bedeutende Schiffbau hat (1902 wurde auch die letzte Werft, Howaldt, geschlossen) ganz aufgehört. Sehr lebhaft ist der Fischfang im Quarnero, namentlich der Thunfischfang. Der von der ungarischen Regierung seit 1872 errichtete, von einem 1000 m langen Wellenbrecher geschützte Seehafen hat ein Kaigebiet von 3000 m mit einem Flächenraum von 36 Hektar und außer dem alten Molo Adamics drei neue Hafendämme (Molo Zichy, Molo Rudolf und Molo Marie Valerie), an die sich der Petroleumhafen und der Binnenhafen an der Fiumara anschließen. Gegenwärtig wird westlich vom letztern Molo ein 360 m langer Kai erbaut und der Maria Theresia-Wellendamm verlängert. Die Lagerhäuser mit einem Areal von 68,560 qm und einem riesigen Getreideelevator haben einen Laderaum von über 6000 Waggons. Der Hafen von F., der von 1717–1891 ein Freihafen war, weist seit 1880 bis 1901 in Einfuhr und Ausfuhr eine Steigerung des Seeverkehrs von 237 Proz., bez. 211 Proz. auf Seit 1901 geht aber der Seeverkehr zurück. 1900 betrug zur See die Einfuhr: 378,900 Ton. im Wert von 90,7 Mill. Kr., die Ausfuhr 798,900 T. im Wert von 165 Mill. Kr. Die Einfuhr bestand besonders aus Wein (20 Mill. Kr.), Tabak, Reis, Jute, Kaffee, Kohlen, die Ausfuhr aus Getreide und Mehl (29,6 Mill. Kr.), Zucker, Faßdauben, Brettern, Torpedos u. Pferden.

Lageplan von Fiume.
Lageplan von Fiume.

Mit der Eisenbahn wurden 1900: 865,000 T. Waren ein- und 280,403 T. Waren ausgeführt. In F. vermitteln die Dampfer den Seehandel zumeist mit Westeuropa, die Segelschiffe hingegen jenen mit Italien und Dalmatien; nach den Küsten des östlichen Mittelländischen und des Schwarzen Meeres verkehren Schiffe des Österreichisch-Ungarischen Lloyd, nach dem Westen (bis England) jene der vom Staat subventionierten ungarischen Seeschiffahrtsgesellschaft Adria (Schiffspark 1903: 35 Dampfschiffe); die gleichfalls subventionierte Ungarisch-Kroatische Schiffahrtsgesellschaft vermittelt zumeist den Küstenverkehr nach Istrien, Ancona, Venedig und nach Dalmatien (1903: 25 Dampfer); die ungarische Gesellschaft Oriente besorgt die Reiseinfuhr aus Indien, China und Japan; seit Herbst 1903 unternimmt die Gesellschaft Cunard-Line regelmäßige Fahrten nach New York, um den Auswandererstrom von Hamburg abzulenken. Der Schiffsverkehr belief sich 1900 im Eingang auf 10,739 Schiffe von 1,681,151 Ton., im Ausgang auf 10,733 von 1,684,329 T. 1899 wurde der von Buccari (s.d.) zum Lagerplatz Braidica herabführende Kreisbogentunnel (für den Holztransport) dem Verkehr übergeben. Mit Budapest besteht Fernsprechverbindung. Ferner steht der Bau des Kanals Budapest-Karlstadt- (Kulpa-) F. bevor. Die ungarische Handelsflotte zählt 79 Dampfer und 120 Segelschiffe. F. hat eine Marineakademie, eine Nautische Schule, ein ungarisches Staatsgymnasium, Handelsakademie, Gewerbeschule etc., mehrere Geldinstitute (Kommerzialbank, Holzexploitationsaktiengesellschaft), eine Warenbörse und ist Sitz eines Gouverneurs, vieler Behörden (Seebehörde, Hafen- und Seesanitätsamt, Militärplatzkommando, Seegericht, Gerichtshof, Finanzdirektion, Hauptzollamt etc.), einer Handels- und Gewerbekammer und von 16 Konsulaten, darunter eines deutschen Berufskonsulats. Es hat seit 1898 elektrische Straßenbahn (4,4 km), ferner hübsche Promenaden- und Parkanlagen (Scogiletto, Giardino pubblico). Jenseit der Fiumara liegt die kroatische Vorstadt Susak (mit einem kroatischen Gymnasium) und auf der Höhe des Berges der Ort Tersato mit einer Wallfahrtskirche und dem uralten Frangipanischen Bergschloß, von wo man eine prachtvolle Aussicht auf den Quarnero sowie auf die kroatischen Gebirge genießt. Von F. aus ergießt sich der Fremdenstrom nach den westlich in Istrien gelegenen klimatischen Kurorten Abbazia, Volosca und Lovrana (s.d.).

F. und Gebiet (das ungarische Litorale, zu dem auch die Dörfer Cosale, Drenova und Plase gehören) umfaßt 19,57 qkm und wurde schon unter Maria Theresia mit Ungarn vereinigt (s. unten). 1809–14 stand es unter französischer Herrschaft, und 1849 ward es Kroatien zugeteilt. Seit dem zwischen Ungarn und Kroatien 1870 geschlossenen staatsrechtlichen Ausgleich bildet es ein dem ungarischen Staat einverleibtes, doch autonomes Territorium. Ins ungarische Abgeordnetenhaus entsendet F. einen, in den kroatischen Landtag zwei Vertreter. Über das frühere Komitat F. s. Modrus-Fiume.

Zur Zeit der Römer gehörte die Gegend von F., Tersatto etc. zu dem alten Liburnien. Die Römer legten das Kastell Tersattica an und befestigten die Gegend (28 n. Chr.). Nach der Teilung des römischen Weltreiches (395) kam sie zum Oströmischen Reich, geriet aber bald in die Macht der Westgoten (Alarich). Nach Abzug der Goten gehörte sie abermals zu Ostrom, dem sie später Karl d. Gr. entriß. (Der Überlieferung nach soll Karl das alte Tersattica zerstört haben.) Sch on vorher aber (um 600) hatten sich südslawische Völkerstämme (Kroaten, Serben) angesiedelt, die der romanisierten Kultur Halt geboten, doch blieb die Gegend im Besitz des fränkischen Reiches. Der Name F. (Vinodol) wird im Mittelalter zuerst in der Urkunde Bélas IV. 1260 erwähnt. Als fränkisches, dann deutsches Lehen gehörte F. zuerst dem Patriarchen von Aquileia, dann (seit ca. 1300) abwechselnd den Herren von Duino und den Frangipani. Hugo von Duino nahm die Stadt 1366 von Herzog Albrecht III. von Österreich zu Lehen. 1399 erhielt Rambert von Wal see (Valsa) die Stadt, von dessen Enkel Wolfgang Kaiser Friedrich III. F. durch Kauf erwarb. In F. oder vielmehr in dem nahen Kapuzinerkloster wurde 1618 der Friede zwischen Österreich und Venedig geschlossen. 1723 erhob Karl VI. F. zum Freihafen. 1779 wurde F. von Maria Theresia als sogen. Corpus separatum der St. Stephanskrone mit Ungarn vereinigt, 1809 von den Franzosen annektiert, 1813 von den Engländern besetzt, 1814 an Österreich, 1822 an Ungarn zurückgegeben. Seit 1849 gehörte es zum ungarischen Kronland Kroatien, seit 1868 abermals als Corpus separatum zu Ungarn. Seit dem 18. Jahrh. erhielt die Stadt einen neuen Aufschwung durch die Verbesserung des Hafens, der einen Teil des orientalischen Handels hierher zog; über die neuen Hafenbauten s. oben. Vgl. Littrow, F. und seine Umgebungen (Fiume 1884); Brehmer, Führer durch F. etc. (das. 1893); »F. und seine Umgebung« (Darmst. 1903); »Jahrbuch der ungarischen Seebehörde von F.«; »F. und das ungarisch-kroatische Küstenland« (ungar., Budapest 1900) und zahlreiche Aufsätze in ungarischer Sprache von Aladár Fest.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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