Ferrocyankalium

Ferrocyankalium

Ferrocyankalium (Kaliumeisencyanür, gelbes Blutlaugensalz, gelbes Cyaneisenkalium, blausaures Eisenoxydulkali, Blausalz) K4Fe(CN)6 entsteht bei Einwirkung von Cyankaliumlösung auf Eisenoxydulsalze, Schwefeleisen, Kaliumeisensulfuret, auch beim Kochen von Berlinerblau mit Kalilauge. Zur Darstellung schmelzt man in einer gußeisernen Schale, welche die Sohle eines Flammofens bildet, kohlensaures Kali und setzt stickstoffhaltige tierische Abfälle (Horn, Klauen, getrocknetes Blut, Wolle, Federn, Lederabfälle, Gerbereiabfälle etc.) und Eisen hinzu. Der Stickstoff der tierischen Abfälle verbindet sich mit Kohlenstoff und Kalium zu Cyankalium, während der darin enthaltene Schwefel mit Kalium und Eisen Schwefeleisenkalium bildet, ein Teil des Stickstoffs aber entweicht in der Form von Ammoniak, das im Koksturm verdichtet wird. Beim Auslaugen der Schmelze bilden sich aus Cyankalium und Schwefeleisenkalium F., Schwefelkalium und Schwefelcyankalium; außerdem aber enthält die gewonnene Lauge (Blutlauge) kohlensaures Kali und andre lösliche Kalisalze. Der ausgelaugte Rückstand (Schwärze, Satz) dient als Dünger und wegen seines Gehalts an stickstoffhaltiger Kohle zum Entfärben von Paraffin und Ceresin. Die Lauge wird zur Kristallisation verdampft und das gewonnene Salz durch Umkristallisieren gereinigt. Die Mutterlauge gibt noch eine zweite Kristallisation (Schmiersalz) und wird schließlich zur Trockne gebracht, um den Rückstand (Blausalz, Blaukali) bei der nächsten Operation wie kohlensaures Kali zu benutzen. Diese Methode verwertet nur 20 Proz. des Stickstoffs der Abfälle und bedingt auch große Verluste an Kali. Gasreinigungsmasse wird durch Behandeln mit Wasser vom Ammoniak, durch Schwefelkohlenstoff vom Schwefel befreit, dann mit trocknem Ätzkalk gemischt und ausgelaugt. Die erhaltene ammoniakalische Ferrocyancalciumlange wird neutralisiert und erhitzt, das sich ausscheidende Ferrocyancalciumammonium wird mit Ätzkalk zersetzt (unter Gewinnung des Ammoniaks) und die Lauge mit Chlorkalium versetzt. Das ausgeschiedene Ferrocyancalciumkalium wird ausgewaschen und durch Kochen mit kohlensaurem Kali in F. übergeführt. Auch aus Rübenmelasse wird F. dargestellt.

F. besteht in 100 Teilen aus 37,03 Kalium, 13,25 Eisen, 36,93 Cyan und 12,79 Wasser; es bildet große, zitronengelbe, sehr weiche Kristalle mit 3 Molekülen Kristallwasser, schmeckt bitterlichsüß, salzig, ist nicht giftig, besitzt das spez. Gew. 1,83, wird bei 100° wasserfrei und farblos, löst sich in 2 Teilen kochendem und 4 Teilen kaltem Wasser, nicht in Alkohol, schmilzt nach der Entwässerung unter Zersetzung und gibt beim Schmelzen mit kohlensaurem Kali Cyankalium, cyansaures Kali und Eisen, mit Schwefel geschmolzen Schwefelcyankalium (Rhodankalium) und Schwefelcyaneisen. Chlor, Brom, Blei- und Mangansuperoxyd und andre oxydierende Körper verwandeln F. in Ferricyankalium; mäßig konzentrierte Salpetersäure bildet Nitroprussidkalium, verdünnte Schwefelsäure zersetzt F. schon in der Kälte in schwefelsaures Kali und Ferrocyanwasserstoffsäure (Eisenblausäure) H4Fe (CN)6. Diese bildet farblose Kristalle, ist löslich in Wasser und Alkohol, reagiert stark sauer, bildet meist unlösliche Salze und zerfällt beim Erhitzen in Cyanwasserstoffsäure (Blausäure), Wasser und Eisencyanür. Infolge dieses Verhaltens gibt F., mit verdünnter Schwefelsäure erhitzt, Cyanwasserstoffsäure und eine grünliche Verbindung von Cyan mit Eisen. Beim Erhitzen mit konzentrierter Schwefelsäure entwickelt F. Kohlenoxyd. F. fällt Eisenoxydsalze blau (Berlinerblau), Kupferoxydsalze braunrot. Es dient zur Darstellung der meisten Cyanverbindungen, namentlich von rotem Blutlaugensalz (Ferricyankalium), Schwefelcyankalium (Rhodankalium), Cyanwasserstoffsäure (Blausäure), Cyankalium, Nitroprussidkalium, Berlinerblau, zum oberflächlichen Verstählen des Eisens und zu Sprengpulver (Gemisch von F. mit Rohrzucker und chlorsaurem Kali), hauptsächlich aber in der Färberei zur Erzeugung blauer und brauner Farben. – Ferrocyannatrium bietet trotz des niedrigern Preises der Soda gegenüber der Pottasche kaum Vorteile dar; Natrium veranlaßt weniger leicht die Cyanbildung als Kalium, das Salz kristallisiert schwerer und enthält 41 Proz. Kristallwasser, wodurch die Transportkosten vermehrt werden. Es ist leicht löslich, verwittert und verhält sich im allgemeinen wie F. – Dippel in Berlin erhielt um 1700 durch Erhitzen von Blut mit kohlensaurem Kali einen Körper, der mit Eisensalzen Berlinerblau lieferte. Aus letzterm stellte Marquer 1750 reines F. dar, und Berthollet erkannte den Eisengehalt des Blutlaugensalzes. Vgl. Fleck, Die Fabrikation chemischer Produkte aus tierischen Abfällen (Braunschweig 1862).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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