Elektrische Entladung

Elektrische Entladung

Elektrische Entladung (hierzu Tafel »Elektrische Entladungen«), die Zerstörung aufgespeicherter elektrischer Energie (das Verschwinden eines elektrischen Spannungszustandes) durch Umwandlung in andre Energieformen (Wärme, Strahlung) in Isolatoren. Ladet man einen Kondensator (z. B. eine Leidener Flasche) mehr und mehr, so tritt schließlich Selbstentladung ein; das Glas bricht an der schwächsten Stelle durch, wird, wie man sagt, von der Elektrizität durchbohrt oder durchschlagen, und die auf den Belegungen angehäuften Elektrizitätsmengen verschwinden, indem sie sich durch das entstandene Loch unter Funkenerscheinung vereinigen. Das Glas besitzt nach Faraday wie jedes andre Dielektrikum nur eine begrenzte elektrische Festigkeit, d.h. es vermag dielektrische Polarisation (s. d.) nur bis zu einer gewissen Grenzspannung (Entladungspotential) zu ertragen, seine Moleküle werden bei steigender Spannung da, wo es am schwächsten ist, oder wo das Potentialgefälle (Änderung der Spannung in der Längeneinheit) einen bestimmten äußersten Wert, das Entladungsgefälle oder den Entladungsgradienten, erreicht hat, zertrümmert. Die genaue Bestimmung der diëlektrischen Festigkeit oder des Entladungsgradienten ist vieler Störungen wegen (schlechte Isolation, Änderung der Temperatur, elektrische Rückstandsbildung [Absorption] etc.) nicht möglich; immerhin kann man Grenzwerte feststellen, was z. B. wichtig ist bei Herstellung von Kabelnetzen für Verteilung hochgespannter Elektrizität, da das Diëlektrikum (Guttapercha) zwischen der Seele und Hülle des Kabels genügende dielektrische Festigkeit besitzen muß, um auch der größten auftretenden Spannung zu widerstehen. Noch komplizierter werden die Erscheinungen, wenn das Diëlektrikum flüssig oder gasförmig ist, da infolge elektrischer Diffusion und Ionisation die eigentliche sogen. zerreißende (disruptive) Entladung verbunden ist mit der fortführenden (konvektiven) Entladung und durch diese wesentlich modifiziert wird. Von dem Verlauf der Entladung in Gasen kann man sich etwa folgendes Bild machen. Da die Moleküle verschiedene Geschwindigkeit haben, also mit verschiedener Heftigkeit gegen die Elektrode (den Leiter, der die Elektrizität zuleitet) anprallen, so werden, falls die Kraft des elektrischen Feldes genügend groß ist, diejenigen zerrissen werden, welche durch besonders heftige Erschütterung dazu vorbereitet sind. Ihre entgegengesetzt elektrischen Bestandteile Ionen (Elektronen) werden durch die elektrische Kraft nach entgegengesetzten Richtungen hin getrieben, die ungleichartig elektrischen gegen die Elektrode hin, wo sie ihre Elektrizität abgeben, die gleichartigen von ihr weg. Diese versetzen durch Zusammenstöße mit den Molekülen das ganze Medium in strömende Bewegung (Konvektion) und geben gleichzeitig durch ihre eigne Ladung den Kraftlinien des Feldes eine andre Richtung, so daß sich der Entladungsprozeß fortsetzen muß, ähnlich wie ein Riß in einem elastisch gespannten Medium. Bei höhern Verdünnungsgraden können die Ionen große Strecken frei, oder wenigstens ohne durch Zusammenstöße an Geschwindigkeit zu verlieren, durchlaufen und, weil sie dabei beständig der Kraftwirkung des Feldes unterliegen, so große Wucht erlangen, daß sie eine Zertrümmerung der Moleküle hervorrufen können an Stellen, wo die elektrische Kraft an sich dazu unzureichend wäre (Ionisierung durch Ionenstoß). Es gilt dies namentlich auch von den Ionen, die das Gas aus irgend einem Grunde, z. B. infolge einer vorangegangenen Entladung oder infolge von Bestrahlung mit ultraviolettem Licht, Röntgenstrahlen, Becquerelstrahlen etc., bereits enthält (s. Lichtelektrische Erscheinungen). Nach der sogen. elektrolytischen Dissoziationstheorie der elektrischen Entladung können in einem Gas wie in einem Elektrolyten schwache dauernde Ströme unterhalten werden, falls durch ein derartiges Mittel (Ionisator) beständig Ionen in genügender Menge neu erzeugt werden. Sobald aber durch Ionenstoß die Menge der Ionen sich selbsttätig vergrößert, wächst die Stromstärke sofort in ungeheuerm Maß an, der schwache Strom geht in disruptive Entladung über, die wieder aufhört, sobald der auf den Elektroden vorhandene Vorrat an Elektrizität erschöpft ist, und aufs neue einsetzt, sobald derselbe durch Nachströmen wieder ergänzt ist. Weitere Komplikationen des Entladungsvorganges haben ihre Ursache darin, daß das Potentialgefälle, das für den Eintritt der Entladung maßgebend ist, in Wirklichkeit niemals an allen Stellen der Entladungsbahn denselben Wert hat, sondern in der Nähe der Elektroden größer ist als fern von ihnen. Bei gleichmäßiger Beschaffenheit des Diëlektrikums muß deshalb die Entladung an einer der Elektroden beginnen, und, da der von der Entladung durchsetzte Teil, in den die Elektrizität eingedrungen ist, eine Änderung des Feldes bedingt, wie wenn er eine Verlängerung der Elektrode wäre, sich immer weiter fortsetzen, bis die and re Elektrode erreicht ist oder bis durch die Zerreißungsarbeit (die Umwandlung in Wärme, chemische Energie, Strahlung etc. bedingt) die vorhandene elektrische Energie so weit erschöpft ist, daß die Spannung zur Aufrechterhaltung des Entladungsgefälles nicht mehr zureicht. Im ersten Fall sagt man, es schlage ein Funke durch das Dielektrikum, im andern Fall, die Elektrizität ströme aus dem Konduktor in Form eines Büschels in das Diëlektrikum hinein. Die längern Funken sind nicht wie ganz kurze geradlinig, sondern zeigen wie die Blitze eine geschlängelte, oft vielfach verästelte Gestalt. Die Ausbiegungen sind durch die Ungleichmäßigkeiten in der Beschaffenheit des Dielektrikums bedingt, speziell bei Luft durch vorhandene Staubpartikelchen, ungleiche Temperatur, Vorhandensein elektrischer Teilchen etc. Die Büschel bestehen aus einem Stiel, an den sich mehr oder weniger zahlreiche Äste ansetzen. Entsteht ein Büschel in einem festen Glasblock, so hinterläßt er eine dauernde Spur in Form feiner das Glas durchziehender Kanäle. In Petroleum oder Luft schließen sich natürlich die entstandenen Kanälchen sofort wieder, was die als das Sausen, Zirpen oder Zischen eines solchen Büschels bekannte akustische Erscheinung veranlaßt, ebenso wie das plötzliche Auseinandertreiben und Zusammenstoßen der Teilchen bei Bildung und beim Zusammenschrumpfen des Funkenkanals den Knall des Funkens verursachen. Bei der Elektrisiermaschine, Influenzmaschine, dem Funkeninduktor etc. benutzt man zur Erzeugung der Entladungserscheinungen gewöhnlich den Henleyschen Entlader (Auslader, Textfig. 1), der aus zwei auf Glassäulen a isolierten und in Hülsen b verschiebbaren, in Kugeln c d oder Spitzen endigenden Messingstangen (Elektroden) besteht. Die Kugeln oder Spitzen können als die Belegungen, die Luft dazwischen als das Diëlektrikum eines Kondensators betrachtet werden, der durch immer weiter gesteigerte Erhöhung der Spannung zur Selbstentladung gebracht wird. Die Schlagweite beträgt bei Kugeln von 1 cm Radius unter gewöhnlichen Umständen bei

Tabelle

Zur Messung dient ein Entlader mit Vorrichtung zur Messung des Kugelabstandes, das Funkenmikrometer, welches somit auch zur annähernden Bestimmung hoher Spannungen benutzt werden kann. Selbst bei kontinuierlicher Elektrizitätszufuhr sind die Entladungen im allgemeinen intermittierend oder pulsierend, weil sich der Kondensator vor jeder Entladung zunächst wieder bis zur Erreichung des Entladungsgradienten füllen muß. Die Entladung erfolgt nämlich rascher als die Ladung, weil sich letzterer Leitungswiderstand und Selbstinduktion entgegenstellen, während der Funke einen eigentlichen Widerstand überhaupt nicht besitzt und die Selbstinduktion infolge davon, daß die zurückgehende diëlektrische Verschiebung ein entgegengesetztes Magnetfeld erzeugt wie die Strömung im Funken, sehr gering ist.

Fig. 1. Henleyscher Entlader.
Fig. 1. Henleyscher Entlader.

Nach der von Faraday begründeten disruptiven Dissoziationstheorie der elektrischen Entladung ist kontinuierliche Entladung überhaupt unmöglich, doch kann die e. E. kontinuierlich erscheinen insofern, als immer neue Teilchen (Moleküle) des Diëlektrikums an die Elektroden herankommen und Entladung veranlassen, so daß in den Zuleitungen ein stetiger Strom zu stande kommt wie su der Wasserleitung einer Stadt, wenn auch kein einziger Hahn dauernd offen bleibt, sondern nur bald da, bald dort ein solcher geöffnet wird. Nach der elektrolytischen Dissoziationstheorie kann die Entladung ebenso stetig sein wie der Strom in einem Elektrolyten.

Als eine derartige scheinbar oder wirklich kontinuierliche Strömung ist der Lichtbogen aufzufassen, in den der Funke übergeht, wenn die Elektrizitätszufuhr zu den Elektroden über ein bestimmtes Maß gesteigert wird, ferner auch das elektrische Glimmen (Spitzenlicht, Spitzenentladung), das sich z. B. bei frei in die Luft ragenden Spitzen zeigt und kein Geräusch verursacht (stille E.). Durch die fortgeschleuderten Ionen wird die Luft mitgerissen, und zwar so kräftig, daß sie sich der entgegengehaltenen Hand als elektrischer Wind fühlbar macht und eine Kerzenflamme zur Seite bläst. Geht dieser elektrische Wind nur von einer Elektrode aus, so zeigt er scheinbar unipolares Leitungsvermögen, d.h. er vermag einen entgegengesetzt elektrischen Körper zu entladen, einen gleichartig elektrischen nicht. Er verliert aber dieses scheinbare Leitungsvermögen, sobald ihm durch einen entgegengesetzt elektrischen Körper alle Ionen entzogen worden sind. Bei Anwendung von zwei spitzen Elektroden kommen heftige Wirbelbewegungen zustande, die, wenn die Elektroden nicht in gleicher Linie stehen, in eine einfache Rotation der Gas- oder Flüssigkeitsmasse übergehen können (Tafel, Fig. 1), vergleichbar der Rotation einer Influenzmaschinenscheibe, der durch die Saugkämme Elektrizität von einer zweiten Influenzmaschine zugeleitet wird. Unter Umständen bilden sich ganze Ketten solcher Wirbel (Tafel, Fig. 2), von denen einer dem andern die Elektrizität zuleitet. Bei minder hoher Spannung bleibt die Wirbelbildung aus, und die beiden Ionenschwärme durchdringen sich wie bei der Elektrolyse. Dabei verhält sich die Luft scheinbar wie ein gewöhnlicher Leiter, welcher sowohl aus einem positiven als negativen Körper die Elektrizität entweichen läßt. Auch in diesem Fall erhält sie ihr früheres Isolationsvermögen sofort wieder, sobald die beiden Jonenarten herausgezogen sind. Man kann somit höchstens einen Strom von bestimmter Stärke (Sättigungsstrom) hindurchleiten. Nach dem Prinzip der Gleichheit von Wirkung und Gegenwirkung wird mit gleicher Kraft, mit welcher der elektrische Wind sich bewegt, die Spitze rückwärts getrieben. So wird z. B. ein leichtes, mit seiner Mitte auf eine Spitze aufgesetzt es Metallrädchen (das elektrische Flugrad), dessen zugespitzte Speichen alle nach derselben Richtung gekrümmt sind, der Strömungsrichtung der Luft entgegen in Umdrehung versetzt. Soll ein Leiter Elektrizität von hoher Spannung behalten, so muß man ihm unter Vermeidung aller scharfen Kanten und Ecken eine möglichst abgerundete Gestalt geben; soll er dagegen seine Elektrizität abgeben, so muß man ihn mit Spitzen versehen.

Der elektrische Wind folgt im allgemeinen, insbes. soweit er nicht durch kräftige Luftströme abgelenkt wird, den Kraftlinien des durch seine eigne Ladung modifizierten elektrischen Feldes und macht Körper, auf die er auftrifft, elektrisch, eine Art der Elektrisierung von Körpern, die z. B. bei der Influenzmaschine von Holtz Anwendung findet. Rauch und Staub in der Luft nehmen die Elektrizität ebenfalls auf und wandern rasch dem Boden und den Wänden zu, so daß auf solche Art die Luft davon befreit werden kann. Ist die Luft hinreichend stark elektrisch, so erzeugt sie da, wo sie auf einen abgeleiteten Leiter auftrifft, Glimmentladung, d.h. die getroffene Fläche leuchtet im Dunkeln phosphorisch innerhalb eines scharf begrenzten Kreises, der dauernd fixiert werden kann, wenn man die Fläche zuvor mit Lykopodium bestäubt, das dann nachher beim Abblasen innerhalb des Kreises, weil elektrisch geworden, haftenbleibt (Kundtsche Staubfigur). Irgend welche Körper, in den Weg des elektrischen Windes gehalten, entwerfen den elektrischen Kraftlinien entsprechende Schatten auf glimmenden Flächen oder Staubfiguren, selbst ein kräftiger Luftstrahl, der die elektrischen Luftteilchen aus ihrer Bahn ablenkt. Stehen sich zwei glimmende Flächen gegenüber, so entstehen auf beiden elektrische Schatten (elektrische Doppelschatten). Zwei oder mehr elektrisierte Spitzen erzeugen ebenso viele Glimmlichtflecke (Staubfiguren), die durch neutrale Linien getrennt bleiben und sich gegenseitig zusammendrücken. Auf einer lichtempfindlichen Platte fixieren sich diese leuchtenden Flecke von selbst. Man kann soz. B. von einer Münze einen mehr oder weniger deutlichen Abdruck erhalten (Elektrographie, Effluviographie), da jedem hervorragenden Punkt gewissermaßen ein Bildpunkt entspricht. Erhebliche chemische Änderungen können durch solche stille Entladungen (elektrisches Effluvium) auch im Gase selbst hervorgebracht werden (z. B. Bildung von Ozon, Untersalpetersäure etc.).

Der Entladungsprozeß an der Spitze, durch den die daselbst angesammelte Elektrizität auf die Luft übertragen wird, ist sehr komplizierter Natur, wie aus den eigentümlichen Lichtgebilden, die daselbst auftreten, zu schließen ist. Bei schwachem Strom beobachtet man unter dem Mikroskop in gewöhnlicher Luft an einer positiven glimmenden Spitzeeinen rosaroten Lichtpinsel, an einer negativen ein kleines Häuschen von blauem Glimmlicht und durch den sogen. dunkeln Trennungsraum davon getrennt ebenfalls einen kleinen Lichtpinsel von ziegelroter Farbe (Tafel, Fig. 3). Erfolgt das Ausströmen der Elektrizität in verdünnter Luft, so nehmen diese Lichterscheinungen wesentlich größere Dimensionen an, so daß man sie mit freiem Auge erkennen kann. Die Spitzenform der Elektroden wird dann unwesentlich, und man benutzt besser große Kugeln, da infolge der gesteigerten Stromstärke Spitzen sich rasch erhitzen und abschmelzen. Insbesondere findet eine Ausdehnung der Lichterscheinungen in die Breite statt, so daß sie bald die ganze Oberfläche der Elektroden bedecken. In einem großen, stark evakuierten sogen. elektrischen Ei, d.h. einem mit Messingfassungen versehenen eiförmigen Glasgefäß (Textfig. 2), in das mit Kugeln endigende, mit Glas umhüllte Messingstäbe (b und b´) hineinragen, verschwinden die Lichtpinsel, die sich zunächst zur sogen. positiven Lichtsäule vereinigen, bei fortgesetzter Verdünnung ganz, die positive Kugel erscheint nur von einer dünnen rötlichen Lichthaut, dem positiven Glimmlicht, umhüllt, die zuweilen in ein oder mehrere symmetrisch angeordnete, oft auch rasch umlaufende und deshalb scheinbar einen Ring bildende Lichthäufchen zerfällt.

Fig. 2. Elektrisches Ei.
Fig. 2. Elektrisches Ei.

Dicht an der Oberfläche der negativen Kugel zeigt sich eine rötlichgelbe Lichtschicht (Tafel, Fig. 4), der sogen. gelbe Saum oder die erste Kathodenschicht, auf diese folgt der dunkle Kathodenraum oder die zweite Kathodenschicht und schließlich das blaue negative Glimmlicht (die dritte Kathodenschicht), scheinbar aus Strahlen (Glimmlichtstrahlen) bestehend, welche die Fortsetzung von unsichtbaren, senkrecht von der Oberfläche ausgehenden Strahlen, den sogen. Kathodenstrahlen, bilden. Mit zunehmender Verdünnung verschwindet auch das positive Glimmlicht, so daß das ganze Ei von negativen Glimmlichtstrahlen erfüllt ist. Wenn der Druck auf etwa 0,002 mm gesunken ist, vergrößert sich der dunkle Kathodenraum rasch ganz unverhältnismäßig und nimmt bald den ganzen Raum in Anspruch, so daß sich zuletzt nur noch auf der Rückseite der Anode etwas blaues Glimmlicht wahrnehmen läßt (Tafel, Fig. 5). (Der Deutlichkeit wegen ist in der Figur der neue, stark vergrößerte gelbe Saum gelb gelassen, während er in Wirklichkeit ebenfalls bläuliche Farbe annimmt.) Nunmehr ist eine sehr große Spannung erforderlich, um den Strom zu unterhalten, und schließlich wird er ganz unterbrochen, wenn auch das kleine Glimmlichthäufchen an der Anode durch den Dunkelraum verdrängt wird. Selbst bei Spannungen, die in freier Luft eine Schlagweite von 16 cm bedingen, geht die Entladung nicht mehr durch das Vakuum, während bei mäßiger Verdünnung schon 400–500 Volt zureichend waren. Sie kann wieder hervorgerufen werden durch Einwirkung eines Magnetfeldes, dessen Kraftlinien in der Richtung der Achse verlaufen. Die Stromstärke erscheint dann erhöht, die Dicke des Dunkelraums vermindert.

Die Spannungsdifferenz zwischen Kathode und Grenze des Dunkelraums, die in weiten Gefäßen fast gleich der Spannungsdifferenz zwischen Kathode und Anode ist, heißt der Kathodenfall, speziell normaler Kathodenfall, wenn das Gefäß groß genug ist, daß sich das blaue Glimmlicht frei ausbilden kann, und die Stromstärke so klein, daß es nicht die ganze Oberfläche der Kathode bedeckt. Dieser normale Kathodenfall ist unabhängig von der Stromstärke und dem Druck des Gases, ändert sich aber mit der chemischen Beschaffenheit des letztern und der der Kathode. Mit steigender Stromstärke verbreitet sich das negative Glimmlicht weiter über die Kathode. Ist dies nicht mehr möglich, so wächst die Spannung, und die Dicke des Dunkelraums nimmt ab. Ein hochevakuiertes Ei wird durch die Entladungen rasch noch höher evakuiert (Selbstevakuation), gerade wie wenn der Gasinhalt durch den Entladungsprozeß zerstört würde. Kräftige Entladungen können aber auch durch Ablösen verdichteter Gasschichten von den Wänden oder aus den Elektroden das Vakuum vermindern (das Ei regenerieren). Erzwingt man den Durchgang durch Anwendung noch höherer Spannung, so wird die Glaswand durch die Kathodenstrahlen zu lebhafter grüner Fluoreszenz und zum Nachleuchten (Phosphoreszenz) erregt. Hind ernisse, auf welche die Strahlen treffen, werfen einen scharfen Schatten auf der fluoreszierenden Wand. Noch auffallender werden diese Erscheinungen bei kleinen Gefäßen, da hier schon bei geringern Verdünnungsgraden der Kathodendunkelraum sich bis zur Glaswand erstreckt und dadurch jene Erschwerung der Entladung bedingt, welche Voraussetzung für das Auftreten kräftiger Kathodenstrahlen ist. Textfig. 3 zeigt einen derartigen kleinen Apparat nach Crookes.

Fig. 3. Crookessche Röhre für elektrische Schatten.
Fig. 3. Crookessche Röhre für elektrische Schatten.

In dem birnförmigen Gefäß trägt der positive Poldraht ein aus Aluminiumblech ausgeschnittenes Kreuz b; da nur die an dem Kreuz vorbeigehenden Strahlen (a c, a d) des negativen Pols a zur gegenüberliegenden Glaswand gemngen und deren Phosphoreszenz erregen, so erscheint daselbst auf hellgrün leuchtendem Grunde der dunkle (elektrische) Schatten des Kreuzes. Es hat den Anschein, als ob die Teilchen der sehr verdünnten Luft von dem negativen Pol mit großer Gewalt senkrecht zur Polfläche fortgeschleudert werden und nun wie Lichtstrahlen geradlinig dahinschießen. Crookes hat daher die Materie in dem Zustand höchster Verdünnung, bei der sie dieses Verhalten zeigt, als strahlende Materie bezeichnet. Goldstein hat die Bezeichnung Kathodenstrahlen eingeführt, da er sich dieser Emissions- oder Emanationstheorie nicht anschließen konnte, sondern die Strahlen ähnlich wie Lichtstrahlen als einen Vorgang im Äther betrachtete. In der Tat hat die Messung der Ausbreitungsgeschwindigkeit der Strahlen ergeben, daß sie gewöhnlich etwa ein Drittel der Lichtgeschwindigkeit beträgt, ja sogar dieser sich noch mehr nähern kann. Das Thüringer Glas, aus dem man die Gefäße gewöhnlich verfertigt, leuchtet unter dem Einfluß der Kathodenstrahlen hell apfelgrün, Uranglas dunkler grün, englisches Glas blau. Um die Phosphoreszenz andrer Körper unter der Einwirkung des Kathodenlichts zu beobachten, schließt man sie in Röhren wie Textfig. 4 ein; Rubin leuchtet unter diesen Umständen mit roter Farbe, Kalkspat ebenfalls rot, Phenakit blau, Pektolith schwefelgelb, und gewisse Spielarten von Diamant strahlen helles grünes Licht aus. Puluj und Tesla haben diese Art von Lichterzeugung zur Konstruktion sogen. Phosphoreszenzlampen (Teslas Licht der Zukunft) verwertet.

Fig. 4. Phosphoreszenz durch Kathodenstrahlen.
Fig. 4. Phosphoreszenz durch Kathodenstrahlen.

Die Annahme, daß dadurch Licht billiger erzeugt werden könnte als auf anderm Wege, hat sich indes nicht bestätigt. Wirft man bei dem Apparat Fig. 3 das um ein Scharnier drehbare Kreuz durch eine leichte Erschütterung des Apparats um, so daß die Strahlen des negativen Pols die gegenüberliegende Glaswand ungehindert treffen, so tritt das vorhin dunkle Kreuz jetzt hell auf dunklerm Grund hervor; das Glas hat sich nämlich an den schon vorher von den Strahlen getroffenen Stellen erwärmt und dadurch sein Phosphoreszenzvermögen teilweise verloren; der Teil aber, der vorher beschattet war, ist nicht ermüdet, sondern besitzt noch frische Empfänglichkeit. In Zusammenhang mit den Phosphoreszenzerscheinungen stehen vermutlich eigentümliche, von Goldstein entdeckte chemische Wirkungen. So werden z. B. Chlornatrium, Chlorkalium etc. da, wo Kathodenstrahlen auftreffen, intensiv blau, braun, grün etc. gefärbt. Im Licht verschwinden diese Nachfarben wieder.

Fig. 5. Magnetische Ablenkung der Kathodenstrahlen.
Fig. 5. Magnetische Ablenkung der Kathodenstrahlen.

Die Phosphoreszenzerregung kann auch dazu benutzt werden, den Einfluß des Magnetismus auf die Strahlen zu untersuchen. Strahlen, die in die Richtung der Kraftlinien fallen, werden nicht beeinflußt, andre wickeln sich in Spiralen darum herum. Nähert man z. B. der Röhre Fig. 3 von links einen kräftigen Stabmagneten in horizontaler Lage, so tritt eine Verdrehung des Kreuzschattens ein. Bei der in Textfig. 5 dargestellten, von Crookes angegebenen Vorrichtung ist im Innern einer in hohem Grad ausgepumpten Röhre ein mit einer phosphoreszierenden Substanz überzogener Schirm e f aus Glimmer angebracht; in der Nähe des negativen Pols-a befindet sich ein Glimmerblättchen b d mit einer Öffnung e, durch die sich ein Bündel negativer Strahlen nach dem positiven Ende der Röhre ergießt und auf dem Schirm seine leuchtende, zunächst geradlinige Spur zeichnet. Bringt man nun einen Magnet M unter die Röhre, so krümmt sich das leuchtende Strahlenbündel (e g) nach unten, wenn der Nordpol des Magnets vorn, nach oben, wenn er hinten liegt. Noch besser eignet sich die Braunsche Röhre (Fig. 6), bei der ein dünnes Kathodenstrahlbündel senkrecht auf ein mit Sidotscher Blende oder wolframsaurem Kalk bestrichenes Glimmerblatt trifft und dort einen punktförmigen Phosphoreszenzfleck erzeugt.

Fig. 6. Braunsche Röhre.
Fig. 6. Braunsche Röhre.

Nähert man einen Wechselstromelektromagneten, so schwingt der Lichtfleck entsprechend den Änderungen des Magnetismus hin und her, und im Drehspiegel erscheint eine Wellenkurve, die genau den Änderungen der Stromstärke des Wechselstroms entspricht, so daß man hierdurch die Form der Stromwelle festzustellen vermag. (Vgl. Elektrische Induktion.)

Fig. 7. Deflexion der Kathodenstrahlen.
Fig. 7. Deflexion der Kathodenstrahlen.

Auch durch elektrische Kräfte werden Kathodenstrahlen beeinflußt. Am einen Ende der Röhre (Fig. 7) bei c ist ein gerader Draht, am andern Ende sind zwei Elektroden a und b mit geneigten Endplatten eingeschmolzen; quer vor denselben steht ein Schirm von Glimmer mit zwei Öffnungen (d und e) und entlang der Röhre ein phosphoreszierender Schirm d e f. Macht man c zum positiven, a zum negativen Pol, so bezeichnet der nach abwärts geneigte Lichtstreifen d f den Weg der strahlenden Materie; setzt man nun auch die Elektrode b mit dem negativen Pol in Verbindung, so sieht man den Lichtstreifen d f infolge der von b ausgehenden Abstoßung nach d g sich zurückbiegen, und der von b ausstrahlende Lichtstreifen, der für sich nach e f gegangen wäre, wird nach e h abgelenkt. Läßt man ein Bündel negativer Strahlen an einem zweiten drahtförmigen negativen Pol nahe vorübergehen, so erleidet es in der Nähe dieses Drahtes ein plötzliche Knickung (Deflexion), nach der es in der neuen Richtung wieder geradlinig weitergeht. Die Braunsche Röhre eignet sich auch zur Untersuchung dieser elektrostatischen Ablenkung der Kathodenstrahlen, wenn man im Innern zwei plattenförmige Elektroden anbringt zur Erzeugung eines elektrischen Feldes, welches das Kathodenstrahlenbündel durchdringen muß. Sowohl aus der magnetischen als elektrischen Ablenkung läßt sich vom Standpunkt der Elektronentheorie ein Schluß auf die Größe der wirklichen oder scheinbaren Masse der kleinen Partikelchen ziehen, die dieser Theorie nach die Erscheinungen veranlassen. Man findet sie rund = 1/1000 der Masse eines Wasserstoffatoms und ihre Geschwindigkeit, die übrigens je nach der Spannungsdifferenz der Elektroden in hohem Maße wechselt und nur von dieser abhängt, unter gewöhnlichen Umständen etwa = 100,000 km in der Sekunde.

Durch die große Geschwindigkeit der Partikelchen und ihre Masse, d.h. ihre Wucht oder kinetische Energie, erklärt Crookes auch die Tatsache, daß jeder Körper, der von Kathodenstrahlen getroffen wird, sich erwärmt. Die Strahlen, die in der Röhre (Fig. 8, a) einer sogen. Fokusröhre von dem schalenförmigen negativen Pol ausgehen, schneiden sich in einem Brennpunkt, der durch einen von außen genäherten Magnet nach der Glaswand hinübergezogen wird (Fig. 8, b); das Glas wird heiß an dieser Stelle, beginnt zu zerspringen, indem sich Risse sternförmig um den erhitzten Mittelpunkt bilden, endlich wird das Glas weich, und der Druck der äußern Luft drückt es einwärts.

Fig. 8. Fokusröhre.
Fig. 8. Fokusröhre.

In der Glaskugel (Fig. 9) ist im Brennpunkt des schalenförmigen negativen Pols (a) ein Stück Iridio-Platin (b) angebracht, das durch die gesammelten Strahlen bis zur Weißglut erhitzt und schließlich geschmolzen wird.

Fig. 9. Wärme durch Kathodenstrahlen.
Fig. 9. Wärme durch Kathodenstrahlen.

Als eine andre Wirkung der Wucht der bewegten Partikelchen betrachtet Crookes die mechanischen Wirkungen der Kathodenstrahlen.

Fig. 10 Mechanische Wirkungen der Kathodenstrahlen.
Fig. 10 Mechanische Wirkungen der Kathodenstrahlen.

In der Röhre (Fig. 10) ist eine gläserne Schienenbahn angebracht, auf der ein kleines Rad mit Glimmerschaufeln rollen kann; verbindet man die oberhalb der Bahn gelegenen Elektroden mit den Polen des Induktors, so wird das Rad vom negativen nach dem positiven Pol hingetrieben, als ob von jenem her ein Luftstrom gegen die Schaufeln bliese. In dem Gefäß (Fig. 11, S. 614) ist ein kleines Nad mittels eines Stahlhütchens auf eine Stahlspitze leicht beweglich aufgesetzt; die Flügel des Rades bestehen aus Aluminiumblech und sind auf der einen Seite mit Glimmer bekleidet; verbindet man das Rädchen mit dem negativen, den oben am Gefäß eingeschmolzenen Draht mit dem positiven Pol, so gerät das Rädchen durch den Rückstoß, den die von den Aluminiumflächen fortgeschleuderten Moleküle ausüben, in rasche Umdrehung, mit den Glimmerseiten voran.

Falls die Kathodenstrahlen durch Fortschleuderung der durch Zertrümmerung der Atome frei gewordenen negativen Partikelchen (Elektronen) hervorgebracht werden, so kann man fragen, wo die positiven Reste der ursprünglich unelektrischen Atome bleiben, da niemals eine Elektrizitätsart allein frei werden kann. Nach W. Wien werden durch die positiven Partikelchen die von Goldstein entdeckten Kanalstrahlen hervorgebracht, die unter gewöhnlichen Umständen als gelber Saum an der Kathode hervortreten, weitaus auffallender aber erhalten werden, wenn man eine siebartig durchbrochene oder von engen Kanälen durchsetzte sogen. Netz-Kathode verwendet.

Fig. 11. Elektrisches Radiometer.
Fig. 11. Elektrisches Radiometer.

Die Figur (Tafel, Fig. 6) zeigt das Auftreten der Kanalstrahlen in einem hochevakuierten großen elektrischen Ei, in dem eine aus Drahtnetz hergestellte Scheidewand in der Mitte als Kathode, eine Aluminiumkugel als Anode dient. Nur auf der Rückseite der letztern zeigt sich schwaches blaues Glimmlicht, zu beiden Seiten der Scheidewand erscheinen die rotgelben Kanalstrahlen, und zwar auf der Anodenseite als sich erweiterndes Bündel (gelber Saum), auf der entgegengesetzten Seite als sich verjüngendes Bündel, das die rückwärtige Verlängerung des erstern bildet. Ein schattenwerfender Körper auf der ersten Seite erzeugt einen Schattenraum, der sich durch beide Bündel hindurch fortsetzt, wie wenn die Strahlen von der Anode kämen, doch erstreckt sich der Schatten (nach Goldstein) auch nach der entgegengesetzten Seite. Magnetische und elektrische Kräfte wirken nur in äußerst geringem Maß auf die Kanalstrahlen ein, und zwar scheinen verschieden ablenkbare Strahlen zu existieren, auch solche, die gar nicht abgelenkt werden können. Man schließt aus diesem Verhalten auf eine relativ große Masse der positiven Elektronen, die der der gewöhnlichen Atome annähernd gleichkommt. Auch Fluoreszenz vermögen die Kanalstrahlen nur in geringem Maße zu erregen. Sie ist unter gewöhnlichen Umständen an der Glaswand rotgelb, nicht grüngelb wie die durch Kathodenstrahlen bedingte. Bringt man dicht über einer plattenförmigen Kathode eine in der Mitte durchbohrte, bis an die Gefäßwandungen reichende plattenförmige Anode an, so tritt aus der Öffnung ein Strahlenbündel, das bei Annäherung eines Magneten in drei Teile zerfällt (Tafel, Fig. 15): ein nicht beeinflußtes Bündel Kanalstrahlen und zwei Bündel Kathodenstrahlen, das eine von der Richtung der Kraftlinien, das andre in Form einer darum gewickelten Spirale.

Am schwierigsten zu deuten ist die Natur des dunkeln Kathodenraums. Nach Crookes wäre er der Raum, den die von der Kathode fortgeschleuderten Partikelchen frei durchlaufen, ehe sie auf die durch ihre Stoßwirkung zurückgedrängten Gasmoleküle auftreffen. Das Aufleuchten der letztern im negativen Glimmlicht ist eine Folge dieses Zusammenstoßes. Aus dem großen Widerstand des Dunkelraums schließt Lehmann, daß er erfüllt ist mit positiven Partikelchen, die ihre Ladung schwer an die Kathode abgeben. Nach Goldstein beruht seine Bildung auf Abstoßung der von den Kathodenstrahlen sekundär erregten Glimmlichtstrahlen durch die Kathode. Zu seiner Bildung ist eine gewisse Zeit notwendig, denn bei Anwendung von Wechselstrom hoher Frequenz nimmt er an Dicke ab. In einem ganz von Dunkelraum erfüllten elektrischen Ei (sogen. absolutem Vakuumrohr), durch das gewöhnliche Entladungen nicht mehr hindurchgehen, kann man deshalb solche hervorrufen, wenn man es mit äußern Elektroden (aufgeklebten Stanniolringen) versieht, denen man Wechselstrom zuleitet, oder indem man es mit einer Drahtspirale umgibt, in der man rasche elektrische Schwingungen erregt, so daß abwechselnd das eine und andre Ende positiv elektrisch wird. Es bildet sich ein hell leuchtender Ring im Gase, bei mäßiger Verdünnung bestehend aus einem rötlichen Ring mit blauen Rändern. Manche betrachten diese Entladung als in sich zurücklaufend (Ringentladung), was aber nicht zutrifft.

Auf der Erschwerung der Entladung durch große Ausdehnung des Dunkelraums beruhen alle Unterschiede der Entladung im stark und wenig luftverdünnten Raum.

Fig. 12. Regeneration des Vakuums.
Fig. 12. Regeneration des Vakuums.

Zur Beobachtung dieser Unterschiede ist die Röhre Textfig. 12 bequem. An einem Ende ist noch ein kleines Hilfsröhrchen k angeschmolzen, das Stückchen von Ätzkali enthält; füllt man die Röhre mit Kohlensäure und pumpt sie möglichst leer, so werden die letzten, durch die Luftpumpe nicht entfernbaren Reste der Kohlensäure von dem Kali verschluckt; alsdann geht die Elektrizität nicht mehr über, die Röhre bleibt dunkel. Erwärmt man jetzt das Kali, so entwickelt sich ein wenig Wasserdampf, und nun erscheint zuerst der negative Lichtstrom und die durch ihn hervorgerufene grüne Phosphoreszenz des Glases; bei weiterm Erwärmen sieht man auch an der positiven Elektrode einen Lichtstrom mit Schichtungen auftreten und sich immer weiter gegen die negative Elektrode hm ausbreiten.

Fig. 13. Röhre für Unabhängigkeit der Kathodenstrahlen.
Fig. 13. Röhre für Unabhängigkeit der Kathodenstrahlen.

Eine Röhre, die auf einer Seite stark verengert ist, kann zur Umwandlung von Wechselstrom in pulsierenden Gleichstrom (als elektrisches Ventil) dienen, da sie Entladungen, für welche die Elektrode auf der verengerten Seite Kathode ist, nicht durchgehen läßt, weil für diese der Dunkelraum sich nicht mehr frei ausbilden kann. Während die Kathodenstrahlen unbekümmert um die Lage der Anode stets geradlinig fortschreiten, sucht der positive Strom das Ende der Glimmstrahlen zu erreichen. Hittorf hat dieses Verhalten mittels der in Textfig. 13 dargestellten Röhre veranschaulicht. Die Platindrähte a und b sind in Glasröhrchen eingeschmolzen, so daß nur ihre eben geschliffenen Endflächen frei bleiben; die Endfläche des Drahtes b ist von derjenigen des Drahtes a abgewendet. Macht man b negativ, a positiv, so durchstrahlt das von der Endfläche b ausgehende negative Licht die Strecke b c, entfernt sich also immer mehr von dem positiven Pol und dem die Strecke a b erfüllenden positiven Licht.

Fig. 14. Crookessche Röhre.
Fig. 14. Crookessche Röhre.

Macht man dagegen a negativ, b positiv, so krümmt sich der positive Lichtstrang unmittelbar hinter der Endfläche b und nimmt die Richtung auf a; das negative Licht von a flutet dagegen geradlinig fort und geht über b hinaus bis aus Ende c der Röhre, unbekümmert darum, daß es auf seinem Weg den positiven Pol b kreuzt. Crookes bediente sich zum Nachweis dieser Eigentümlichkeit des Kathodenlichts der folgenden Einrichtung: In eine V-förmige Röhre (Fig. 14) sind drei Drähte a b c eingeschmolzen, deren jeder eine kleine kreisförmige Blechplatte trägt; setzt man a mit dem negativen, b mit dem positiven Pol des Induktionsapparats in Verbindung, so pflanzt sich das negative Licht in gerader Linie nur bis c fort, ohne dort um die Ecke zu biegen, und verbindet man a mit dem positiven, c mit dem negativen Pol, so ergießt sich das negative Licht in der zur Polplatte senkrechten Richtung geradlinig nach b hin, ohne sich um den bei a liegenden positiven Pol im geringsten zu kümmern.

Sehr auffallend läßt sich ferner der Unterschied zwischen der elektrischen Entladung in mäßig verdünnter und sehr stark verdünnter Luft an den beiden ganz gleichen, kugelförmigen Gefäßen (Fig. 15 A und B) wahrnehmen, deren ersteres nur bis zu einem gewöhnlichen Grade, das andre aber bis auf etwa ein Millionstel Atmosphäre ausgepumpt ist.

Fig. 15. Verschieden hohes Vakuum.
Fig. 15. Verschieden hohes Vakuum.

Verbindet man die Elektrode a, welche die Form einer Schale hat, mit dem negativen, die Elektroden b, c, d der Reihe nach mit dem positiven Pol, so sieht man in dem ersten Gefäß einen roten Lichtstrom von dem jeweiligen positiven Pol nach der negativen Polplatte sich ergießen und an dieser die blaue negative Lichthülle auftreten; in dem andern Gefäß indes sieht man nichts von einer positiven Lichtgarbe; von dem schalenförmigen negativen Pol indes gehen die Strahlen des negativen Lichtes aus, durchkreuzen sich im Mittelpunkt der Kugel, von der die Schale ein Abschnitt ist, wie in einem Brennpunkt, und erzeugen auf der gegenüberliegenden Glaswand einen Fleck grünen Phosphoreszenzlichts, der sich heiß anfühlt; diesen Weg schlagen sie unbeirrt ein, welchen der Drähte b, c, d man auch zum positiven Pol machen mag.

Die Farbe des positiven Lichtstroms ist in Wasserstoffgas purpurrot, in Kohlensäure grünlich etc. Immer aber ist sein Licht reich an jenen violetten und ultravioletten Strahlen, die das als »Fluoreszenz« bezeichnete Selbstleuchten des Glases hervorzurufen im stande sind. Indem man Teile der Röhre aus stark fluoreszierenden Glassorten, z. B. dem hellgrün leuchtenden Uranglas, in zierlichen Formen herstellt, wird die Pracht und Mannigfaltigkeit der Lichterscheinungen noch bedeutend gesteigert.

Zur Demonstration eignen sich besonders die Geißlerschen Röhren, zugeschmolzene Glasröhren, die ein sehr verdünntes Gas enthalten, und in die an geeigneten Stellen eingeschmolzene Platin- oder Aluminiumdrähte hineinragen, in deren Ofen außerhalb der Röhre Zuleitungsdrähte eingehängt werden. Von den zahlreichen und mannigfaltigen Formen dieser von Plücker angegebenen und von Geißler ausgeführten Röhren ist eine der einfachsten in Fig. 16 dargestellt.

Fig. 16. Geißlersche Röhre.
Fig. 16. Geißlersche Röhre.

Verbindet man die an ihren Enden eingeschmolzenen Platindrähte (Elektroden) mit den Polen eines Funkeninduktors (s. Elektrische Induktion, S. 623) oder den Elektroden einer Influenzmaschine, so entwickelt sich in der Röhre eine prachtvolle Lichterscheinung. Befindet sich mäßig (z. B. auf 1/300) verdünnte Luft in der Röhre, so erscheint der negative Pol von zartem, tiefblauem Glimmlicht umgeben; vom positiven Pol aber ergießt sich eine häufig geschichtete, pfirsichblütrote Lichtgarbe durch die ganze Röhre fast bis zur negativen Lichthülle. Bei den sogen. Schüttelröhren, die keine Elektroden, sondern nur etwas Quecksilber enthalten, genügt die beim Schütteln durch Reiben des Quecksilbers am Glas erzeugte Spur von Elektrizität, eine Lichterscheinung hervorzurufen. Bei Anwendung eines Funkeninduktors als Stromquelle scheinen die Schichten in Geißlerschen Röhren in wellenartiger Bewegung vom positiven nach dem negativen Pol fortzuschreiten. Dies ist dadurch bedingt, daß das scheinbar stetige Licht doch nur aus einer raschen Reihenfolge sehr kurz dauernder einzelner Entladungen besteht, deren Bilder, wenn sie in unserm Auge auf dieselbe Stelle der Netzhaut fallen, zu einem einzigen ununterbrochenen Lichteindruck verschmelzen. Versetzt man die Röhre vermittelst einer Schwungmaschine in rasche Umdrehung um ihr eines Ende, so fallen die Bilder der einzelnen Entladungen auf verschiedene Stellen der Netzhaut, und man erblickt einen aus vielen leuchtenden Röhren gebildeten prachtvollen Stern. Stehen sich in einem elektrischen Ei zwei Metallkugeln gegenüber, von denen die eine bis auf eine kleine Stelle gefirnißt, die andre dagegen blank ist (Gaugains elektrisches Ventil), so geht bei richtiger Regelung des Luftdrucks die Entladung von der gefirnißten zur blanken Kugel, nicht aber umgekehrt. Ähnlich wirkt eine Geißlersche Röhre, deren eine Elektrode in eine Spitze ausläuft, während die andre eine kleine, zur Längsachse der Röhre senkrechte Metallscheibe trägt. Eine Geißlersche Röhre mit unter sich gleichen Elektroden, an deren Innenwand mehrere Glastrichter angeschmolzen sind, die ihre engen Öffnungen alle nach der einen Seite kehren (Ventilröhre), bringt eine ähnliche Wirkung hervor; die Entladung geht nämlich leichter von den engen Öffnungen der Trichter zu den weiten als in umgekehrter Richtung.

Einem genäherten elektrischen Strom oder einem Magnet gegenüber verhält sich der positive Strom wie ein beweglicher Stromleiter (s. Elektrodynamische Kraft) und kann z. B. in fortgesetzte Umdrehung um einen Magnet versetzt werden. Hierzu dient am bequemsten die Vorrichtung Fig. 17; in ein eiförmiges Glasgefäß, in dem die Luft (mittels einer Quecksilberluftpumpe) hinreichend verdünnt ist, ragt ein mit einer Glashülle bedeckter Eisenstab E hinein; der Lichtstrom ergießt sich parallel zum Eisenstab zwischen den beiden Platinelektroden, deren eine (a) am obern Ende des Eies angebracht ist, während die andre (b) weiter unten den Eisenstab ringförmig umgibt; stellt man das Ei auf den Pol eines Elektromagnets M, so wird der Eisenstab magnetisch, und der Lichtstrom dreht sich nun um ihn in derselben Weise, wie sich ein drehbar aufgehängter Leitungsdraht um einen Magnet drehen würde; die Richtung der Drehung kehrt sich um, wenn man mittels des Kommutators K die Pole des Elektromagnets wechselt.

Fig. 17. Apparat von de la Rive.
Fig. 17. Apparat von de la Rive.

Bei Anwendung starker Ströme kann man sich davon überzeugen, daß nicht nur der Lichtstrom selbst rotiert, sondern daß durch ihn auch die Luft im Gefäß mitgenommen wird (magnetischer Wind).

Bringt man ein stark evakuiertes Ei mit großen, kugelförmigen Elektroden in ein kräftiges Magnetfeld, dessen Kraftlinien senkrecht zur Achse des Eies verlaufen, so bleiben von den Glimmlichtstrahlen nur diejenigen übrig, welche die Richtung der magnetischen Kraftlinien haben. Das positive Glimmlicht zieht sich in einen Ring zusammen, dessen Ebene senkrecht zu den Kraftlinien steht (Tafel, Fig. 7). Die positive Lichtsäule wendet sich nach oben oder unten und gabelt sich in der Nähe der Kathode, um sich den beiden Glimmstrahlenzylindern anzulegen. Aus diesem Verhalten ist zu schließen, daß das positive Licht nicht von der Anode ausgeht, vielmehr seinen Ursprung von allen Stellen der beiden negativen Glimmlichtbündel nimmt und an der Anode endigt. Die Lichterscheinungen entsprechen somit einem Strom von der Kathode zur Anode, ein entgegengesetzter Strom scheint nicht vorhanden zu sein. Jede Schicht des positiven Lichts stellt nach Goldstein ein Bündel negativer Glimmlichtstrahlen dar. Schiebt man die Elektroden gegeneinander, so verschwinden Schichten an der Anode, wie wenn die positive Säule in diese hineingeschoben würde, an der Kathode aber bleibt alles ungeändert. Gefäßverengerungen oder Andrängen der positiven Lichtsäule an die Gefäßwand mittels eines Magneten vermehrt die Zahl der Schichten. Durch ein Magnetfeld, dessen Kraftlinien in der Richtung der Achse verlaufen, wird das positive Licht zurückgedrängt und verschwindet eventuell an der Anode, wo es einen Ring senkrecht zur Achse bildet, ganz, zeigt sich aber wohl, ebenfalls als roter Ring, an den von Glimmlicht freien Stellen der Kathode (Tafel, Fig. 8). Wird die Anode wie bet Fig. 9 (Tafel) von der Kathode konzentrisch umschlossen, so strahlt das negative Glimmlicht unbehindert gegen die Wände des Gefäßes, das positive Licht drängt sich in Form eines dünnen geschichteten Lappens zwischen Dunkelraum und Gefäßwand durch, um die Enden der Glimmlichtstrahlen zu erreichen. Man kann hieraus deutlich sehen, daß es sich dabei nicht um eine kontinuierliche elektrische Strömung wie in einem Elektrolyten handeln kann, denn bei einer solchen ist Durchkreuzung der Stromlinien, wie sie hier augenscheinlich stattfindet, unmöglich, man muß vielmehr annehmen, daß hier und so auch in andern Fällen zwei Prozesse in äußerst rascher Folge alternieren, der Transport der negativen Elektrizität zu den Gefäßwänden durch die Glimmstrahlen und das Weiterwandern dieser Elektrizität zu der Anode. Nach der Faradayschen Theorie wäre anzunehmen, daß der erstere Prozeß in der Weise erfolgt, daß gewissermaßen elektrische Risse durch die Molekülreihen zwischen der Kathode und den Glas. wänden entstehen, also bald da, bald dort eine elektrische Ladung mit einer Geschwindigkeit von der Ordnung der Lichtgeschwindigkeit als Spitze eines solchen Risses sich gegen die Gefäßwand bewegt, während die Moleküle und ihre Spaltungsprodukte sich kaum von der Stelle bewegen. Nach der Crookesschen Theorie wäre die Erscheinung so zu deuten, daß die elektrisierten Teile der Atome selbst (die Elektronen) mit jener ungeheuern Geschwindigkeit gegen die Gefäßwände geschleudert werden und dann, nachdem sie die große Geschwindigkeit verloren haben, als positiv es Licht zur Anode wandern. Daß das positive Licht stets vom negativen Glimmlicht ausgeht, zeigt sich auch sehr schön bei der in Fig. 12 (Tafel) dargestellten Entladungserscheinung zwischen einer positiven Spitze und einer negativen Platte mit hervorragender Spitze, wobei ringförmige Schichten von rotem positiven Licht dem blauen negativen Licht unmittelbar aufsitzen.

Wird die positive Lichtsäule genötigt, durch Diaphragmen oder siebartige Scheidewände durchzugehen, so setzt sich dort eine Schicht fest, die auf der Kathodenseite als rotes positives Glimmlicht erscheint, auf der Anodenseite als blaues negatives Glimmlicht. Der Zwischenraum zwischen ihr und der nächsten Schicht vergrößert sich und verhält sich wie der Trennungsraum. Man kann so in einer langen Röhre mit Drahtnetzscheidewänden an jeder Scheidewand Glimmstrahlenbüschel ohne Dunkelraum erhalten (Tafel, Fig. 16). Macht man beide Elektroden zu Kathoden und die drei Netze (oder eines) zur Anode und bringt die Röhre in ein Magnetfeld, dessen Kraftlinien achsial verlaufen, so erhält man zwei sich gegenseitig durchdringende Glimmstrahlenbündel (Tafel, Fig. 17). Ebenso kann man zwei Kanalstrahlenbündel oder ein Bündel Kanalstrahlen und ein Glimmstrahlenbündel sich gegenseitig ohne jede Störung durchdringen lassen. Diese Strahlen verhalten sich also hinsichtlich der gegenseitigen Durchkreuzung ganz wie Lichtstrahlen, was nur in der Weise verständlich erscheint, daß die Elektronen, mag man sich dieselben ohne oder mit körperlicher Masse denken, in relativ großen Abständen sich folgen, so daß eine gegenseitige Einwirkung trotz der großen Elektrizitätsmenge, die sie transportieren, nicht möglich ist.

Verbindet man eine siebförmige Scheidewand im elektrischen Ei (Tafel, Fig. 10) mit der Kathode, so entsteht natürlich daran ein Dunkelraum, und die von der eigentlichen Kathode kommende Entladung ist genötigt, diesen Dunkelraum zu durchdringen. Es geschieht dies, wie Fig. 10 zeigt, in Form eines dünnen Strahles, der an der Durchbruchsstelle eine trichterartige Einsenkung des Dunkelraums verursacht, da dessen Dicke sich mit zunehmender Stromstärke vermindert. Ähnlich durchbrechen aus der Tiefe einer hohlen Kathode kommende Entladungen den die Seitenwände bedeckenden Dunkelraum.

Bei sehr geringem Elektrodenabstand bleibt die Anode stets so weit dunkel, als sie in den dunkeln Kathodenraum eintaucht. Außerhalb desselben scheint sich das positive Glimmlicht mit dem negativen zu mischen, beide erweisen sich als im Wesen identisch.

Bei großen Stromstärken in weiten Gefäßen zeigt sich eine die positive und negative Lichterscheinung umschließende Lichthülle oder Aureole, die in Luft gewöhnlich grünliche Färbung hat (Tafel, Fig. 13), aber durch geringe Beimischungen auch wesentlich andre Farbe erhalten kann, z. B. rotgelb. Bei Zumischung von Joddämpfen erscheint außerdem eine dunkelblaue Lichthülle. Die Schichtungen des positiven Lichtes entsprechen ungefähr den Äquipotentialflächen. Die Luft ist infolge der Erhitzung in beständiger Strömung begriffen, in der Mitte aufwärts, an den Wänden des Gefäßes abwärts. Ein Luftteilchen, das sich von unten nach oben bewegt, wird leuchtend, sobald es in die Aureole eintritt, und verliert sein Leuchtvermögen wieder beim Verlassen derselben. Gegen magnetische Kräfte ist die Aureole sehr empfindlich. Die Temperatur nimmt von außen nach innen zu, und zwar zeigt sich an der äußern Grenze, wie zu erwarten, ein plötzlicher Temperatursprung. In der positiven Lichtsäule ist die Temperatur in den leuchtenden Schichten hoch, in den dunkeln niedrig. In letztern findet wirbelartige konvektive Entladung (Tafel, Fig. 2) statt, wie namentlich zu erkennen ist, wenn der Luft Öldampf beigemischt wird, wobei eine Art gelbleuchtende Flamme entsteht, die da, wo sie die Schichten berührt, wie die Fig. 14 (Tafel) zeigt, eine Störung erleidet. Ein sehr starker Wirbel, Kathodenwirbel, zeigt sich namentlich in der Nähe der Kathode.

Wird die Stromstärke so weit erhöht, daß an der Kathode das Metall zu verdampfen beginnt, so schrumpft dort das Glimmlicht infolge der Verminderung des Widerstandes sofort auf einen Punkt zusammen. Die Gasentladung geht, wie man sagt, in Metallentladung über. Findet Gleiches auch an der Anode statt, so hat man den gewöhnlichen Davyschen Lichtbogen (Flammenbogen). Derselbe endigt also an beiden Elektroden in hellglänzenden Punkten, wo die Verdampfung des Metalls (der Kohle) stattfindet. Dazwischen sieht man vorwiegend die sogen. positive Lichtsäule, bestehend aus dem positiven und negativen Büschel. In verdünnter Luft zeigt sie in der Regel Schichtung (Tafel, Fig. 11) wie bei Gasentladung, und zwar ist die konvexe Seite der Schichten der Kathode zugewendet. Bei minder starker Verdünnung und weiten Gefäßen ist das Ganze von der Aureole umgeben (Tafel, Fig. 13). Bei größerm Luftdruck zieht sich die Aureole flammenartig in die Höhe, da die aufsteigende erhitzte Luft den Strom besser leitet. Die Aureole eines horizontalen Davyschen Flammenbogens besteht scheinbar aus zwei schräg gegeneinander gerichteten Flammen. Während sich bei der Gasentladung infolge des großen Widerstandes des ausgedehnten dunkeln Kathodenraums die Kathode stärker erhitzt, ist beim Lichtbogen das Umgekehrte der Fall. Infolge der Temperaturerhöhung und Bildung gutleitender Dämpfe (Verminderung des Kathodenfalls) genügt zur Unterhaltung des Lichtbogens eine weit geringere Spannung als zur Einleitung desselben bei konstantem Abstand der Elektroden. Die kleinen Lichtbogen in Bogenlampen erfordern nur eine Spannungsdifferenz von etwa 50 Volt. Zwei Elektroden von dieser Spannungsdifferenz kann man bis auf unmeßbare Entfernung einander nähern, ohne daß ein Funke überspringt. Bei galvanischen Batterien erhält man deshalb Schließungsfunken erst bei vielen Plattenpaaren. Gassiot mußte die Pole einer Batterie von 3000 Elementen bis auf 0,2 mm einander nahebringen, bis endlich ein Schließungsfunke überging. Bringt man die Poldrähte einer galvanischen Batterie miteinander in Berührung, so findet an den wenigen Berührungspunkten ein großer Widerstand und daher beträchtliche Erhitzung statt; entfernt man die Drähte wieder voneinander, so sieht man an der Unterbrechungsstelle einen Funken, den galvanischen Funken (Unterbrechungs- oder Öffnungsfunken), erscheinen, der nichts andres ist als ein kleiner Lichtbogen. Der kühlenden Wirkung wegen und aus andern Gründen sind übrigens Metalldrähte zur Erzeugung des Flammenbogens wenig geeignet. Besonders glänzend wird die Erscheinung, wenn man statt der metallischen Poldrähte Kohlenspitzen anwendet, die dabei zu blendender Weißglut (3000–4000°) erhitzt werden und ein Licht ausstrahlen, das an Helligkeit mit dem Sonnenlicht wetteifert.

Durch Luftströme, insbes. auch durch den magnetischen Wind, kann der Lichtbogen wie eine Lötrohrflamme auf eine bestimmte Stelle gerichtet und technisch zu gleichen Zwecken wie diese verwendet werden (magnetisches Gebläse). Der gewöhnliche elektrische Funke unterscheidet sich von dem Lichtbogen nur durch seine äußerst kurze Dauer, die eine Ausdehnung in die Breite unmöglich macht. Bei genügend hoher Spannung kann man den Lichtbogen leicht in einen prasselnden Funkenstrom verwandeln, indem man einen kräftigen Luftstrom hindurchbläst. Auch Einwirkung eines Magneten hat infolge der Bildung des magnetischen Windes ähnliche Wirkung (magnetischer Lichtbogenlöscher). Die Aureole des Funkens (Funkenkanal) ist fast unsichtbar, kann aber durch Luftströmungen zur Seite geblasen werden und erscheint dann als gelbliche Flamme. Schichtung der Lichtsäule ist nur bei Funken im Vakuum zu sehen. Da in dem Funken in äußerst kurzer Zeit eine große Elektrizitätsmenge zur Entladung kommt, ist die (momentane) Stromstärke im Vergleich zu der eines gewöhnlichen Lichtbogens sehr groß. Um sich von der kurzen Dauer des Funkens zu überzeugen, kann z. B. eine rasch sich drehende Pappscheibe dienen, die mit abwechselnd weißen und schwarzen Speichen bemalt ist. Sie erscheint, von dauerndem Licht beleuchtet, gleichmäßig grau, weil das Bild einer jeden schwarzen Speiche in unserm Auge an derselben Stelle erscheint, an der das Bild der vorhergehenden weißen Speiche noch nicht erloschen ist, und sich daher mit diesem mischt; beleuchtet man aber die Scheibe im Dunkeln durch einen elektrischen Funken, so wird sie deutlich mit allen Speichen gesehen, als ob sie stillstände, weil sie sich während der kurzen Dauer des Funkens in unserm Auge nur in der Stellung abbilden konnte, die sie im Augenblick der Beleuchtung besaß. Die kurze Dauer des Funkens ermöglicht photographische Momentaufnahmen, z. B. von fliegenden Geschossen, Explosionswellen u. dgl., die auf anderm Wege nicht erhalten werden könnten. Infolge der kurzen Dauer sind auch trotz der großen Stromstärke und Spannung die Wärmewirkungen nur gering. Schwächere Funken können durch Papier, Pappe, selbst Schießpulver hindurchschlagen, ohne diese Stoffe zu entzünden. Immerhin wird die Pappe an der Durchbruchsstelle nach beiden Seiten aufgerissen infolge der plötzlichen Ausdehnung der in ihren Poren enthaltenen Luft.

Fig. 18. Elektrische Pistole.
Fig. 18. Elektrische Pistole.

Leicht entzündliche Flüssigkeiten, z. B. Äther, Schwefelkohlenstoff, werden durch den Funken der Elektrisiermaschine (s. d.) entzündet, explosive Gasgemenge zum Explodieren gebracht. Um letzteres zu zeigen, kann man sich der elektrischen Pistole (Fig. 18) bedienen, eines mit einem Kork verschließbaren Blechgefäßes, in das ein in ein Glasröhrchen t t´ eingekitteter, an den Enden mit kleinen Kugeln b und b´ versehener Metalldraht isoliert hineinragt. Ist das Gefäß mit einem Gemisch aus Luft und Wasserstoffgas oder Leuchtgas gefüllt, und setzt man den äußern Knopf b mit dem Konduktor in Verbindung, so springt ein Funke zwischen dem innern Knopf und der Gefäßwand über, das Gasgemenge explodiert, und der Kork wird mit lautem Knall hinausgeschleudert.

Nähert man einem elektrischen Körper einen Leiter mehr und mehr, so werden an den einander zunächst gegenüberstehenden Stellen der beiden Körper entgegengesetzte Elektrizitäten mit wachsender Dichte sich anhäufen, indem die in letzterm durch Verteilung geweckte und nach seinem äußersten Punkt hingezogene ungleichnamige Elektrizität die entgegengesetzte Elektrizität des erstern Körpers ebenfalls nach dessen gegenüberstehendem Punkt hinzieht. Ist die Dichte der beiden Elektrizitäten groß genug geworden, so durchbrechen sie die trennende Luftschicht und vereinigen sich unter knisterndem Geräusch oder mit einem Knall durch einen elektrischen Funken. Nähert man dem Konduktor einer tätigen Elektrisiermaschine den Fingerknöchel oder einen andern abgerundeten, mit der Erde in Verbindung stehenden Leiter, so springen Junken über von 5–25 cm Länge. Besonders lange Funken erhält man, wenn man auf den Konduktor ein Kollodiumblättchen bringt, unter dem sich die Elektrizität zu größerer Dichte ansammelt, namentlich aber unter Benutzung großer Batterien von Leidener Flaschen, wenn man sie längs einer auf der Rückseite mit Stanniol beklebten Glasscheibe gleiten läßt (gleitende Funken). Entladet man den Konduktor durch eine Reihe von Leitern, die durch Zwischenräume voneinander getrennt sind, z. B. durch eine Reihe rautenförmiger Stanniolblättchen (Fig. 19), die auf eine Glastafel (Blitztafel) oder längs einer Schraubenlinie auf eine Glasröhre (Blitzröhre) aufgeklebt sind, so springt an jeder Unterbrechungsstelle ein Funke über, was einen hübschen Anblick gewährt.

Fig. 19. Elektrische Funken (Blitzröhre).
Fig. 19. Elektrische Funken (Blitzröhre).

Der Blitz ist nichts andres als ein ungeheurer elektrischer Funke, der zwischen zwei entgegengesetzt elektrischen Wolken oder zwischen einer elektrischen Wolke und der Erde überschlägt. Auf die Bildung von Funken sind übrigens manche Nebenumstände von großem Einfluß. So vermag, wenn die Spannung nicht völlig genügend ist, Belichtung mit ultraviolettem Licht (eventuell durch einen zweiten Funken erzeugt) die Funken auszulösen. Die Erscheinung beruht darauf, daß bei knapp zureichender Spannung der Funke infolge eines unsichtbaren Vorprozesses (Jonisierung der Luft) nicht sofort, sondern erst nach einiger Zeit (Verzögerung) auftritt (s. Lichtelektrische Erscheinungen). Die Belichtung kürzt diese Zeit ab. Schlagen eben noch Funken über, so können sie durch Vorbeileiten eines starken Luftstroms vor der Anode ausgeblasen werden. Zwischen einer Spitze und Scheibe werden desonders lange Funken erhalten, wenn die Scheibe negativ ist. Man kann hiernach elektrische Ventile konstruieren, die Entladungsströme nur in einer Richtung durchlassen.

Wird bei der Spitzenentladung die Stromstärke durch Erhöhung der Spannung so weit getrieben, daß sich die Gasentladung in Metallentladung verwandelt, so geht das Glimmen in die Büschelentladung über. Das Ausströmen der positiven Elektrizität erfolgt unter Zischen in Form eines aus zahlreichen divergierenden bläulichen Strahlen zusammengesetzten Lichtbüschels, dasjenige der negativen in Form eines geräuschlosen Lichtpinsels. Das Elmsfeuer (s. d.) beruht auf diesem sichtbaren Ausströmen der Elektrizität. Außerordentlich groß werden die Büschel bei Verwendung von Wechselstrom mit großer Polwechselzahl, wie er mittels eines sogen. Tesla- oder Hochfrequenztransformators (s. Elektrische Schwingungen) erhalten wird. Durch die Büschel wird nämlich die Luft in der Nähe elektrisch geladen, und die Entladung ist somit, da die Stromrichtung beständig wechselt, nicht ein einfaches Ausströmen aus der Spitze, sondern eine Entladung zwischen der Spitze und der durch die vorherige Entladung erzeugten entgegengesetzt elektrischen Luft.

Laßt man positive Büschelentladungen auf eine Harz- oder Ebonitplatte übergehen, so sind alle von den Büschelästen erreichten Stellen positiv elektrisch. Bei Anwendung negativer Elektrizität entsteht nur wie bei den Kundtschen Staubfiguren eine Glimmentladung auf der Harzplatte, also ein einziger kreisrunder, gleichmäßig negativ elektrisierter Fleck. Bestäubt man die Platte mit einem Gemisch aus Mennigpulver und Bärlappsamen, so setzt sich die positiv elektrische Mennige an den negativ elektrischen Stellen der Platte fest, der negative Bärlappsame haftet an den positiven. Bei positiver Elektrizität bildet die Figur einen gelben Stern mit verästelten Strahlen, die von der durch den Zuleiter berührten Stelle nach allen Seiten hin ausgehen; bei negativer Elektrizität dagegen entsteht nur ein rundlicher roter Fleck. Diese Figuren werden Lichtenbergsche Figuren genannt. Beim Überschlagen von Funken auf größern Abstand bilden sich gewöhnlich zuerst Büschelentladungen, welche die Funken vorbereiten. Läßt man deshalb Funken längs berußtem, glattem Papier oder Glas überschlagen, so entstehen durch Fortschleudern der Rußteilchen eigentümliche Funkenbilder (Antoliks Figuren), die an den Enden in büschelartig verzweigte Gebilde auslaufen. Auch lediglich durch die Einwirkung der Elektrizität auf die jede Glasplatte bedeckende fremdartige Schicht (Wasserhaut, Gase etc.), die eine Verdichtung oder Verdünnung erleidet, können derartige Figuren hervorgebracht werden. Läßt man z. B. Funken über Glas oder Glimmer gehen, so erscheint der Weg der Entladung in Gestalt geschlängelter Streifen, die im reflektierten Licht wie gefärbte, von scharfen dunkeln Linien eingefaßte Bänder, an jeder Seite mit einer hellen spiegelnden Franse, erscheinen (elektrische Farbenstreifen). Beim Behauchen bleiben verästelte Figuren auf der getrübten Fläche spiegelhell stehen (Rieß' Hauchfiguren). Legt man eine Münze auf eine Spiegelplatte, die auf einer mit der Erde leitend verbundenen Metallplatte ruht, und läßt elektrische Funken auf die Münze und von dieser auf die Platte überschlagen, so zeigt die Glasplatte beim Behauchen ein Abbild der Münze (Karstens Hauchbilder). Legt man eine dünne Glimmerplatte auf mit Jodkalium getränktes Papier und auf die Glimmerplatte eine Münze, so entsteht, wenn man auf letztere Funken überschlagen läßt, auf dem Papier durch Zersetzung des Jodkaliums ein elektrolytisches Bild. Auf photographischen Platten kann man den Lichtenbergschen Figuren verwandte verzweigte elektrische Bilder erhalten. Bringt man zwei spitze Elektroden einander gegenüber auf die beiden Seiten einer großen Glasplatte, so bedecken sich diese mit vielfach verästelten, rötlich leuchtenden Büscheln, wenn man den Elektroden hochgespannten Wechselstrom zuführt (Rosettis Figuren). Die Glasplatte erwärmt sich dabei und wird schließlich durchschlagen. In freier Luft bilden sich bei Entladung großer Elektrizitätsmengen aus einer Spitze gegen eine Schieferplatte Büschel, die Übergangsformen zum Lichtbogen darstellen (Büschellichtbogen) und aus hellen und dunkeln Schichten bestehen können. Ebenso kann man auch Übergänge zum Funken erhalten (Büschelfunken), die am einen Ende wie ein Funke gestaltet sind, am andern in einen Büschel auslaufen. Auf die Entladung im elektrischen Ei ist die Vorschaltung kleiner Funkenstrecken an der einen oder andern Elektrode von großem Einfluß. Während ohne solche Glimmentladung entsteht, bewirkt eine Funkenstrecke an der Kathode das Hervortreten einer streifenartigen positiven Lichtsäule (Streifenentladung), an der Anode büschelartige Verzweigung derselben (Büschelentladung), und beiderseitige Funkenstrecke bewirkt bei angeschalteten Kondensatoren Funkenentladung. Vgl. O. Lehmann, Die elektrischen Lichterscheinungen und Entladungen (Halle 1898) und »Annalen der Physik«, I, 1902.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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