Eiweißkörper

Eiweißkörper

Eiweißkörper (Albuminkörper, Albuminate, Proteïnstoffe), aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Schwefel und Sauerstoff bestehende Substanzen, die im Pflanzen- und Tierkörper als deren wichtigste Bestandteile vorkommen, aber bisher nicht künstlich dargestellt werden konnten. Die E. werden in der Pflanze gebildet und gehen wahrscheinlich aus Amidosubstanzen hervor (vgl. Ernährung der Pflanzen), sie finden sich zunächst am reichlichsten an den Stellen des lebhaftesten Wachstums, wandern aber von der Zeit der Samenbildung an in die Samen und werden hier als Reservestoffe für den Keimling abgelagert, während alle übrigen Teile der Pflanze an Eiweißstoffen verarmen. Das Tier besitzt nicht die Fähigkeit, E. neu zu bilden, es bedarf ihrer aber in größerer Menge als die Pflanzen und entnimmt sie diesen direkt oder indirekt, um sie in der mannigfachsten Weise umzubilden (s. Eiweiß) und zum Aufbau seiner Gewebe zu benutzen (Blutbildner). Bei den Pflanzen besteht das Gerüst aus Zellulose, gegen welche die E. stark zurücktreten, bei den Tieren bilden dagegen E., abgesehen vom Wasser, die Hauptmasse des Körpers. Alle Gewebe bestehen aus Eiweißkörpern, selbst in den Knochen ist phosphorsaurer Kalk innig mit solchen verbunden, auch in der Trockensubstanz der meisten tierischen Flüssigkeiten, soweit sie nicht Abfallprodukte sind, überwiegen E. Die Pflanzen bilden E., die Tiere wandeln sie um und verbrauchen sie, führen sie in einfachere Verbindungen über, deren letzte als Harnstoff ausgeschieden wird. Die E. bestehen in ziemlich konstantem Verhältnis aus Kohlenstoff (50,5–54,5 Proz.), Wasserstoff (6,9–7,3), Stickstoff (15,5–16,5), Sauerstoff (21–23,5), Schwefel (0,8–2,2 Proz.); einzelne enthalten auch Phosphor (0,4–0,8 Proz.). Die Konstitution der E. ist nicht bekannt, sie haben jedenfalls ein sehr hohes Molekulargewicht (für Eieralbumin wurde die Formel C239H386N58S2O78 und das Molekulargewicht 5378 berechnet) und eine in hohem Grad übereinstimmende Struktur, da die Ähnlichkeit ihres chemischen Verhaltens so groß ist, daß man kaum jemals über die Zugehörigkeit eines Körpers zu der Klasse im Zweifel sein kann. Die einzelnen E. zeigen wenig scharf ausgeprägte Eigenschaften, sie sind z. T. überaus leicht zersetzlich und daher schwierig rein darzustellen. Sie sind amorph, oft hornartig durchscheinend, doch kommen in frisch keimenden und lebhaft wachsenden Pflanzenteilen kristallisierte E. vor, und Hämoglobin, Hühnereiweiß und Serumalbumin können kristallisiert erhalten werden. Alle E. sind geruch- und geschmacklos. Einige sind in Wasser löslich, die wässerige Lösung ist etwas zäh, schäumt stark, diffundiert nicht durch tierische Häute oder Pergamentpapier und reagiert neutral. Manche E. lösen sich nur in Wasser, das Salze, Säuren oder Alkalien enthält, alle, auch die in den genannten Lösungsmitteln unlöslichen, lösen sich unter Zersetzung in Kali- und Natronlauge und in konzentrierten Mineralsäuren. In Alkohol sind die E. mehr oder weniger unlöslich. Die E. werden gefällt aus essigsaurer Lösung durch Gerbsäure oder Ferrocyankalium, aus salzsaurer durch Phosphorwolframsäure, aus neutraler oder saurer durch Bleiessig oder Ammoniak, ferner durch konzentrierte Salpetersäure im Überschuß und aus essigsaurer oder salzsaurer Lösung durch deren Sättigung mit Kochsalz, Ammonium-, Natrium-, Magnesiumsulfat. Aus neutraler oder ganz schwach saurer Lösung scheiden sich die E. beim Erhitzen aus. Die Lösung gerinnt (koaguliert), indem die E. in eine unlösliche Modifikation übergehen. In manchen Eiweißkörpern kann Wasserstoff durch Halogene vertreten werden. Jodeiweiße kommen in der Schilddrüse der Wirbeltiere, auch im Gerüst von Schwämmen und Korallen vor und entstehen bei Einwirkung von Jod auf die E. Sie enthalten 6–12 Proz. Jod, bilden braune, lockere Pulver, lösen sich nicht in Wasser, Alkohol und Äther, sehr leicht in Alkalien und kohlensauren Alkalien und werden z. T., wie auch entsprechende Bromverbindungen, arzneilich benutzt. Manche E. verbinden sich mit Säuren und Basen (Acidalbumine und Alkalialbuminate), bei stärkerer Einwirkung von Säuren oder Alkalien geben die E. zahlreiche Zersetzungsprodukte. Zunächst entstehen Albumosen, dann Peptone (die auch im Verdauungskanal gebildet werden) und in der Folge zahlreiche Zersetzungsprodukte (s. unten). Die E. unterliegen leicht der Fäulnis (s. d.), und hierbei werden, wie beim Schmelzen mit Ätzkali, mehrere der genannten Körper, auch Indol, Skatol, Phenyl- und Oxyphenylessigsäure, Essigsäure, Buttersäure, Baldriansäure, Bernsteinsäure etc. gebildet. Beim Erhitzen blähen sich die E. auf und entwickeln den Geruch nach versengten Haaren. Bei trockner Destillation geben sie empyreumatische Öle und kohlensaures Ammoniak nebst brennbaren Gasen. Eiweiß gibt mit Kalilauge und Kupfersulfat eine violette bis rote Färbung. Diese Reaktion hat es gemeinsam mit dem Biuret, einem Abkömmling des Harnstoffs, und da im Organismus fast der ganze Stickstoff des Eiweißes in Harnstoff verwandelt wird, so dürfte im Eiweißmolekül an irgend einer Stelle eine biuretähnliche Bindung vorhanden sein. Mit Millons Reagens gibt Eiweiß eine violettrote Färbung wie die einfachen hydroxylierten Benzolverbindungen und ihre Derivate, z. B. das Tyrosin. Da nun die E. bei der Spaltung reichlich Tyrosin liefern, so darf man einen tyrosinartigen Atomkomplex im Eiweißmolekül voraussetzen. Andre Reaktionen deuten auf einen zuckerartigen Atomkomplex. Von dem Schwefelgehalte des Eiweißes läßt sich genau die Hälfte als Schwefelwasserstoff abspalten, was auf verschiedene Bindung der im Molekül enthaltenen Schwefelatome hinweist. Endlich wird das Eiweiß durch dieselben Reagenzien wie die Alkaloide gefällt, was auf basische Atomkomplexe deutet. Bei der Spaltung des Eiweißes entstehen aliphatische Monamidosäuren (Glykokoll, Leucin, Monamidovaleriansäure, Asparaginsäure, Glutaminsäure); aromatische Produkte (Tyrosin [eine Monoamidosäure] und die nahe verwandten Indol, Skatol); schwefelhaltige Körper; ein Kohlehydrat; stark basische Körper (Lysin, Arginin, Histidin).

Manche Albumosen, die durch die Magenverdauung entstanden sind, das Nukleohiston aus den Leukozyten der Thymusdrüse und die Protamine wirken, ins Blut gebracht, stark giftig, auch das Rizin aus Rizinussamen und das Abrin (s. Abrus) sind starke Blutgifte. Man teilt die E. ein in 1) eigentliche E. a) Albumine: Serumalbumin, Eieralbumin, Milchalbumin; b) Globuline: Serumglobulin, Eierglobulin, Milchglobulin, Zellglobuline, Pflanzenglobuline; c) gerinnende Eiweiße: Fibrinogen, Myosin, Myogen, Kleberproteïn; d) Nukleoalbumine: Kaseïn, Vitelline, Phytovitelline, Nukleoalbumine des Zellprotoplasmas, schleimartige Nukleoalbumine. 2) Umwandlungsprodukte. a) Denaturiertes Eiweiß, Acidalbumine und Alkalialbuminate; Albumosen, Peptone und verwandte Körper. 3) Proteïde. a) Nukleoproteïde, Verbindungen der Nukleïnsäure mit Histon, Protamin, andern Eiweißen; b) Hämoglobine, Verbindungen des Hämatins mit Histon; c) Glykoproteïde, Verbindungen des Eiweißes mit Glukosamin und andern Kohlehydraten: Mucine, Mukoide, Helikoproteïd. 4) Albuminoide: Kollagen, Keratin, Elastin, Spongin, Fibroin etc., Amyloid, Albumoid, Farbstoffe, die aus Eiweiß entstehen. – Da für die E. gegenüber den andern Nahrungsstoffen der Stickstoffgehalt bezeichnend ist, so spricht man oft von der Bedeutung des Stickstoffes oder der stickstoffhaltigen Substanzen für die Ernährung und setzt dabei voraus, daß der Stickstoff in Form von Eiweißkörpern zugegen sei. Man ermittelt auch den Gehalt von Pflanzen- und Tierstoffen an Stickstoff und berechnet daraus den Gehalt an Eiweißkörpern, der aber auf diese Weise zu hoch gefunden wird, weil die Pflanzen- und Tierstoffe auch andre stickstoffhaltige Verbindungen (Amidokörper etc.) enthalten. Vgl. Cohnheim, Chemie der Eiweißkörper (Braunschw. 1900); Schulz, Die Kristallisation von Eiweißstoffen und ihre Bedeutung für die Eiweißchemie (Jena 1901); Finkler u. Lichtenfelt, Das Eiweiß in Hygiene und Wirtschaft der Ernährung (Bonn 1902).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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