Einigungsämter

Einigungsämter

Einigungsämter (Schieds- und Einigungskammern, Arbeiterschiedsgerichte, Boards of conciliation and arbitration, of labour) sind freiwillig gewählte, aus Arbeitgebern und Arbeitern zusammengesetzte Schiedsgerichte zur Schlichtung von Streitigkeiten über den Arbeitsvertrag (Lohnhöhe, Art der Lohnzahlung, Arbeitszeit, Fabrikordnung, Kündigungsfristen etc.). Ihre Aufgabe ist vorbeugender Art; während die Gewerbegerichte in erster Linie über Rechtsstreitigkeiten zwischen bestimmten Personen zu erkennen haben, treffen die E. mehr allgemeine statutarische Regelungen und entscheiden erst in zweiter Linie Streitigkeiten über die Anwendung getroffener Vereinbarungen. Sie haben demnach jene Gerichte zu ergänzen. Solche E. wurden zuerst in England durch das Parlamentsmitglied Mundella (1860) und den Grafschaftsrichter Kettle (1865) errichtet. Diese beiden sind die Urheber des Gesetzes, die E. betreffend (Arbitration Act vom 6. Aug. 1872), wonach die im Arbeitsvertrag ausgesprochene Verpflichtung, alle Streitigkeiten dem Einigungsamt zu unterbreiten, rechtliche Gültigkeit hat. Doch hat das Gesetz nur eine geringe praktische Bedeutung, weil die Verpflichtung nur da besteht, wo sie im Arbeitsvertrag enthalten ist, dieser Vertrag aber jederzeit gekündigt werden kann. In Belgien ist nach einem Gesetz vom 16. Aug. 1887 an jedem Ort, wo es zweckmäßig ist, ein aus einer gleichen Anzahl von Arbeitgebern und Arbeitern bestehender Industrie- und Arbeitsrat einzusetzen, der über die gemeinschaftlichen Interessen der Arbeitgeber und Arbeiter zu beraten und entstehende Differenzen zu schlichten hat. In Frankreich können nach dem Gesetz vom 27. Dez. 1892 Arbeitgeber, Arbeiter oder Angestellte untereinander entstandene Streitigkeiten, die eine Gesamtheit von Personen angehen und Arbeitsverhältnisse betreffen, sowie die sie trennenden Fragen einer Sühnekommission oder, falls eine Verständigung in dieser Kommission nicht zu stande kommt, einem Schiedsgericht unterbreiten. In Deutschland hatten Versuche, E. zu bilden, außer bei den Buchdruckern, nur wenig Erfolg. Das Gesetz vom 29. Juli 1890, betreffend die Gewerbegerichte (s. d.), hat inzwischen für Lösung eines großen Teiles den Einigungsämtern zugewiesener Aufgaben andre Wege gewiesen. Vgl. Kettle, Strikes and arbitrations (Lond. 1866); Mundella, Arbitration as a means of preventing strikes (Bradford 1868); Max Hirsch, Normalstatuten für E. (2. Aufl., Berl. 1874), Krebs, Organisation und Wirksamkeit der gewerblichen Schiedsgerichte (Zür. 1887); »Schriften dee Vereins für Sozialpolitik«, Bd. 2 u. 4 (Leipz. 1873 u. 1874); v. Schulze-Gävernitz, Zum sozialen Frieden, Bd. 2, S. 187 (das. 1890); K. Möller und W. Hirsch, Gewerbegerichte und E. in Deutschland und England (das. 1892).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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