Diógenes

Diógenes

Diógenes, 1) D. von Apollonia auf Kreta, auch D. von Smyrna genannt, ionischer Philosoph um 450 v. Chr., sah, wie vor ihm Anaximenes, die atmosphärische Luft als das Urwesen an, aus dem mittels Verdünnung und Verdichtung alles Einzelne entstanden sei, schrieb ihr aber nicht nur Leben, sondern auch Vernunft und Wissen zu. Die Fragmente seiner Schrift haben Panzerbieter (Leipz. 1830), Mullach (in den »Fragmenta philosophorum graecorum«, Bd. 1, Par. 1860) und Diels (in den »Fragmenten der Vorsokratiker«, Berl. 1903) gesammelt.

2) D. von Sinope, der »Hund«, von Platon der »rasende Sokrates« genannt, griech. Philosoph, einer der originellsten Sonderlinge des Altertums, geb. um 412 v. Chr. in Sinope am Pontus, nach andern 414 in Athen, gest. 323 oder 324 in Korinth, Schüler des Antisthenes (s. d.), den er in der praktischen Durchführung des Grundsatzes, »daß es göttlich sei, nichts zu bedürfen«, bald übertraf. Völlige Unabhängigkeit des Menschen von der Außenwelt und allen konventionellen Verhältnissen war ihm die Bedingung der wahren Tugend, so daß er in einem Fasse gewohnt, nur einen Mantel, einen Brotsack, einen Stecken und einen hölzernen Becher besessen und auch letztern weggeworfen haben soll, als er einen Knaben aus der hohlen Hand trinken sah. Er verhöhnte die Grammatiker, die des Ulysses Irrfahrten untersuchten, um ihre eignen Irrtümer aber sich nicht kümmerten, in ähnlicher Weise die Musiker und die Redner. Dem Platon, der einst den Menschen ein zweifüßiges Tier ohne Federn genannt hatte, soll er einen gerupften Hahn gebracht haben, den Schülern des Philosophen zurufend: »Seht, hier ist der Mensch des Platon«. Schon ziemlich vorgerückt in Jahren, ward er auf einer Fahrt nach Ägina von Seeräubern ergriffen und nach Kreta geschleppt, um daselbst als Sklave verkauft zu werden. Man erzählt, er habe da auf dem Markt gerufen: »Wer braucht einen Herrn? Wer mich kauft, muß bereit sein, mir zu gehorchen, wie große Herren ihren Ärzten«. Xeniades, ein Korinther, kaufte ihn, stellte ihn als Erzieher seiner Söhne an, welches Amt D. so verwaltete, daß er sich die volle Achtung des Xeniades und seiner Söhne erwarb, so daß er bei ihnen bis zum Ende seines Lebens blieb. In Korinth suchte ihn auch Alexander d. Gr. auf, dem er auf den Befehl, sich eine Gnade auszubitten, entgegnet haben soll: »Geh mir aus der Sonne«, worauf Alexander, beiseite tretend, gesagt habe: »Wäre ich nicht Alexander, so möchte ich wohl D. sein«. Viele andre Anekdoten wurden von ihm erzählt. In Korinth wie in Sinope wurden ihm Bildsäulen errichtet. Eine antike Statuette des Philosophen enthält die Villa Albani in Rom. Erhalten haben sich unter seinem Namen nur 51 entschieden unechte Briefe, herausgegeben in Herchers »Epistolographi graeci« (Par. 1873). Die ihm beigelegten Aussprüche und Fragmente finden sich in Mullachs »Fragmenta philosophorum graecorum«, Bd. 2 (Par. 1867). Vgl. Göttling, D. (in den »Gesammelten Abhandlungen«, Bd. 1, Halle 1851); Hermann, Zur Geschichte und Kritik des D. (Heilbronn 1860).

3) D. von Babylon, stoischer Philosoph aus Seleukia am Tigris, Schüler des Chrysippos, ward, als Haupt dieser Schule in hohem Ansehen flehend, mit dem Akademiker Karneades und dem Peripatetiker Kritolaos 155 v. Chr. nach Rom gesandt. Seine zahlreichen Schriften sind verloren gegangen. Vgl. Thiery, De Diogene Babylonio (Löwen 1830).

4) D. Laërtius, öfter Laërtius D. genannt, vielleicht aus Laërte in Kilikien gebürtig, griech. Schriftsteller. Seine Lebenszeit ist sehr unsicher. Nach einigen lebte er zu Ende des 2. und Anfang des 3. Jahrh. n. Chr., nach andern in der Mitte des 3. Jahrh. oder gar erst im Zeitalter Konstantins. Er schrieb u. d. T.: »De vitis, dogmatibus et apophthegmatibus clarorum virorum«, eine Art Geschichte der Philosophie in zehn Büchern, die nach einer Einleitung über den Ursprung der Philosophie die meisten Ionier, die Sokratiker, Akademiker, Peripatetiker, Kyniker und die Stoiker bis Chrysippos, dann den Pythagoras, Empedokles, Heraklitos, die Eleaten und Atomistiker und zuletzt mit besonderer Ausführlichkeit den Epikureismus behandelt und, wenn auch den Charakter einer kritik- und ordnungslosen Kompilation an sich tragend, doch als eine Hauptquelle für die Geschichte der alten Philosophie von großem Wert ist. Die bemerkenswertesten neuern Ausgaben sind von Hübner (Leipz. 1828–31, 2 Bde.) und von Cobet (Par. 1850); deutsche Übersetzungen von Snell (Gießen 1806, 2 Bde.) und Borheck (Leipz. 1809, 2 Bde.). Die Quellen des D. sind noch nicht ganz sichergestellt. Vgl. Nietzsche, Beiträge zur Quellenkunde und Kritik des Laërtius D. (Bas. 1870); Leo, D. Laërtius (in »Die griechischen Biographien nach ihrer literarischen Form«, Leipz. 1901).

5) D. Romanos, byzantin. Kaiser, s. Romanos 4).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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