Döllinger

Döllinger

Döllinger, 1) Ignaz, Mediziner, geb. 24. Mai 1770 in Bamberg, gest. 14. Jan. 1841 in München, studierte daselbst, in Würzburg, Wien und Pavia, wurde 1794 Professor in Bamberg, 1803 in Würzburg, 1823 in Landshut und 1826 in München. In Würzburg war D. zu Schelling in nähere Beziehungen getreten, dessen Einfluß sich in seinem »Grundriß der Naturlehre des menschlichen Organismus« (Bamb. 1805) deutlich zu erkennen gibt. Gestützt auf vergleichend-anatomische und physiologische Arbeiten seiner Schüler, wie v. Baer, Pander, D'Alton, begründete er eine wahrhaft wissenschaftliche Entwickelungsgeschichte der organischen Wesen. Er schrieb noch: »Wert und Bedeutung der vergleichenden Anatomie« (Würzb. 1814); »Beiträge zur Entwickelungsgeschichte des Gehirns« (Frankf. 1814); »Grundzüge der Physiologie« (Regensb. 1835, 2 Hefte); »Grundzüge der Entwickelung des Zell-, Knochen- und Blutsystems« (das. 1842). Vgl. J. Walter, Rede zum Andenken an Ignaz D. (Münch. 1841).

2) Johann Joseph Ignaz, berühmter katholischer Theolog, Sohn des vorigen, geb. 28. Febr. 1799 in Bamberg, gest. 10. Jan. 1890 in München, ward 1822 Kaplan in der Bamberger Diözese, 1823 Lehrer am Lyzeum zu Aschaffenburg, 1826 außerordentlicher und 1827 ordentlicher Professor der Kirchengeschichte und des Kirchenrechts in München. Zu dieser Würde traten mit der Zeit die eines Mitgliedes der Akademie der Wissenschaften (1838), Propstes zu St. Cajetan (1847) und Reichsrates (1868). Auch war er Mitglied der bayrischen Ständekammer seit 1845 und dann wieder seit 1849 sowie 1848 und 1849 Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung. Für die durchaus ultramontane Tendenz, von der seine damalige Wirksamkeit geleitet war, sind unter seinen zahlreichen Schriften am bezeichnendsten: »Lehrbuch der Kirchengeschichte« (Regensb. 1836; 2. Aufl. 1843, 2 Bde.); »Die Reformation, ihre innere Entwickelung und ihre Wirkungen« (das. 1846–48, 3 Bde.; Bd. 1, 2. Aufl. 1851) und »Luther, eine Skizze« (Freiburg 1851, neuer Abdruck 1890). Aber seit seiner Romreise von 1857, seit dem italienischen Kriege von 1859 und noch mehr seit dem vatikanischen Konzil von 1870 trat ein Umschwung in Döllingers Überzeugungen ein, der sich zuerst 1861 in zwei zu München gehaltenen Vorträgen offenbarte, in denen die Möglichkeit einer völligen Aufhebung der weltlichen Gewalt des Papstes dargelegt war. Schon jetzt stark angefeindet, unterwarf er sich zwar und zog in der Schrift »Kirche und Kirchen, Papsttum und Kirchenstaat« (Münch. 1861) noch einmal gegen den Protestantismus zu Felde, nachdem schon gründliche wissenschaftliche Leistungen in seinen Schriften: »Hippolytus und Kallistus« (Regensb. 1853), »Heidentum und Judentum, Vorhalle zur Geschichte des Christentums« (das. 1857), »Christentum und Kirche in der Zeit der Grundlegung« (das. 1860, 2. Aufl. 1868) erschienen waren. Einen neuen Schritt vorwärts tat er aber 1863, als er auf der Versammlung katholischer Gelehrten in München eine Rede über »Vergangenheit und Gegenwart der katholischen Theologie« (Regensb. 1863) hielt und bald darauf sein Werk »Die Papstfabeln des Mittelalters« (Münch. 1863; 2. Aufl., Stuttg. 1890) erscheinen ließ. Eine scharfe Kritik des Syllabus und auch der bereits in der Luft liegenden Unfehlbarkeitslehre enthielt das von ihm und seinen Kollegen Friedrich und Huber ausgearbeitete Buch »Janus« (Leipz. 1869; 2. Aufl. u. d. T.: »Das Papsttum«, Münch. 1891). Während des Konzils erhob er von München aus in zwei Gutachten vergeblich seine warnende Stimme gegen die Verkündigung der päpstlichen Unfehlbarkeit und gab das Signal zur Entstehung des Altkatholizismus (s. d.). Dieser nahm nun freilich schon auf seinem ersten Kongreß zu München durch sein Vorgehen zu selbständiger Gemeindebildung (23. Sept. 1871) eine Wendung, in deren Folge D., der bloß den Standpunkt der Notwehr innerhalb der alten Verfassung einzuhalten gedachte, sich nicht mehr persönlich an der Weiterentwickelung der Sache beteiligte. Wie wenig aber damit ein Rückschritt in der Richtung nach Rom verbunden und beabsichtigt war, zeigten gleich 1872 seine Vorträge über »Die Wiedervereinigung der christlichen Kirche«, ein wahrhaft versöhnender Abschluß der hochbedeutenden und in vieler Beziehung tragischen Wirksamkeit Döllingers, dem um diese Zeit die Universitäten zu Wien, Marburg, Oxford und Edinburg den juristischen und philosophischen Doktorhut verliehen, während die zu München ihn zum Rektor wählte. Als Frucht seiner gelehrten Muße erschienen noch: »Ungedruckte Berichte und Tagebücher« (Nördlingen 1876, 2 Tle.) mit der Fortsetzung »Briefe und Erklärungen über die vatikanischen Dekrete« (Münch. 1890); »Akademische Vorträge« (Nördling. 1888–91, 3 Bde.; 1. Bd. in 2. Aufl. 1890); »Geschichte der Moralstreitigkeiten in der römisch-katholischen Kirche seit dem 16. Jahrhundert« (mit Reusch, das. 1888, 2 Bde.); »Beiträge zur Sektengeschichte« (Münch. 1889); die »Selbstbiographie des Kardinals Bellarmin« (mit Reusch, Bonn 1886). »Kleinere Schriften« von ihm gab Reusch heraus (Stuttg. 1890). Vgl. Luise v. Kobell, Ignaz v. D., Erinnerungen (Münch. 1891); Friedrich, Ignaz v. D. (das. 1899–1901, 3 Bde.).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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