Bremen [4]

Bremen [4]

Bremen (hierzu der Stadtplan mit Karte »Gebiet der Freien Hansestadt Bremen« und Nebenkärtchen des Freihafengebiets, mit Registerblatt), Hauptstadt des gleichnamigen Freistaates, zugleich eine der ersten Handelsstädte Deutschlands.

Wappen von Bremen.
Wappen von Bremen.

B. liegt unter 53°5' nördl. Br. und 8°48' östl. L. in 5 m Höhe in einer einförmigen Ebene, zu beiden Seiten der Weser und besteht aus vier Teilen: der auf dem rechten Ufer gelegenen, von der Weser und den Wallanlagen begrenzten Altstadt, den diese im Halbkreise umgebenden Vorstädten (östliche, nördliche und westliche), der auf dem linken Ufer gelegenen, 1623–27 aus militärischen Gründen angelegten Neustadt und der dieser sich südlich und westlich jenseit des ehemaligen Festungsgrabens anschließenden Südervorstadt. Die Altstadt und Neustadt sind seit alter Zeit durch die nahe am Südostende der Stadt gelegene Große Weserbrücke und ihre Fortsetzung, die Kleine Weserbrücke, miteinander verbunden; in der Mitte der Altstadt führt die 1872–75 erbaute Kaiserbrücke direkt nach dem Teerhof und der Neustadt hinüber; am untern Ende der Altstadt bildet außerdem die Eisenbahnbrücke der B.-Oldenburger Bahn (1866 vollendet) eine für Fußgänger gangbare Verbindung. Die Altstadt, neuerdings durch Verbreiterung der Hauptstraßen vielfach umgestaltet, besitzt noch viele alte Häuser mit mächtigen Giebeln und vielen übereinander getürmten Böden; sie ist der Sitz des Großhandels. Den Mittelpunkt derselben bilden der Markt, der Domshof und die Domsheide, um die sich die wichtigsten öffentlichen Bauten gruppieren. Die Neustadt hat durchweg breite, gerade Straßen; in ihr überwiegen das Kleingeschäft, die Packhäuser und Fabriken. Die Südervorstadt besitzt einige Fabriken und ist vorzugsweise von Arbeitern bewohnt. Die erst in den letzten 70 Jahren entstandenen Vorstädte enthalten überwiegend Privatwohnungen und machen mit ihren geraden, breiten und reinlichen Straßen und ihren vielfach mit Veranden, Terrassen und Vorgärten gezierten Häusern einen sehr freundlichen Eindruck. Bezeichnend ist hier auch das Fehlen großer Mietskasernen; mehr als in andern deutschen Großstädten bewohnt hier noch je eine Familie ein Haus allein; daher denn auch die weitläufige Anlage der Stadt (23,11 qkm Areal). Die östliche Vorstadt ist vorzugsweise Wohnsitz der wohlhabenden Bevölkerung; die nördliche Vorstadt erhält durch die Umgebung des Bahnhofs, wo Gasthöfe und Wirtschaften vorherrschen, einen besondern Charakter; an sie schließt sich jenseit des Bahndammes und längs des Bürgerparks ein neues, villenartiges Viertel. In der westlichen Vorstadt hat sich in der Nähe des Freihafengebiets die Großindustrie (Reismühlen, Maschinenfabriken, Petroleumraffinerie, Jutespinnerei) angesiedelt. Hier liegt auch der am 15. Okt. 1888 dem Verkehr übergebene, mit einem Kostenaufwand von ca. 25 Mill. Mk. errichtete Freihafen, 2000 m lang, 120 m breit, 6,8 m tief, eingeschlossen von großartigen Speichern, Lösch- und Ladeeinrichtungen. Erweiterungen des Freihafens sind teils ausgeführt, teils im Werke.

[Bauwerke.] Die Stadt B. hat 17 Kirchen; davon liegen in der Altstadt: der St. Petri-Dom (früher erzbischöfliche Kathedrale, jetzt lutherische Hauptkirche), die Liebfrauenkirche, die Martinikirche, die Ansgariikirche, die Stephanikirche sowie die den Katholiken überwiesene Johanniskirche; in der Neustadt: die Paulikirche; in den Vorstädten: die nach den Plänen des Architekten Heinrich Müller 1869–71 neuerbaute Rembertikirche, die Jakobikirche, die Friedens-, die Michaelis- und die Willehadikirche, die Zionskirche (1894), die katholische St. Raphaelkirche (1899), die Methodisten- und die Baptistenkapelle. Die wenigen in B. wohnenden Juden haben eine kleine Synagoge. Architektonisch bemerkenswert ist der Dom, dessen älteste Teile dem 11. Jahrh. angehören (vgl. Müller, Der Dom zu B. und seine Kunstdenkmale, Brem. 1861), mit schönen Glasfenstern und einer herrlichen Orgel; in einem kryptaähnlichen Seitengewölbe befindet sich der »Bleikeller«, in dem infolge der trocknen Luft die aufbewahrten Leichen zu Mumien austrocknen. Seit 1888 wurde der Dom, dessen Türme bis dahin baufällig waren, vollständig im Innern und Äußern durch den Dombaumeister Salzmann restauriert. Der höchste Turm der Stadt ist der der St. Ansgariikirche (etwa 97 m). Hervorragende Gebäude sind: das prächtige Rathaus (1404–1407 gebaut, doch stammt die Renaissancefassade erst aus den Jahren 1609–1612), der Schütting (das Haus der Handelskammer, 1537–94 erbaut), die Börse (ein prächtiges gotisches Gebäude, 1861–64 von Heinrich Müller erbaut), die stattliche, nach amerikanischem System erbaute Baumwollbörse (von Joh. Poppe 1899–1902), das Gebäude des Kaufmännischen Vereins, beide an der Wachtstraße, das Gebäude der Wasserleitung, die Hauptschule, die Realschule beim Doventor, das Reichspostgebäude an der Domsheide (1878 vollendet), das reich verzierte Gerichtsgebäude (von Klingenberg und Weber, 1893–95) an der Domsheide, das Gebäude der Reichsbank, das der alten Sparkasse an der Obernstraße, das Gewerbehaus (früher Krameramthaus, 1619–21 erbaut), das Haus »Seefahrt« mit Wohnungen für Witwen von Seeleuten (vgl. Kohl, Das Haus Seefahrt zu B., 1862), das Museum (ein großartiges Klublokal), das Gebäude des Künstlervereins mit herrlichem Konzertsaal und schöner, gotisch gewölbter Halle für geselligen Verkehr, die neuerdings erweiterte Kunsthalle (für Gemälde, Kupferstiche und Skulpturen), die Stadtwage (ein altes Giebelhaus auf der Langen Straße), die bei dem Dorf Oslebshausen neuerbaute Strafanstalt, das große Krankenhaus, das Siechenhaus, das Diakonissenhaus, das St. Josephsstift, die öffentliche Badeanstalt (1877 vollendet), der 1882 vollendete Schlachthof, der Bahnhof (1889), der Rutenhof, die Deutsche Bank und das Museum für Natur-, Völker- und Handelskunde (1895) am Bahnhof. Unter dem Rathaus befindet sich der berühmte Ratskeller, den Wilh. Hauff durch seine »Phantasien« poetisch verherrlicht hat (vgl. Kohl, Der Ratsweinkeller zu B., 1866). Die ältesten Weine liegen in einem mit der Kolossaldarstellung einer Rose geschmückten Keller (Rosenwein, der älteste ist 1653er Rüdesheimer) und in zwölf Fässern, welche die Namen der zwölf Apostel tragen.

Von öffentlichen Denkmälern sind zu erwähnen: der berühmte Roland, ein steinernes, 9,6 m hohes Standbild auf dem Markt, 1404 aufgerichtet als Symbol der Gerichtsbarkeit der Stadt (vgl. Sello, Der Roland zu B., 1901), das Vasmerkreuz zur Erinnerung an den 1430 hier enthaupteten Bürgermeister Johann Vasmer; das Marmorstandbild des Bürgermeisters Johann Smidt auf der obern Rathaushalle und das Denkmal des Astronomen Olbers auf dem Wall (beide von K. Steinhäuser); der Willehadibrunnen vor dem Dom; das Denkmal des heil. Ansgarius vor der Ansgariikirche und die Marmorvase auf dem Wall, einen alten Bremer Gebrauch, den Umzug der Klosterochsen, allegorisch darstellend (beide ebenfalls von Steinhäuser); die prächtige, von Fogelberg modellierte Statue König Gustav Adolfs auf der Domsheide (dieselbe strandete bei Helgoland, wurde dann aus dem Meer gehoben und von einigen Bremer Bürgern der Stadt geschenkt); das Kriegerdenkmal von Robert Keil auf einer Bastion des Walles, westlich vom Ansgariitor (errichtet 1875); das Altmann-Denkmal auf dem Wall zur Erinnerung an den Gärtner Altmann, der die Festungswerke der Stadt in Gartenanlagen umschuf; das Seume-Denkmal an der großen Weserbrücke, zur Erinnerung an die Entweichung Seumes aus der Gewalt hessischer Werber; das Körner-Denkmal auf dem Körnerwall und die Statue des Apostels Jakobus (S. Jacobus major) an der Wüstestätte (im Volk als »Juxmajor« bekannt), das am 18. Okt. 1893 enthüllte Reiterstandbild Kaiser Wilhelms I. (von Bärwald modelliert), westlich vor dem Rathaus, und als neuestes die Bronzegruppe »der Rosselenker« von Tuaillon in den Anlagen beim Theater. Brunnen von künstlerischer Bedeutung sind der Kentauren-, der Turmbläser- und der Teichmannbrunnen. Medaillons und Gedenktafeln gibt es für den Astronomen Olbers, den Bürgermeister Smidt, den Liederdichter Neander, den Astronomen Bessel, den Physiologen Gottfr. R. Treviranus, den Geographen J. G. Kohl, den Lloydkapitän v. Gössel.

[Bevölkerung, Bildungsanstalten etc.] Die Einwohnerzahl der Stadt B. (zu Anfang dieses Jahrhunderts auf 35,000 geschätzt) beträgt seit Anschluß einiger Landgemeinden (1. April 1902) 186,622; davon entfallen auf die Altstadt 19,637, auf die Neustadt 14,167, auf die Vorstädte 132,347 und auf die angeschlossenen Vororte Walle-Gröpelingen, Hastedt-Schwachhausen u. Woltmershausen zusammen 20,671. Dem Religionsbekenntnis nach gab es 1. Dez. 1900 etwa 94 Proz. Evangelische, 4,9 Proz. Katholiken, etwa 820 Israeliten und 980 Angehörige andrer Bekenntnisse.

Die Zahl der Volksschulen beträgt etwa 30. An höhern Schulen gibt es eine Hauptschule, aus Gymnasium und Handelsschule (Oberrealschule) bestehend (von 1905 an werden 2 Gymnasien, ein Realgymnasium und eine Oberrealschule vorhanden sein), 2 städtische Realschulen und 7 höhere Privatmädchenschulen. An höhern Fachschulen bestehen ein Volksschullehrerseminar, 2 Privatlehrerinnenseminare, eine Seefahrtschule, ein Technikum und eine landwirtschaftliche Winterschule. An Fachschulen sind vorhanden: die gewerbliche Fortbildungs-, die gewerbliche Zeichen- und die Knabenzeichenschule, eine Knabenhandarbeitsschule, mehrere Haushaltungsschulen, Fortbildungsschulen für junge Kaufleute, eine Fortbildungsschule für Frauen und Mädchen und eine Taubstummenanstalt. An wissenschaftlichen und Kunstinstituten bestehen: eine Stadtbibliothek, eine städtische Sammlung für Natur-, Völker- und Handelskunde (hervorragend sind die Tiergruppen und die Sammlungen von Warenproben), eine Moorversuchsstation, ein chemisches Staatslaboratorium, ein meteorologisches Observatorium, eine Kunsthalle, ein Kunstgewerbemuseum und ein Theater. Die Musik findet in B. durch die philharmonischen Konzerte, durch ein Konservatorium und eine große Anzahl von Gesang- und Musikvereinen vielfache Pflege. Unter den in B. erscheinenden Zeitungen und Zeitschriften sind hervorzuheben: die liberale »Weser-Zeitung«, die »Bremer Nachrichten«, »Niedersachsen«, das »Deutsche Protestantenblatt«, die »Naturwissenschaftlichen Abhandlungen« (hrsg. vom Naturwissenschaftlichen Verein), die »Deutschen Geographischen Blätter« (hrsg. von der Geographischen Gesellschaft).

Unter den zahlreichen Wohltätigkeitsanstalten sind die wichtigsten: die allgemeine Krankenanstalt (mit einer Irrenanstalt), ein Kinderkrankenhaus, 3 andre Krankenhäuser, ein Siechenhaus (Kahrwegs Asyl), ein Armenhaus, 3 Waisenhäuser, 2 Erziehungsanstalten für verwahrloste Kinder, mehrere Kinderbewahranstalten und das Haus »Seefahrt«, über dessen Portal der bekannte Spruch »Navigare necesse est, vivere non necesse est« steht. Auch die Zentralstelle der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger befindet sich in B.

[Industrie.] Die Großindustrie hat sich vorzugsweise in den Zweigen reger entwickelt, die mit Handel u. Schiffahrt in enger Beziehung stehen, so der Schiffbau, die Eisengießerei, der Maschinenbau und die Tauwerkfabrikation, ferner die Verarbeitung von Kolonialerzeugnissen. Von Bedeutung sind ferner die Reisschäl- und Reisstärkefabrikation, die Petroleumraffinerie, die Exportbrauerei, Fabriken für Spirituosen, Zigarrenkisten und Stuhlrohr, die Jutespinnerei, die Gold- und Silberwarenfabrikation, die Tabak- und Zigarrenfabrikation; doch hat sich diese letztere mehr und mehr nach den benachbarten Orten (Hemelingen, Burg-Lesum, Delmenhorst, Achim, Osterholz-Scharmbeck) verzogen. Einige größere gewerbliche Anlagen, die mit bremischem Kapital geschaffen worden, befinden sich in den Nachbarorten; so eine Wollwäscherei in Burg-Lesum, eine Wollkämmerei in Blumenthal, eine Baumwollspinnerei und -Weberei in Grohn-Vegesack, eine Wollkämmerei, Jutespinnerei u. Linoleumfabrik in Delmenhorst, eine Aluminium- und Magnesiumfabrik sowie Jutespinnerei und -Weberei in Hemelingen. Die hauptsächlichsten Ausfuhrgegenstände bremischen Gewerbfleißes sind polierter Reis, Bier, Stärke und Reisabfall, raffiniertes Petroleum, Zigarrenkistenbretter, Silberwaren, Tauwerk, Tabaklauge.

[Handel.] Seinen Weltruf verdankt B. lediglich dem Handel und der Schiffahrt; es ist nächst Hamburg der bedeutendste Seehandelsplatz des Deutschen Reiches. Allerdings war die weite Entfernung von der See sowie die geringe Tiefe der Weser lange Zeit dem Aufschwunge von Bremens Handel und Verkehr ungünstig. Doch gewann man durch die Anlage von Bremerhaven (1827–30) einen Seehafen und ermöglichte durch die unter Leitung des Oberbaudirektors Franzius mit einem Kostenaufwand von 36 Mill. Mk. durchgeführte Korrektion der Unterweser Schiffen bis zu 5 m Tiefgang das Heraufkommen nach B. selbst. 1901 betrug der Schiffahrtsverkehr im Freihafen 4093 angekommene Fahrzeuge mit 3,791,779 cbm Raumgehalt. Die Eigenart des Bremer Handels besteht darin, daß er in weit größerm Umfang Einfuhr- als Ausfuhrhandel ist, und ferner darin, daß sich ersterer auf nur wenige Artikel beschränkt, in diesen aber eine Stellung ersten Ranges einnimmt. In zwei Artikeln, Tabak und Reis, ist B. der größte Markt der Welt; für Baumwolle und Indigo stellt es den ersten Platz des europäischen Kontinents dar; in Schafwolle und Petroleum endlich rivalisiert es erfolgreich mit Antwerpen und Hamburg. Auch bedeutende Mengen Zucker sind in den letzten Jahren über B. gegangen. Einfuhr der wichtigsten Produkte 1899–1901:

Tabelle

Nach den in nachstehender Tabelle bezeichneten Warengattungen zusammengefaßt, zeigt der Handelsverkehr 1901 folgende Werte (in Tausenden Mark):

Tabelle

Die Gesamteinfuhr erreichte 1901 einen Wert von rund 1067 Mill. Mk. Die Ausfuhr betrug 1901 rund 1005 Mill. Mk. Auf die einzelnen Erdteile und Länder verteilt sich 1901 die Ein- und Ausfuhr folgendermaßen (in Tausenden Mark):

Tabelle

Die Entwickelung des Bremer Handels in den letzten Jahrzehnten zeigt folgende Tabelle der Durchschnittswerte (in Millionen Mark):

Tabelle

Ein- und Ausfuhr haben sich also seit 1847 mehr als verneunfacht. B. hat zahlreiche Versicherungsgesellschaften für alle Geschäftszweige. Im Seeversicherungsgeschäft waren 1901: 723,39 Mill. Mk. versichert, davon 15,49 Proz. bei Bremer und 84,51 Proz. bei fremden Gesellschaften. An Banken sind vorhanden: die Bremer Bank (Filiale der Dresdener Bank), die Deutsche Nationalbank, die Bremische Hypothekenbank, die Bank für Handel und Gewerbe, die Reichsbankhauptstelle, eine Filiale der Deutschen Bank in Berlin und eine der Niedersächsischen Bank, außerdem mehrere Privatbankgeschäfte. Viele deutsche und die meisten auswärtigen Staaten sind in B. durch Konsulate vertreten. Die Börse von B. vereinigt alle Gattungen von Börsengeschäften; besonders wichtig ist sie für Baumwolle, Tabak, Petroleum und Reis. 1901 wurde sie von 864 Firmen besucht.

[Verkehr.] Die Handelsflotte Bremens umfaßte 1901: 600 Seeschiffe (davon 242 Dampfer) mit 634,726 Reg.-Ton. und einer Bemannung von 25,827 Personen. Unter den sieben Schiffahrtsgesellschaften nimmt die des Norddeutschen Lloyd (s.d.) die erste Stelle ein (vgl. M. Lindeman, Der Norddeutsche Lloyd; Geschichte und Handbuch, 1892, sowie die Schrift: »Norddeutscher Lloyd Bremen«, 1901). Die Seedampferflotte desselben betrug Ende 1901: 113 Fahrzeuge mit 465,003 Registertonnen Brutto = 281,481 Netto (12 Schiffe im Bau). Er vermittelt den Verkehr zwischen B. und Nord-, Mittel-, Südamerika, Ostasien, Australien; zwischen Genua, Neapel und New York, außerdem eine ausgedehnte Schiffahrt im Indisch-Chinesischen Meer und auf dem Jangtsekiang; endlich Verkehr nach den Nordseebädern und auf der Unterweser. Eine hervorragende Bedeutung hat B. als Auswandererplatz; von 1832 bis Ende 1901 sind etwa 3,7 Mill. Personen über B. befördert worden. 1901 betrug die Zahl der direkt beförderten Personen 108,309, davon 9038 aus dem Deutschen Reich, 99,240 aus dem übrigen Europa. 1901 zeigte der Seeverkehr Bremens folgendes Bild:

Tabelle

Der Verkehr auf der Unterweser betrug 1901: 5379 ankommende Schiffe mit 845,643 Registertonnen und 5405 abgehende Schiffe mit 878,378 Reg.-Ton.; auf der Oberweser kamen an 1751 (316,467 Reg.-Ton.) u. gingen ab 1690 Schiffe (312,882 Reg.-Ton.). Dem Verkehr Bremens zu Lande dienen folgende Eisenbahnlinien: Bremerhaven-Wunstorf-Hannover, B.-Harburg, B.-Stendal-Magdeburg und Wanne-B. der Preußischen Staatsbahn und B.-Oldenburg-Neuschanz der Oldenburgischen Staatsbahn, außerdem B.-Farge und B.-Tarmstedt. Für den Fernsprechverkehr bestehen 1901: 3266 Sprechstellen. Den Verkehr in der Stadt und mit den Vororten vermittelt ein ausgedehntes elektrisches Straßenbahnnetz. Außerdem gibt es etwa 150 Droschken.

Behörden. Die Verwaltung der städtischen Angelegenheiten ist von der Staatsverwaltung nicht getrennt (s. oben). Von den Reichsbehörden, die in B. ihren Sitz haben, sind zu erwähnen: die Oberpostdirektion, das Betriebsamt der königlich preußischen Eisenbahndirektion Hannover und die Reichsbankhauptstelle. Auch der Stab des 1. hanseatischen Infanterieregiments Nr. 75 liegt in B.

Die nähere Umgebung der Stadt bietet landschaftlich wenig Abwechselung; um so wertvoller ist deshalb der im Nordosten der Stadt liegende 140 Hektar große Bürgerpark (vgl. den Stadtplan) mit ausgedehnten Waldpartien, Seen und Wasserzügen, der 1866–84 aus freiwilligen Beiträgen angelegt wurde. In den benachbarten Dörfern Schwachhausen, Horn, Oberneuland sowie namentlich an dem steilen Uferrande der Lesum finden sich viele Landhäuser Bremer Familien. Weiter entfernte beliebte Ausflugspunkte sind Blumenthal, Lilienthal, Syke, die Badener Berge, das Steimmer Gehölz, Vegesack, Osterholz-Scharmbeck, der Weyher Berg (Malerkolonien), der Hasbruchwald und der Zwischenahner See.

Geschichte.

Unter dem Namen Bremun (lat. Brema) wird die Stadt zuerst 787 urkundlich erwähnt, in welchem Jahre Karl d. Gr. daselbst ein Bistum gründete (s. S. 376f.). Im J. 965 erhielt sie von Otto I. Marktrecht und 967 der Erzbischof die gräfliche Gerichtsbarkeit in seinem Stifte. Das erste kaiserliche Privilegium für B. ist von 1186, und damals erfolgte wahrscheinlich die Bildung eines Stadtrats, dessen Wahlordnung und Befugnisse 1246 festgesetzt wurden. Trotz der Abhängigkeit vom Erzbischof gewann die Stadt eine ziemlich selbständige Stellung, schloß Handelsverträge, gewann Privilegien, namentlich in Norwegen und England, und erwarb Schlösser und Besitzungen in der Umgegend und in Friesland. Sie trat der Hansa bei, wurde aber 1285 aus dem Bund ausgeschlossen und erst 1358 wieder aufgenommen. Innere Unruhen führten 1427 zu einer neuen Ausschließung; B. geriet in Acht und Interdikt; doch wurde 1433 durch Vermittelung einiger Hansestädte die alte aristokratische Verfassung wiederhergestellt und die sogen. »Eintracht« oder »Tafel« vereinbart, B. auch wieder in die Hansa aufgenommen. Die Reformation fand in B. schon 1522 durch die Predigten Heinrichs von Zütphen Eingang. 1532 trat die Stadt dem Schmalkaldischen Bunde bei, hielt 1547 eine Belagerung durch die Kaiserlichen unerschrocken aus und wurde schließlich durch den Sieg des Grafen Albrecht von Mansfeld bei Drakenburg gerettet. Wenige Jahre später führte der Fanatismus lutherischer Geistlicher, besonders der Prediger Timann und später Musäus, gegenüber der durch Hardenberg vertretenen gemäßigten Richtung Unruhen herbei, die erst 1568 durch den Vertrag von Verden beendet wurden, und in denen die energische Haltung des Bürgermeisters Daniel von Büren der gemäßigten Partei zum Siege verhalf. 1618 wurde die reformierte Lehre als Staatsreligion angenommen. Kaiser Ferdinand III. verlieh 1646 der Stadt die Freiheiten einer Reichsstadt, doch Schweden, das 1648 das Erzbistum B. erhielt, wollte dies nicht anerkennen, konnte jedoch 1666 im sogen. Bremischen Krieg seine Ansprüche nicht durchsetzen, weil sich die benachbarten Fürsten der Stadt annahmen. Erst der Kurfürst Georg von Hannover, der 1720 das Erzstift erwarb, erkannte die Reichsfreiheit Bremens an. 1803 blieb B. Freie Reichsstadt und erhielt sogar eine Gebietsvergrößerung. Napoleon I. zog die Stadt zum französischen Reich und machte sie zur Hauptstadt des Departements der Wesermündungen. Am 15. Okt. 1813 wurde sie von einer Streifschar unter Tettenborn eingenommen und 1815 zur Freien Stadt des Deutschen Bundes erklärt. Seitdem begannen in B. heftige innere Kämpfe. Die frühere Verfassung war aristokratisch gewesen; auch die »Neue Eintracht«, die nach einer demokratischen Bewegung 1534 vereinbart war, hatte den Rat im Besitz der Herrschaft gelassen. Nach dem Sturz Napoleons bewilligte der Rat 23. Febr. 1816 aus freien Stücken der Bürgerschaft eine geregelte Teilnahme an der Wahl des Rates an Stelle der Kooptation. An der Spitze des Staates standen nun der Senat (4 Bürgermeister und 24 Senatoren) und die Bürgerschaft (500 Mitglieder nebst den aus 20 Großkaufleuten bestehenden Altermännern). Im März 1848 kam es in B. zu stürmischen Auftritten, welche die Einführung einer neuen Verfassung zur Folge hatten. Dieselbe trat zwar 18. April 1849 ins Leben, war aber nicht von Bestand. Unter dem Schutz eines Bundeskommissars, des hannöverschen Generals Jakobi, suspendierte der Senat im März 1852 die Gesetze über Presse und Vereinsrecht, löste die Bürgerschaft auf und beschränkte mittels eines oktroyierten Wahlgesetzes die Vertretung der Bürgerschaft auf 150 Mitglieder, mit denen sich der Senat 1854 über wesentliche Beschränkungen der Märzerrungenschaften einigte. Die militärische Verteidigung Bremerhavens wurde 1853 von Hannover gegen Entschädigung übernommen. In die neue Gestaltung Deutschlands trat B. bereitwillig ein, sandte bisher stets national gesinnte Vertreter in den Reichstag, beteiligte sich auch am französischen Krieg in opferfreudiger Weise und gab 1884 auch seine Zustimmung zur Aufhebung seiner Freihafenstellung. Am 1. Jan. 1894 wurde eine neue Verfassung gegeben, die in der Zusammensetzung der Bürgerschaft Änderungen und für einen Teil davon direkte Wahl einführte; bei den Neuwahlen zur Bürgerschaft im Dezember 1902 stieg die Zahl der sozialdemokratischen Vertreter von 11 auf 19.

[Literatur.] Vgl. Buchenau, Die freie Hansastadt B. (3. Aufl., Brem. 1900); »Die freie Hansestadt B. und Umgegend« (10. Aufl., das. 1900); »B. und seine Bauten« (hrsg. vom Architekten- und Ingenieurverein, das. 1900); Halenbeck, 50 Ausflüge in die Umgegend Bremens (das. 1893); das amtliche »Staatshandbuch der freien Hansastadt B.« (jährlich), das »Jahrbuch für bremische Statistik«, »Monatsberichte des Bremischen Statistischen Amtes«; Duntze, Geschichte der Freien Stadt B. (das. 1842–51, 4 Bde.); v. Bippen, Geschichte der Stadt B. (das. 1892–98, Bd. 1 u. 2); Misegaes, Chronik der freien Hansestadt B. (das. 1828–33, 3 Bde.); Donandt, Geschichte des Bremer Stadtrechts (das. 1830, 2 Bde.); »Bremisches Urkundenbuch« (hrsg. von Ehmck und v. Bippen, das. 1853–93, 5 Bde.) und die vom Künstlerverein hrsg. Werke: »Bremisches Jahrbuch« (histor. Inhalts, das. 1864–1900, 19 Bde.) und »Denkmale der Geschichte und Kunst der freien Hansastadt B.« (das. 1864–70, 3 Bde.). –Karten: Thätjenhorst und Duntze, Karte vom Gebiete der Hansestadt B. (4. Aufl. 1882); Karte des Deutschen Reiches, 1: 100,000, Bl. 206 und 207, u. die betr. Nummern der preuß. Meßtischblätter.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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