Bornu

Bornu

Bornu, ehemaliges Reich im mittlern Sudân, das mit Kanem (s.d.) und dem von beiden eingeschlossenen Tsadsee 242,701 qkm umfaßte, jetzt aber zwischen Großbritannien, Deutschland und Frankreich aufgeteilt worden ist. S. Karte bei Art. »Guinea«. Das Land ist eine weite Tiefebene, nur im W. und SW. erheben sich Bergzüge bis zu 600 m. Die Flüsse ziehen sämtlich zum Tsadsee, dessen bedeutendster Zufluß, der Schari, die Ostgrenze bildet, während der Komadugu, der als Waube von Sokoto aus ins Land tritt, dieses in seiner ganzen Länge durchschneidet, in der Trockenzeit aber wasserarm ist. Das Klima ist heiß und feucht, die Mitteltemperatur beträgt 28,7° (Dezember 24°, April 33,5°), hält sich zwischen März und Juni, wenn die glühenden Süd- und Südwestwinde wehen, selbst während der Nächte auf 40°, sinkt dagegen im Januar bis auf 14°. Während der 5–7 Monate dauernden Regenzeit herrschen Malaria und Augenkrankheiten. Die Pflanzenwelt ist im N. an der Grenze gegen die Sahara arm, weiter südlich folgen an den Flußläufen Wälder von dornigen Akazien, dann Tamarinden, Baobab, Dum- und Delebpalmen. Angebaut werden in den kulturfähigen Oasen und im Überschwemmungsgebiete der Flüsse Baumwolle, Durra, Indigo, Erdnüsse, Mais, Reis, Zitronen, Feigen. Die Tierwelt ist reich; Herden von Elefanten, Giraffen, Büffeln, Antilopen durchziehen den Norden, Löwen und Hyänen sind häufig. Die Wälder sind belebt von Affen, Zibetkatzen und zahlreichen Vögeln. Während der trocknen Jahreszeit durchziehen das Land Schwärme von Straußen. Im S. wird die Zucht von Pferden, Eseln, Rindern, Ziegen und Schweinen, in der Provinz Kotscham auch von Kamelen betrieben. Die auf 5 Mill. geschätzte Bevölkerung besteht aus einem Gemisch verschiedener Stämme. Die Kanuri (1,5 Mill.) sind stark gebaut und hoch gewachsen, aber von unschöner Gesichtsbildung, wogegen die Schönheit der Weiber von Logone gerühmt wird. Die Kanuri leben in Einzelehe, treiben Ackerbau und sind geschickte Metallarbeiter. Ihre Sprache ist nach Fr. Müller eine völlig selbständige Sprache, nur mit dem benachbarten Tibbu verwandt, und ist die herrschende im Lande. Auch die Makari sind gute Ackerbauer und Handwerker, die Araber und Tuareg (250,000) dagegen, die sich ihre Sprache bewahrt haben, treiben Pferde- und Rinderzucht. Sie sind alle, ebenso wie die Haussa und Fulbe (500,000), die Manga und Bedde (750,000), strenge Mohammedaner, dagegen sind die als Barbaren geltenden Marghi, Mandara, Gamergu, Musgu u. a. (1 Mill.) Heiden. Die Hauptausfuhr des Landes bilden Sklaven; eingeführt werden Kattun, Burnusse, Zucker und Salz. Landesübliches Zahlmittel sind die Kauris, von denen etwa 4000 einem Mariatheresientaler gleich gelten; größere Summen werden in Toben (blauen Hemden) gezahlt. Der Marktverkehr ist durch völlige Handels- u. Gewerbefreiheit erleichtert. Die Regierung war absolut despotisch; der Sultan oder Scheich hatte zwei wichtige Ratgeber, einen Staatssekretär und einen andern Hofbeamten; die wichtige Ratsversammlung hatte schon früher ihren Einfluß verloren. Das Reich B. zerfiel in 9 Provinzen und 4 Tributärstaaten. Das Heer bestand aus Sklaven und zählte 1500 Reiter, teilweise mit Panzern aus dicker Watte oder Ketten, 1000 mit Gewehren versehene Fußgänger und 300 Bogenschützen. Die Prinzen und Hofbeamten unterhielten außerdem 4000 Reiter; seit 1866 waren auch Kanonen eingeführt. Hauptstadt und Residenz des Scheich war 1810–94 Kuka (s.d.); Birni oder Ghafr Eggomo, seit Ali Dunamami (s. unten) Residenz, war 1809 durch die Fulbe zerstört worden. Andre wichtige Orte sind Ngornu am Tsadsee und Gudschba mit je 30,000, Maschena und Gummel mit je 12,000 Einw.; die letzte Residenz war Dikoa.

Das Reich B., früher ein Teil des Reiches Kanem, dessen Herrscher sich um 1370 vor den Bulala nach dem Süden zurückziehen mußten, ward von Ali Dunamami (1465–92) begründet, erreichte seine höchste Macht unter Edriß III. (1492–1515), Mohammed V. (1515–39) und Edriß IV. Alaoma (1563–1614), geriet aber dann in Verfall. Als 1808 die Fulbe unter ihrem Emir Othmân dan Fódio alle umliegenden Länder unterwarfen und 1809 auch die Hauptstadt Birni zerstörten, sammelte der Fakir Mohammed-el-Amîn el-Kânemî ein Heer, mit dem er den größten Teil des Reiches zurückeroberte. Er ließ zwar ein Schattensultanat bestehen, übte aber selbst die Herrschaft aus und vererbte sie auf seinen Sohn Omar (1835–82, seit 1847 Alleinherrscher), bekannt durch die Unterstützung, die er 1851–66 Barth und Overweg, Vogel, Beurmann und Rohlfs angedeihen ließ; 1870 sandte ihm König Wilhelm I. von Preußen deshalb durch Nachtigal, dem wir die eingehendste Kenntnis des Landes verdanken, Geschenke. Auf Omar folgten 1882–93 in rascher Folge drei Söhne, deren letzter, Abâ Hâschim, 1893 entthront ward, als der arabische Sklavenjäger Rabeh (s.d.) heranzog, der 1894 Kuka eroberte und Diköa zur Residenz machte. Doch ehe sich noch eine Dynastie Rabah in B. entfalten konnte, machte ihr Frankreichs Sudanpolitik 1900 und 1901 ein Ende; der von den Engländern in Nigeria 1902 als Sultan von B. wieder eingesetzte Sohn Hâschims, Ahmar (Omar) Seinda, soll das verlassene Kuka wieder beziehen. Vgl. Barth, Reisen in Afrika, Bd. 3 u. 4 (Gotha 1857); Nachtigal, Sahara und Sudân, Teil 2 (Berl. 1881); Schurtz im 3. Bande von Helmolts »Weltgeschichte« (Leipz. 1901); Lebon, La politique de Franceen Afrique 1896–1898 (Par. 1901).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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