Bologna [2]

Bologna [2]

Bologna, Hauptstadt der gleichnamigen ital. Provinz (s. oben), ist eine der ältesten, größten und reichsten Städte Italiens, ein wichtiger Verkehrsmittelpunkt, in dem sich alle Straßen und Eisenbahnen, die vom Simplon bis Triest die Alpen überschreiten, vereinigen. Mit Rücksicht auf seine strategische Bedeutung ist B. in neuester Zeit zu einer starken Festung (mit Außenforts) umgeschaffen worden. B. liegt 50 m ü. M. auf der Linie des Übergangs des Apennin in die Ebene, an einem schiffbaren, in der Stadt z. T. überbauten Kanal des westlich vorbeifließenden Reno. Die Stadt bildet, von alten Mauern und Gräben umgeben, ein unregelmäßiges Sechseck mit im Innern vielfach krummen und engen, aber reinlichen Straßen. Die Häuser sind gut gebaut und z. T. mit weiten Bogengängen versehen. Unter den Plätzen sind besonders die Piazza Vittorio Emanuele, der eigentliche Mittelpunkt der Stadt, mit dem Reiterstandbild Viktor Emanuels (1888), und der angrenzende Neptunsplatz, mit dem stattlichen, 1563 von Lauretti entworfenen, von Giovanni Bologna modellierten Neptunsbrunnen, zu nennen. Hier steht der Palazzo del Podestà (von 1201), in dem König Enzio 23 Jahre gefangen gehalten wurde, mit Fassade von 1485 und einem Turm von 1264; an der Ostseite der Portico dei Banchi mit schönen Magazinen; an der Westseite der Palazzo Comunale, 1290 begonnen, mit einer Bronzestatue Gregors XIII.; an der Südseite die Kirche San Petronio, die größte der 75 Kirchen der Stadt, 1390 im italienisch-gotischen Stil begonnen, aber nur bis zum Querschiff vollendet, im Innern mit Gemälden und Denkmälern reich ausgestattet, mit dem hier von Cassini 1653 gezogenen Meridian. Andre merkwürdige Kirchen sind: die Kathedrale San Pietro (1605 begonnen); San Domenico, die Wiege des Dominikanerordens (in dem anstoßenden Kloster lebte und starb der heil. Dominikus), den reichgeschmückten Sarkophag (arca) des Heiligen mit herrlichen Skulpturen von Niccolo Pisano, Michelangelo u. a. enthaltend; ferner Santo Stefano, ein Komplex von sieben Bauwerken verschiedenen Alters, Basiliken, Rundkirchen und Klosterhöfen; Santa Maria dei Servi mit schönem Säulenvorhof und Hauptaltar; San Giacomo Maggiore (1267–1497 erbaut) mit reicher, aus 34 Bogen bestehender Säulenhalle, schönem Glockenturm und berühmtem Altarblatt von Francia, sämtlich noch im Besitz reicher Kunstschätze. Nahe dem Mittelpunkte der Stadt stehen die beiden berühmten schiefen Türme, der eine 1109 von Asinelli begonnen und nach ihm benannt, 97,6 m hoch mit 1,23 m Abweichung, der andre (von 1110) nach seinem Erbauer die Garisenda benannt, 49,6 m hoch und mit 3,04 m südlicher Abweichung von der Senkrechten. Südlich davon erhebt sich die Loggia dei Mercanti (Mercanzia), Sitz der alten Börse, ein reicher Backsteinbau aus dem 14. Jahrh. B. hat ferner eine große Zahl glänzender Paläste, meist mit offenen Arkadenhalten im Untergeschoß, schönen Fassaden und Höfen. Öffentliche Anlagen sind die Giardini Margherita im S. und der Giardino Montagnola im N. der Stadt. B. zählt (1901) ca. 130,000 (als Gemeinde 152,009) Einw. Die wichtigsten gewerblichen Erzeugnisse sind: Maschinen, eiserne Möbel, chirurgische Instrumente, Wagen, Kerzen, Seifen, Parfümerien (darunter die Acqua di Felsina, eine Art Kölnisches Wasser), Mehl, Makkaroni, Fleischwaren (berühmte Mortadella für die Ausfuhr), konservierte Tomaten, Seide, verschiedenartige Gewebe, Seilerwaren, Leder, Tabak. Erwähnenswert ist auch die Buch- und Steindruckerei. Dem Verkehr dienen außer den hier einmündenden sieben Eisenbahnlinien Dampfstraßenbahnen nach Imola, Malalbergo, Pieve di Cento, Casalecchio und Vignola und eine elektrische Bahn nach San Felice.

B. ist Sitz einer Universität, der ältesten Europas (1888 feierte sie ihr 800jähriges Jubiläum), die ihm im Mittelalter, wo sie oft von 12,000 Studenten aus ganz Europa besucht wurde und fast alle Nationen dort eigne Kollegien hatten, den größten Ruhm und den Beinamen »la dotta« verschaffte. Besonders bedeutend war ihre Rechtsschule. Noch heute ist die Universität blühend (1896: 111 Lehrer und 1375 Studenten) und hat eine Bibliothek von 170,000 Bänden und 6000 Manuskripten. Es besteht ferner hier eine Kunstakademie mit reicher Gemäldesammlung, die unter anderm Raffaels heil. Cäcilia und zahlreiche Werke von Meistern der bolognesischen Malerschule enthält. Von sonstigen Bildungsanstalten sind zu nennen: ein Lyzeum, mehrere Gymnasien, ein technisches Institut, eine technische Schule, 2 Normalschulen, 2 Gewerbeschulen, eine Ingenieurschule und eine berühmte, 1805 gegründete Musikschule (Liceo filarmonico, an der Rossini studierte), das Museo Civico mit Sammlung von Gräberfunden und andern Altertümern. Musik wird hier sehr kultiviert. Zahlreich und bedeutend sind die Wohltätigkeitsanstalten. B. ist Sitz des Präfekten, eines Erzbischofs, eines Appell- und Assisenhofs, eines Handelsgerichts, eines deutschen Konsuls und des Generalkommandos des 6. Armeekorps. Auf einem Hügel im S. vor der Stadt liegt das 1437 gegründete, 1797 aufgehobene Olivetanerkloster San Michele in Bosco, jetzt orthopädische Heilanstalt, und im W. die Wallfahrtskirche Madonna di San Luca sowie die 1335 erbaute Kartause (Certosa), die 1801 zum öffentlichen Friedhof (Campo santo) von B. geweiht wurde, mit schönen Denkmälern. In B. wurden mehrere Päpste, viele Gelehrte und Künstler geboren, z. B. Francia, die Carracci, Albani, Reni, Galvani etc.

Geschichte. Ursprünglich Felsina als etrurische Stadt, dann Bononia als Hauptstadt der Bojer, wurde B. 189 v. Chr. von den Römern erobert, die eine starke Bürgerkolonie dahin führten. 43 v. Chr. ward in der Nähe auf einer Insel des Reno das zweite Triumvirat abgeschlossen. Nach dem Untergang des Ostgotenreiches kam B. zum Exarchat, dann an die Langobarden und durch Karl d. Gr. an die Franken. Seit dem Anfang des 12. Jahrh. war B. wegen seiner Universität angesehen: die Bologneser Rechtsschule war lange Zeit die bedeutendste Europas. Als Glied des Lombardischen Bundes nahm B. teil am Kampf gegen die Hohenstaufen; Kaiser Friedrichs II. Sohn Enzio starb hier 1272 in der Gefangenschaft. Nach wechselvollen Kämpfen der adligen Familien der Geremei, Lambertazzi, Guidi, Pepoli, Bentivoglio u. a. um die Herrschaft unterwarf sich die Stadt 1506 dem Papst. Am 24. Febr. 1530 wurde in B. Karl V. von Clemens VII. zum Kaiser gekrönt (letzte Kaiserkrönung). 1547 wurde das Konzil von Trient nach B. verlegt und hielt hier zwei Sitzungen. Nachdem die Stadt 1796 von den Franzosen genommen war, wurde sie ein Bestandteil der Cisalpinischen Republik, später des Königreichs Italien; 1815 kam sie wieder zum Kirchenstaat. 1821 und 1831 brachen in B. Aufstände gegen die päpstliche Regierung aus; österreichische Waffen stellten beide Male die alte Ordnung wieder her. Ein österreichisches Korps, das am 8. Aug. 1848 B. besetzen wollte, wurde durch einen Aufstand gezwungen, die Stadt zu verlassen. Als jedoch die Österreicher 8. Mai 1849 nach dem Frieden mit Sardinien im Einverständnis mit dem Papst von neuem anrückten, ergab sich B. nach achttägiger Gegenwehr und blieb von den Österreichern besetzt bis zum Kriege von 1859; im März 1860 verkündete die Stadt mit der Romagna ihren Anschluß an das Königreich Sardinien. Vgl. Savioli, Annali della città di B. (Bassano 1788–95, 3 Bde.); Muzzi, Annali della città di B. (Bologna 1840–49, 9 Bde.); Monari, Storia di B. (das. 1862–65); Leonhard, Die Universität B. im Mittelalter (Leipz. 1888); Fitting, Die Anfänge der Rechtsschule in B. (Berl. 1888); Cavazza. Le scuole dell' antico studio Bolognese (Mail. 1896); Knod, Deutsche Studenten in B. 1289 bis 1562 (Berl. 1899); Valeri, L'architettura a B. nel rinascimento (Mail. 1899); Weber, Bologna (Bd. 17 der »Berühmten Kunststätten«, Leipz. 1903).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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