Westfälischer Friede

Westfälischer Friede

Westfälischer Friede, der am 24. Okt. 1648 zu Münster und Osnabrück geschlossene Friede, der den Dreißigjährigen Krieg (s. d.) beendigte und ein neues politisches System in Europa begründete. Er bildete die Grundlage aller Staatsverträge bis zur Auflösung des Reiches und galt als das Grundgesetz der deutschen Staatsverfassung. Schon im Dezember 1641 wurden in Hamburg Vorberatungen gepflogen, besonders über den Ort und die Art der Konferenzen. Die wirklichen Verhandlungen begannen im April 1643 und wurden in Osnabrück zwischen den kaiserlichen, den reichsständischen und den schwedischen, in Münster zwischen den kaiserlichen und den französischen Gesandten unter päpstlicher und venezianischer Vermittelung geführt, und zwar so, daß die an beiden Orten angenommenen Artikel für einen Traktat gehalten werden und kein Teil ohne den andern Frieden schließen sollte. Die Trennung war notwendig, um Rangstreitigkeiten zwischen Frankreich und Schweden vorzubeugen, und weil die Schweden nicht mit dem päpstlichen Nunzius verhandeln wollten. Frankreich vertraten der Herzog von Longueville, d'Avaux und Servien, Schweden Johann Oxenstierna, der Sohn des Kanzlers, und Adler Salvius, den Kaiser Graf Johann Ludwig von Nassau und Isaak Volmar in Münster, Graf Max von Trauttmansdorff in Osnabrück. Päpstlicher Nunzius war Fabio Chigi (später Papst Alexander VII.), venezianischer Gesandter Contareno. Vom spanischen Hofe waren Saavedra, Brun u. a. zugegen. Die Generalstaaten hatten acht Bevollmächtigte geschickt; die Eidgenossenschaft vertrat Joh. Jakob Wetstein, Bürgermeister von Basel. Bevollmächtigte der evangelischen Stände waren z. B. für Braunschweig Jakob Lampadius, für Württemberg Johann Konrad Varnbüler. Adam Adami, der Gesandte des Fürstabtes von Korvei, machte den Geschichtschreiber der Versammlung. Rang- und Titelstreitigkeiten verzögerten noch lange die Eröffnung des Kongresses, da zum erstenmal die Gesandten aller mitteleuropäischen Staaten vertreten waren und die äußere Etikette ganz neu geregelt werden mußte. Während der Verhandlungen dauerte der Krieg fort, und jeder kriegerische Erfolg hatte auf die Verhandlungen Einfluß. Am 24. Okt. 1648 wurde der Friede in Münster unterzeichnet, aber erst 3 Monate später (8. Febr. 1649) erfolgte die Auswechselung der Ratifikationen, und noch lange dauerten verschiedene Verhandlungen über die Ausführung des Friedens. Der päpstliche Protest vom 3. Jan. 1651 war wirkungslos.

Der Friede führte zunächst zahlreiche Territorialveränderungen herbei: Schweden erhielt außer einer Kriegsentschädigung von 5 Mill. Tlr. ganz Vorpommern nebst der Insel Rügen und den Odermündungen, ferner die Stadt Wismar von Mecklenburg und die Stifter Bremen und Verden. Alle diese Länder blieben deutsche Reichslehen, und die Krone Schweden besaß sie als deutscher Reichsstand mit Sitz und Stimme auf Reichs- und Kreistagen. Der Kurfürst von Brandenburg bekam den Rest von Pommern und als Entschädigung für Vorpommern die Stifter Magdeburg, Halberstadt, Minden und Kammin; doch blieb Magdeburg bis 1680 im Besitz des damaligen Administrators, des sächsischen Prinzen August. Herzog Adolf Friedrich von Mecklenburg-Schwerin erhielt für die Abtretung von Wismar die Stifter Schwerin und Ratzeburg. Dem Haus Braunschweig-Lüneburg wurde die Sukzession im Stift Osnabrück alternierend mit einem katholischen Bischof zugesichert sowie die Klöster Walkenried und Gröningen überlassen. Hessen-Kassel erhielt die gefürstete Abtei Hersfeld und die Grafschaft Schaumburg. Bayern behielt die Oberpfalz und die Kurwürde. Die Unterpfalz mit der neugeschaffenen achten Kurwürde und dem Erbschatzmeisteramt wurde dem Sohne des geächteten Friedrich V., Karl Ludwig, zurückgegeben. Frankreich erhielt die Oberherrschaft über die Bistümer und Städte Metz, Toul und Verdun, die es tatsächlich schon seit 1552 besaß. Ferner trat der Kaiser alle Rechte Österreichs und des Reiches auf die Stadt Breisach, auf die Landgrafschaft Ober- und Unterelsaß, auf den Sundgau und die Landvogtei der zehn vereinigten Reichsstädte im Elsaß der Krone Frankreich ab. Die Schweiz und die Republik der Vereinigten Niederlande wurden als völlig unabhängig anerkannt. Abgesehen von diesen Veränderungen, setzte der Friede eine unbeschränkte Amnestie und Restitution nach dem Besitzstand von 1618 fest, nur der Kaiser machte davon für seine Erblande eine Ausnahme. In der kirchlichen Frage bestätigte der Friede den Passauer Vertrag und den Augsburger Religionsfrieden und schloß die Reformierten in die den Augsburger Religionsverwandten gewährte Rechtsstellung ein. Die Konfessionen wurden vollkommen gleichgestellt; die evangelische Minorität durfte auf den Reichstagen in Religionssachen nicht majorisiert werden. Der Streit über die geistlichen Stifter und Güter wurde unter Aufhebung des Restitutionsedikts von 1629 dahin ausgeglichen, daß 1624 Normaljahr (annus decretorius) sein und der evangelische und katholische Besitzstand so bleiben oder restituiert werden sollte, wie er 1. Jan. 1624 gewesen sei. Doch wurden auch hiervon die kaiserlichen Erblande ausgenommen. Die Territorialhoheit der Reichsstände wurde ausdrücklich anerkannt, ja ihnen das Recht gegeben, untereinander und mit auswärtigen Mächten Bündnisse zu schließen, nur nicht wider Kaiser und Reich. Die neue Verfassung des Reiches sollte auf einem zu berufenden Reichstag beraten werden.

Die Pläne der katholischen Gegenreformation und der habsburgischen Hauspolitik, den Protestantismus auszurotten und Deutschland einer absoluten kaiserlichen Militärgewalt zu unterwerfen, waren vereitelt worden, und der Kaiser mußte im Frieden auf den letzten Rest seiner Macht im Reiche verzichten. Das Reich verlor durch den Frieden mehr als 100,000 qkm Land und erhielt eine zerstückelte, wehrlose Grenze gegen Frankreich. Die Befestigung der dreihundertfachen landesherrlichen Vielherrschaft (vgl. »Geschichtskarte III« bei Deutschland, S. 810) besiegelte die tatsächliche Zertrümmerung des Reiches, schuf aber zugleich die Grundlage für eine neue Entwickelung, die sich auf den territorialfürstlichen Absolutismus stützte; denn die Landstände der Territorien waren beiseite geschoben. Da die bedeutendern Fürsten von ihrem Bündnisrecht tatsächlich Gebrauch machten, so wurde Deutschland nun Gegenstand und Schauplatz der europäischen Staatshändel: namentlich Bayern und Brandenburg nahmen nunmehr an der europäischen Politik teil. Schweden als Reichsstand und Frankreich als Garant des Friedens mischten sich in die innern Angelegenheiten Deutschlands ein. Daher wurden fortan die meisten europäischen Kriege auf deutschem Boden ausgefochten. Der Protestantismus konnte sich nicht weiter im Reich ausbreiten, und die aus den österreichischen Erblanden Vertriebenen erhielten keinen rechtlichen Schutz. Österreich wurde auf seine Erbstaaten zurückgedrängt und von der Verbindung mit dem übrigen Deutschland losgelöst; die Kaiserwürde verlor ihre reale Bedeutung. Der Westfälische Friede bezeichnet deshalb den tatsächlichen Zusammenbruch des alten Reiches, schuf aber zugleich die rechtlichen Voraussetzungen für eine neue Staatenbildung in Deutschland. Vgl. Gärtner, Westfälische Friedens-Kanzley (Leipz. 1731–38, 9 Bde.). J. G. v. Meiern, Acta pacis Westfalicae publica (Götting. 1734–36, 6 Bde.); »Correspondencia diplomatica de los plenipotenciarios españolesen el congreso de Munster« (Madr. 1885 ff.); »Journal du Congrès de Munster par F. Ogier, aumônier du comte d'Avaux« (hrsg. von A. Boppe, Par. 1893); Woltmann, Geschichte des Westfälischen Friedens (Leipz. 1808, 2 Bde); J. J. Moser, Erläuterung des Westfälischen Friedens (Erlang. 1775–76, 2 Bde.); Pütter, Geist des Westfälischen Friedens (Götting. 1795); Philippi, Der Westfälische Friede, ein Gedenkbuch (Münster 1899); v. Bezold, Das Bündnisrecht der deutschen Reichsfürsten bis zum Westfälischen Frieden (Bonn 1904).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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