Wert [1]

Wert [1]

Wert (franz. Valeur, engl. Value), im allgemeinen die Bedeutung, die man einem Gegenstand auf Grund vergleichender Schätzung beilegt. Die Höhe des Wertes, der einem Gute beigelegt wird, ist abhängig von den Bedürfnissen, Neigungen und der wirtschaftlichen Lage des Schätzenden, von der Brauchbarkeit des Gegenstandes zur Zweckerfüllung und von dem Beschaffungswiderstand, den Natur oder auch soziale Verhältnisse seiner Erlangung entgegenstellen. Diese Elemente der Wertschätzung, die einander gegenseitig beeinflussen, sind zeitlich wie persönlich wandelbar, und es kann darum auch ein und demselben Dinge, je nach der Geschmacksrichtung, der individuellen wirtschaftlichen Lage, der Erkenntnis seiner Eigenschaften etc., ein verschiedener W. beigelegt werden. Gerade diese Ungleichheit in der Wertschätzung ist der eigentliche Grund alles Tausches. Allerdings sind Übereinstimmungen nicht ausgeschlossen, auch werden die Unterschiede in den Wertschätzungen in vielen Fällen nicht sehr erheblich sein, indem Sitte und Gewohnheit das Urteil beeinflussen. Für einen Dritten liegt der W., den eine andre Person einem Gute beimißt, nicht immer offen zutage. Äußerlich tritt für ihn nur der Tauschakt und die Menge der gegeneinander ausgewechselten Gegenstände in Erscheinung. Dies ist der Grund, weswegen so häufig die Begriffe Preis und W. miteinander verwechselt werden, während doch der wirklich vollzogene Tausch ein Zeichen dafür ist, daß der Käufer das erworbene Gut augenblicklich höher schätzt als die hingegebene Summe. In der Nationalökonomie wie in der Rechtswissenschaft ist es üblich geworden, eine größere Zahl von Wertarten zu unterscheiden, indem man dabei eins der zahlreichen Motive der Wertschätzung, die Eigenschaften des Gegenstandes etc., mehr ins Auge faßt. Aus irgendwelchen Gründen (teures Andenken, Kunstsinn, Jagdliebe etc.) kann dem einen ein Gegenstand außerordentlich wertvoll sein, während andre denselben nicht so hoch schätzen. Man spricht dann von einem W. der besondern Vorliebe, Affektionswert, auch pretium affectionis. Ebenso spricht man von einem Form-, Stoff-, Orts-, Zeitwert etc., wenn Form oder Stoffe wichtige Faktoren der Wertschätzung sind, oder wenn ein Gegenstand an einem bestimmten Ort oder zu bestimmter Zeit einen W., bez. einen besonders hohen W. hat. Brennwert, Nährwert etc. sind schlecht gewählte Ausdrücke, die nur einzelne Eigenschaften von Dingen bezeichnen sollen. Brenn- und Nährgehalt sind aber, da auch Geschmack, Reinlichkeit etc. in Betracht kommen können, für die Wertschätzung nicht allein maßgebend. Seit Ad. Smith wird in der Nationalökonomie der Gebrauchswert dem Tauschwert gegenübergestellt. Ursprünglich dachte man bei der Bezeichnung Gebrauchswert vorzüglich oder ausschießlich an die Eigenschaften von Gegenständen oder auch an ihre Verwendungsfähigkeit zu allgemein als sittlich-vernünftig betrachteten oder wichtigen Lebenszwecken. So meinten A. Smith u. a., das Wasser habe einen größern Gebrauchswert als Diamant, und Rau war der Ansicht, ein Gegenstand, der früher wertvoll gewesen sei und jetzt nicht mehr begehrt werde, habe deswegen seinen W. doch nicht verloren. Was der Gegenstand nicht verloren hat, ist nur die Brauchbarkeit für irgendeinen Zweck. Wird er aber, weil andre bessere Mittel für den gleichen Zweck zu Gebote stehen, oder weil der letztere überhaupt keine Bedeutung mehr hat, nicht mehr geschätzt, so ist er auch wertlos geworden. Allerdings spielen die Eigenschaften eine wichtige Rolle für die Wertschätzung, sie geben aber keineswegs ausschließlich den Ausschlag. Nach der neuern Auffassung aber ist der Gebrauchswert nichts andres als der W., den ein Ding unter gegebenen Umständen für einen Menschen hat. Läßt sich dasselbe als Produktionsmittel verwenden, so hat es nach Roscher einen Erzeugungswert, dagegen einen Genuß- (Verbrauchs-, Gebrauchs-) W., wenn es zur Konsumtion dient. Wir schätzen also die Güter nach dem Nutzen, den sie uns gewähren, und bestimmend für das Maß des Wertes im konkreten Falle ist nicht die allgemeine Nützlichkeit eines Gegenstandes, sondern das durch die besondern Verhältnisse bestimmte und abgegrenzte Maß des Nutzens. Dieses Maß des Nutzens ist aber nicht identisch mit dem, das von dem einzelnen Teile des Gutes ausgeht, vielmehr wird bei gegebenem Gütervorrat und gegebenem Bedürfnis das Maß des Wertes der Gutseinheit bestimmt durch den Nutzen, den die letzte verfügbare Teilquantität der Güter uns gewährt. Diesen Nutzen nennt man neuerdings den Grenznutzen oder Grenzwert eines Gegenstandes. Besitzen wir Überfluß an Gütern, so daß wir alle gegenwärtigen und voraussichtlich in der Zukunft eintretenden Bedürfnisse durch sie decken können, so ist der Grenzwert gleich Null, die Gutseinheit hat für uns keinen wirtschaftlichen W. Daraus erklärt sich, daß sogen. freie Güter (z. B. Wasser) wirtschaftlich nicht gewertet werden. Nun werden aber viele Güter nur zu dem Zwecke produziert oder erworben, um gegen andre umgetauscht zu werden. Sie haben, sagt man, einen Tauschwert, der gleich der Menge der dafür einzutauschenden Waren ist. Da die Definition mit derjenigen von Marktpreis übereinstimmt, so hat man auch wohl noch dahin unterschieden, es sei Preis der in Geld ausgedrückte Tauschwert. Als spezifischer Tauschwert wird derjenige der Gewichts-, bez. Volumeinheit bezeichnet. Gattungswert (abstrakten Gebrauchswert) nennen Rau-Wagner den Gebrauchswert von Güterarten für menschliche Bedürfnisse im allgemeinen, während ein bestimmtes Quantum für eine bestimmte Person zu gegebener Zeit einen konkreten W. habe. A. Smith wollte den Tauschwert eines Gegenstandes nach der Arbeit bemessen wissen, die man mit demselben erkaufen könne, Ricardo, indem er die seltenen, nicht vermehrbaren Gegenstände ausschloß, nach der zur Hervorbringung erforderlichen Arbeitsmenge; Carey glaubte diese Formel dadurch verbessern zu können, daß er sagte, nicht der ursprüngliche, wirklich erfolgte Aufwand sei das Maß des Wertes, sondern derjenige, der augenblicklich zur Wiedererlangung notwendig sein würde. Er übersah hierbei, daß, wie Dühring richtig bemerkt, hier unter den Produktionskosten die auf die Gegenwart bezogenen zu verstehen sind. Karl Marx endlich will den W. nach der gesellschaftlich notwendigen, d. h. derjenigen Arbeitszeit bestimmen, die erforderlich ist, um irgendeinen Gebrauchswert mit den vorhandenen gesellschaftlich-normalen Produktionsbedingungen und dem gesellschaftlichen Durchschnittsgrad von Geschick und Intensität der Arbeit darzustellen. Diese Definition der Wertgröße, die hier mit dem durchschnittlich normalen Marktpreis als identisch betrachtet wird, könnte nur für solche Güter gelten, die mit gleichem Produktionsaufwand jeweilig in genügender Menge hergestellt werden können, keineswegs aber für diejenigen, bei denen diese Bedingung nicht erfüllt wird.

Man spricht ferner von Kostenwert und meint damit die zur Erzeugung eines Gegenstandes erforderliche Kostensumme, auch von Ertragswert, Mietwert, Verkehrswert, als dem W., den ein Gegenstand bei entwickelterm Verkehr als Ertragsquelle, Mietzinsquelle oder im Tauschverkehr hat, von Erwartungswert (s. d.), von dem Sachwert oder gemeinen W., den ein Gegenstand mit Rücksicht auf Zeit und Ort besitzt etc. Außer den Lehrbüchern der Volkswirtschaft vgl. Böhm-Bawerk, Artikel W. im »Handwörterbuch der Staatswissenschaften«, Bd. 7 (2. Aufl., Jena 1901); K. Menger, Grundsätze der Volkswirtschaftslehre (Wien 1871); Zuckerkandl, Zur Theorie des Preises (Leipz. 1889); Wieser, Über den Ursprung und die Hauptgesetze des wirtschaftlichen Wertes (Wien 1884) und Der natürliche W. (das. 1889); Dietzel, Die klassische Werttheorie und die Theorie vom Grenznutzen (in den »Jahrbüchern für Nationalökonomie«, 1890) und Zur klassischen Wert- und Preistheorie (ebenda 1891); Scharling, Werttheorie und Wertgesetz (ebenda 1888); Naumann, Die Lehre vom W. (Leipz. 1893); Meinong, Psychologisch-ethische Untersuchungen zur Werttheorie (Graz 1894); Eisler, Studien zur Werttheorie (Leipz. 1902); Kaulla, Die geschichtliche Entwickelung der modernen Werttheorien (Tübing. 1906); Rost, Die Wert- und Preistheorie (Leipz. 1908); Brentano, Die Entwickelung der Wertlehre (Münch. 1908).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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