Venēdig [2]

Venēdig [2]

Venēdig (ital. Venezia; hierzu der Stadtplan), Hauptstadt der gleichnamigen ital. Provinz (s. oben), wichtiger Handels- und Kriegshafen der italienischen Adriaküste, liegt unter 45°26' nördl. Br. und 12°20' östl. L. an der Westküste des Golfs von V. des Adriatischen Meeres, auf 117, durch ca. 150 Kanäle getrennten, durch 378 Brücken verbundenen, kleinen Inseln der Lagunen von V., hat eine Fläche von 7,5 qkm und ist mit dem Festland durch eine 1845 vollendete, 3,6 km lange Eisenbahnbrücke (Linie Mestre-V.) von 222 Bogen verbunden.

Wappen von Venedig.
Wappen von Venedig.

Eisenbahnen gehen über Padua nach Bologna und Verona, über Treviso nach Pontebba und Cormons. Das Klima von V. ist mild und gleichmäßig; die mittlere Jahrestemperatur beträgt 13,7°, die Regenmenge bei 102 jährlichen Regentagen 703,4 mm. Die Luft ist feucht und staubfrei, daher für Kehlkopf- und Lungenkranke heilsam, für Rheumatiker nachteilig. Zu der seit 1884 bestehenden Brentawasserleitung ist 1890 eine neue, 31 km lange Wasserleitung von Castelfranco hinzugekommen.

V. zerfällt in sechs Bezirke: San Marco, Castello, Cannaregio, San Polo, Santa Croce, Dorsoduro, und ist hauptsächlich auf drei großen Inseln erbaut, von denen die südlichste, Giudecca (s. d.), nebst ihrer östlichen Fortsetzung, der kleinen Insel San Giorgio Maggiore, durch den Canale della Giudecca von den beiden andern Hauptinseln getrennt ist. Die letztern werden ihrerseits durch den Canal Grande voneinander geschieden, der, 3700 m lang und 45–72 m breit, die Stadt von NW. nach SO. in malerischer Doppelwindung durchzieht. Ostwärts stehen Canale della Giudecca und Canal Grande mit dem Canale di San Marco, dem großen Hafenbecken, in Verbindung, aus dem schmale Wasserstraßen (Porti) zwischen den langen, sandigen Nehrungen (Lidi) ins offene Meer führen. Auf der Seeseite sind die Lidi durch mächtige Steindämme (murazzi) geschützt. Über den Canal Grande führen der Ponte di Rialto, 1588–92 von Antonio da Ponte erbaut, 48 m lang und 22 m breit, aus einem einzigen Marmorbogen von 28 m Spannung und 7,5 m Höhe bestehend; ferner die eiserne Hängebrücke Ponte dell' Accademia (1854) und die Brücke am Bahnhof (1853). Gondeln, Barken und kleine Dampfer vermitteln den Verkehr. Für die Fußgänger dienen die breitern Uferstraßen (Fondamenta), die schmalen Kais (Rii), enge Gäßchen (Calli und Rami). Die Häuser sind aus Backstein und Marmor erbaut; ungemein groß ist die Zahl prächtiger, aber zum Teil verwahrloster und verfallener Steinpaläste. Die Fundamente ruhen auf einem Rost von Eichenpfählen, der 3–9 m tief durch den Schlamm bis zur harten Tonmergelschicht hinabdringt. Mittelpunkt der Stadt ist der berühmte Markusplatz, ein auf drei Seiten von Palästen mit Arkaden, auf der vierten Seite von der Markuskirche abgeschlossenes, 176 m langes, 56–82 m breites Viereck. Mit ihm hängt die Piazzetta zusammen, die, 97 m lang und 49 m breit, bis an den Hafen reicht, längs dessen die breite, belebte Uferstraße Riva degli Schiavoni sich ostwärts erstreckt. Am südlichen Ende der Piazzetta stehen zwei Granitsäulen, die eine mit dem geflügelten Markuslöwen aus Bronze, die andre mit einer Marmorstatue des heil. Theodor gekrönt. Auf dem Markusplatz, vor der St. Markuskirche, stehen drei große Flaggenhalter (Pili) mit bronzenen Fußgestellen von Al. Leopardi (1505). An Denkmälern besitzt V. das bronzene Reiterstandbild des Condottiere Bartolommeo Colleoni, von Andrea Verrocchio (s. Tafel »Bildhauerkunst IX«, Fig. 15) und Leopardi (1481, von letzterm auch das Fußgestell, 1493); die Bronzestandbilder Fra Paolo Sarpis und Manins (von Borro, 1875), das Reiterstandbild Viktor Emanuels II. (von Ferrari, 1887), die Standbilder Garibaldis (von Michieli, 1887), des Dichters Goldoni (von Dal Zotto, 1883), des Philosophen Niccolò Tommaseo (von Barzaghi, 1882), des Ingenieurs und Staatsmannes Paleocapa, des Polarreisenden F. Querini (1905), des Grafen von der Schulenburg.

[Kirchliche Bauwerke.] Die berühmteste Kirche Venedigs ist die St. Markuskirche, 976–1071 im byzantinisch-romanischen Stil erbaut und dem Schutzheiligen der Stadt, dem Evangelisten Markus, geweiht, dessen Reliquien 829 aus Alexandria hierher gebracht sein sollen. Die Kirche hat eine prächtige Hauptfassade mit fünf breiten Portalen und bunten Mosaiken auf Goldgrund, eine Vorhalle mit Mosaiken und den Gräbern vieler Dogen, über 500 Säulen, künstlerisch ausgeführte Bronzetüren, fünf vergoldete Kuppeln und ist im Innern 76,5 m lang und 52 m breit. Der Fußboden ist von altem Steinmosaik und die Kirche reich an Skulpturen, Mosaiken und sonstigen Kunstwerken. Erwähnenswert ist die Pala d'oro, ein goldener Altarvorsatz aus dem 11. Jahrh.; das Grabmal des Kardinals Zeno (1515); die Bronzetür zur Sakristei und das Sakramentstürchen von Jacopo Sansovino; das Taufbecken mit ehernem Deckel von Minio und Desiderio; der Bronzealtar von Pietro Lombardo. Über dem Hauptportal prangen die vier antiken Rosse aus vergoldeter Bronze, die 1204 aus dem eroberten Konstantinopel nach V. gebracht wurden. Vor der Markuskirche stand der um 900 errichtete, 1148 und 1329 neugebaute, 98.6 m hohe viereckige Glockenturm (Campanile) von San Marco, der am 14. Juli 1902 einstürzte, aber seit 1905 nach dem alten Vorbilde wieder aufgebaut wird, ebenso wie die unten an ihn sich anlehnende Loggetta, eine mit Bronzestatuen und Reliefs reich ausgestattete Marmorhalle (von Jac. Sansovino 1540). Von den übrigen Kirchen sind hervorzuheben: San Francesco della Vigna, 1534–1634 von Sansovino und Palladio (von diesem die Fassade erbaut), mit der reichgeschmückten Kapelle Giustiniani, Gemälden von P. Veronese, Giov. Bellini, Skulpturen von Vittoria u. a.; San Giacomo, die älteste, um 520 erbaute, 1071 umgebaute Kirche Venedigs bei der Rialtobrücke; San Giorgio Maggiore, auf der gleichnamigen Insel, ein Renaissancebau von Palladio (1565), die Fassade von Jacopo Santafelice (1599–1609), mit bronzener Hochaltargruppe von Campagna; San Giovanni Crisostomo, ein Renaissancebau von Moro Coducci (1497), mit Gemälden von Giov. Bellini, Sebastiano del Piombo u. a.; San Giovanni Elemosinario (1527), mit Gemälden von Tizian, Pordenone u. a.; San Giovanni e Paolo, eine imposante gotische Kirche, 1333–90 für die Dominikaner erbaut, Gruftkirche der Dogen, mit schönen Dogengrabmälern; die Jesuitenkirche (1715 bis 1730), mit reicher Marmordekoration, Altar von Pozzo und Gemälde von Tizian; Santa Maria del Carmine von 1348, wiederholt restauriert, mit Gemälden von Cima, Lotto u. a.; Santa Maria dei Miracoli, ein zierlicher, 1886 restaurierter Renaissancebau von Pietro Lombardo (1481); Santa Maria della Salute, eine malerische Kuppelkirche (1631–1656 von Longhena erbaut), mit Gemälden von Tizian u. a.; Madonna dell' Orto, ein gotischer Bau aus dem 15. Jahrh., mit schön dekorierter Fassade, Glockenturm, Gemälden von Cima, Palma Vecchio, Tintoretto (der hier begraben liegt) u. a.; Santa Maria Gloriosa dei Frari, 1250 gegründet, 1330–1417 im frühgotischen Stil erneuert, mit den Grabmälern von Tizian (1852 auf Kosten des Kaisers von Österreich ausgeführt), Canova, der Dogen Foscari, Nic. Tron, Giov. Pesaro, des Admirals Pesaro u. a., Altarbildern von Tizian, Giov. Bellini u. a. und schönen Chorstühlen; San Pietro di Castello, ein Renaissancebau mit schönem Turm, 1451–1807 Patriarchatskirche; Il Redentore auf der Insel Giudecca, der vorzüglichste Kirchenbau von Palladio (1577–92); San Rocco (1490 erbaut, 1725 erneuert), mit Gemälden von Tizian, Pordenone u. a. und dem daran stoßenden, 1550 vollendeten Versammlungshaus der gleichnamigen Bruderschaft (Scuola di San Rocco), mit prunkvoller Renaissancefassade und in den Sälen im Innern mit 56 kolossalen biblischen Gemälden von Tintoretto; San Salvatore, 1534 vollendet, mit Barockfassade von 1663, silberner Altartafel von 1290, Gemälden von Tizian, Dogendenkmälern u.; San Sebastiano (1506–18), mit Decken- und Altarbildern von Paolo Veronese sowie dem Grabmal desselben; Santo Stefano, 1234–1390 im gotischen Stil erbaut, mit schönen Grabmonumenten; San Zaccaria, 1457–1515 im Übergangsstil von der Gotik zur Renaissance erbaut, mit dem eignen Grabmal des Al. Vittoria, Gemälden von Giov. Bellini u. a. Auch die Griechen und Armenier (s. San Lazzaro und Mechitaristen) haben je eine Kirche, die Evangelischen 5 Kirchen, die Juden eine Synagoge.

[Paläste etc.] Unter den weltlichen Gebäuden ist das berühmteste der Dogenpalast (Palazzo ducale). Er ist seit seiner Gründung (814) fünfmal zerstört worden; der jetzige Bau wurde der Hauptsache nach 1424–63 von Giovanni Buon und seinen Söhnen im gotischen Stil ausgeführt. Der 1874–1889 restaurierte Außenbau enthält im Erdgeschoß eine offene Halle mit kurzen Säulen, figurenreichen Kapitellen und weiten Spitzbogen, darüber eine Loggia als Zwischengeschoß mit doppelter Spitzbogenzahl, endlich den gewaltigen, von wenigen gotischen Fenstern durchbrochenen, mit abwechselnd weißen und roten Marmorplatten bekleideten Oberbau. Den Haupteingang in den Palast bildet neben der Markuskirche die reiche gotische Porta della Carta von Giov. Buon (1438–43). In dem von prächtigen Renaissancefassaden aus dem 15. und 16. Jahrh. umschlossenen, mit zwei ehernen Brunnen geschmückten Hof erhebt sich die marmorne Riesentreppe (Scala dei Giganti) mit den Kolossalstatuen des Mars und Neptun von Jac. Sansovino (1554). Sie bildet den Zugang zum Innern des Palastes; auf ihrer obersten Stufe wurden die Dogen gekrönt. Unter den zahlreichen Sälen des Palastes, die sämtlich mit Meisterwerken italienischer Maler, insbes. von P. Veronese, Tizian, Tintoretto (das Paradies) u. a. geschmückt sind, ist der Saal des Großen Rats der prachtvollste. Andre Säle enthalten das archäologische Museum. Unterirdisch sind die berüchtigten Staatsgefängnisse (Pozzi); die unter den Bleidächern (s. Bleikammern) befindlichen Gefängnisse wurden 1797 zerstört. Aus dem obern Stockwerke führt die sogen. Seufzerbrücke (Ponte dei Sospiri, von 1597) über einen Kanal zu dem alten Kriminalgefängnis. Schöne Palastbauten sind ferner die am Markusplatz und der Piazzetta gelegenen Prokurazien. Die alten Prokurazien, 1480–1517 an der Nordseite des Markusplatzes als Amtswohnung der Prokuratoren von San Marco erbaut, enthalten im Erdgeschoß offene Arkaden, in den obern Stockwerken Wandbogenstellungen mit korinthischen Säulen. Hieran schließt sich östlich der 1498 erbaute, 1859 restaurierte Uhrturm in Frührenaissance mit Marmorfassade und interessantem Uhrwerk an. Die gegenüberliegenden neuen Prokurazien (jetzt königlicher Palast) wurden 1584 von Scamozzi erbaut und 1814 durch einen westlichen Querflügel mit den alten Prokurazien verbunden. An der Piazzetta, dem Dogenpalast gegenüber, liegt die alte Bibliothek (Libreria vecchia, jetzt ein Teil des königlichen Palastes), der schönste Hochrenaissancebau Venedigs, 1536–53 von Jac. Sansovino erbaut (s. Tafel »Architektur X«, Fig. 5), eine reich ausgeschmückte, zweigeschossige Halle von Bogenpfeilern mit Halbsäulen, im Innern mit Gemälden von Tizian und P. Veronese. An die Bibliothek schließt sich an der Seeseite die 1536 von Jac. Sansovino errichtete ehemalige Münze (Zecca); sie enthält seit 1905 die Markusbibliothek. – Das Arsenal im südöstlichen Teile der Stadt wurde 1104 gegründet, 1304 umgebaut und später mehrfach erweitert; es beschäftigte in der Blütezeit Venedigs 16,000 Arbeiter (jetzt 3000) und enthält im Innern eine Sammlung von Schiffsmodellen, Plänen und Waffen. Zu beiden Seiten des triumphbogenartigen, 1460 erbauten Portals stehen vier antike marmorne Löwen, die 1687 und 1716 vom Piräeus hierher kamen. Unter den sonstigen öffentlichen Gebäuden und den zahlreichen Palästen der alten venezianischen Adelsfamilien, die meist in andre Hände übergegangen sind und großenteils am Canal Grande liegen, sind hervorzuheben: die romanischen Bauten Cà da Mosto (9. Jahrh.), Fondaco dei Turchi (s. d., 11. Jahrh., 1880 erneuert, seit 1621 türkisches Kaufhaus, jetzt städtisches Museum), Palazzo Farsetti und Loredan (11. und 12. Jahrh., jetzt Rathaus); die gotischen Paläste aus dem 14. und 15. Jahrh. Cà d'Oro (s. Tafel »Wohnhaus I«, Fig. 5), Contarini-Fasan, Barbaro, Cavalli, Giustiniani (jetzt Hôtel Europa), Foscari (jetzt höhere Handelsschule), Bernardo, Bembo, Sagredo, Pisani, Giovanelli (1847 von Meduna erneuert, mit Gemäldegalerie); die Renaissancebauten Palazzo Dario (1450), Palazzo Angaran-Manzoni (1465), Vendramin-Calergi (von Pietro Lombardo, 1481; s. Tafel »Wohnhaus I«, Fig. 7), Corner-Spinelli (1500), Contarini delle Figure (1504), Fondaco dei Tedeschi (ehemaliges Kaufhaus der Deutschen, von 1506, jetzt zum Teil Post), Palazzo dei Camerlenghi (von Guglielmo Bergamasco, 1525), Palazzo Corner della Cà Grande (von Jac. Sansovino, 1532, jetzt Präfektur), Corner-Mocenigo und Grimani (beide von Sanmicheli, 1550), letzterer jetzt Appellhof, Manin (mit Fassade von Jac. Sansovino, 1560, jetzt Banca d'Italia), Pesaro (jetzt mit der modernen Gemäldegalerie) und Rezzonico (beide von Longhena, 1680) und der Barockbau der Dogana di Mare (1686).

[Bevölkerung, Erwerbszweige.] Die Zahl der Einwohner betrug 1901: 146,940 (als Gemeinde 151,840), darunter 30,000 Arme. An industriellen Etablissements besitzt die Stadt: das königliche Marinearsenal (zum Bau und zur Reparatur von Kriegsschiffen sowie zur Anfertigung von Geschützen und Artilleriematerial), mehrere private Schiffbauanstalten, Fabriken für Torpedos, Preßkohle, Asphalt, raffinierten Schwefel, Maschinen, Bronze und Messingwaren, Glas (200 Unternehmungen mit etwa 4000 Arbeitern, s. Glaskunstindustrie, S. 3), chemische Produkte, Zündwaren (insbes. Wachszünder), Kerzen und Seife, Mehl und Teigwaren, Bier, ferner Spinnereien und Webereien (für Baumwolle, Jute und Seide), Spitzenerzeugung, Färbereien, Wirkereien, Seilereien, Gerbereien, Buchdruckereien, eine staatliche Tabakfabrik, Fabriken für Handschuhe, Muschelarbeiten, Kunstblumen, Hüte etc. sowie ein Elektrizitätswerk. Der seit der Entdeckung Amerikas und der Auffindung des Seewegs nach Ostindien sehr gesunkene Handel Venedigs hat sich neuerdings wieder etwas gehoben. In neuerer Zeit wurden ein Dock, die Stazione marittima am Westende der Stadt, mit einem Hafenbassin, sowie ein Freilager für den Transithandel (Punto franco) erbaut. Die Wareneinfuhr zur See betrug 1904: 1,740,622 Ton., die Ausfuhr nur 250,343 T. Die Hauptartikel sind in der Einfuhr: Fette und Öle, Baumwolle, Kohlen, Holz, Wein, Branntwein, Zerealien, in der Ausfuhr Garne und Gewebe, Getreide und Mehl. Der Schiffsverkehr umfaßte 1904 im Einlauf 3466 handelstätige Schiffe von 1,703.200 T. (darunter 1361 Dampfer von 1,581,485 T.), im Auslauf 3452 handelstätige Schiffe von 1,713,171 T. (darunter 1370 Dampfer von 1,593,445 T.).

[Bildungsanstalten.] V. besitzt eine königliche Akademie der schönen Künste (1808 gegründet und in dem 1552 von Palladio erbauten Kloster Santa Maria di Carità und mehreren Anbauten untergebracht) mit einer reichhaltigen Gemäldesammlung, hauptsächlich von venezianischen Meistern, Tizian, Giov. Bellini, P. Veronese, Gentile Bellini, Paris Bordone, Carpaccio, Mantegna, Marcone, Pordenone u. a., eine Galleria d'arte moderna (seit 1902); ferner 2 Lyzeen und Gymnasien, ein Patriarchalgymnasium, ein Technisches Institut, 2 Technische Schulen, eine höhere Handelsschule (1903: 179 Schüler), eine nautische Schule, eine Schule für Schiffsmaschinisten, eine Hebammenschule, ein Priesterseminar mit Bibliothek von 60,000 Bänden; die große Bibliothek San Marco (1468 gegründet) mit 300,000 Bänden und 11,000 Manuskripten; das reichhaltige Staatsarchiv im ehemaligen Klostergebäude der Frari, das die Zeit vom 8.–18. Jahrh. umfaßt; eine Kunstgewerbeschule, eine Musikakademie, ein königliches Institut der Wissenschaften und Künste (1838 gegründet), ein Athenäum zur Hebung der Wissenschaften und der Literatur, beide mit Bibliothek; das archäologische Museum im Dogenpalast (antike Skulpturen, Münzen u. a.), das städtische Museum im ehemaligen Fondaco dei Turchi. Von den Theatern ist das Operntheater La Fenice, 1789 erbaut, 1836 von Meduna restauriert, das größte (für 3000 Zuschauer); außerdem bestehen die Theater Goldoni, Rossini, Malibran etc. An Wohltätigkeitsanstalten besitzt V.: ein großes Krankenhaus in der ehemaligen Scuola di San Marco (1485 erbaut, mit schöner Fassade), ein Militärhospital, 2 Irrenanstalten, ein Findelhaus, 2 Waisenhäuser, mehrere Versorgungsanstalten, ein Taubstummeninstitut u. a.

[Behörden etc.] V. ist Sitz des Präfekten, eines Appellhofs, eines Zivil- und Strafgerichtshofs, einer Finanzintendanz, eines katholischen Patriarchen und eines armenischen Erzbischofs, eines Marinekommandos, einer Handels- und Gewerbekammer, einer Filiale der Nationalbank, einer Börse, mehrerer Konsuln fremder Staaten (auch Deutschlands) und hat ein Zuchthaus und ein Frauengefängnis etc. V. bildet eine Festung, die gegen die Landseite durch das Fork Malghera und 14 über die Lagunen zerstreute kleinere Werke, nach der Seeseite hin durch die Forts San Niccolò am Porto di Lido, Alberoni und San Pietro am Porto di Malamocco, und 12 kleinere Werke auf den Lidi geschützt ist. Auch die Werke von Chioggia und das Fort von Brondolo gehören noch in das Verteidigungssystem von V. Eine schöne Gartenanlage (mit dem Gebäude für die zweijährlichen Kunstausstellungen) sind die 1807 unter Napoleon I. angelegten Giardini pubblici an der Südostspitze des Stadtgebiets; durch Lokaldampfer steht mit der Stadt in Verbindung der Lido, mit besuchten Seebädern und Anlagen. Der Friedhof von V. befindet sich auf der Insel San Michele (mit Kloster und Kirche aus dem 10. Jahrh., im 15. Jahrh. erneuert). Vgl. Yriarte, Venise. Histoire, art, industrie, etc. (Par. 1877); Tassini, Curiosità Veneziane (4 Aufl., Vened. 1887); Molinier, Venise, ses arts décoratifs, ses musées, etc. (das. 1889); Molmenti und Mantovani, Le Isole della Laguna Veneta (das. 1895); Pauli, Venedig (Bd. 2 der »Berühmten Kunststätten«, Leipz. 1898); Zacher, V. als Kunststätte (3. Aufl., Berl. 1907); Molmenti, Venezia (in der Sammlung »Italia artistica«, Bergamo 1903; deutsch von Bräuer, das. 1905); Semrau, Venedig, moderner Cicerone (Stuttg. 1905); Meyers Reisebücher: »Oberitalien und Mittelitalien«, von Gsell-Fels (8. Aufl., Leipz. 1907).

Geschichte

(Vgl. die »Karten zur Geschichte Italiens« im 10. Band.)

An der Nordwestseite des Venezianischen Meerbusens wohnten im Altertum die Veneter (s. d.), wahrscheinlich illyrischen Stammes, nach denen das Land Venetia genannt wurde (s. Karte bei »Italia«). Nach der Zerstörung Aquilejas und andrer Städte Venetiens durch Attila 452 flüchteten viele Einwohner von dem Festland auf die Inseln in den Lagunen. An der Spitze der einzelnen Inseln standen Tribunen, die auch nach der Eroberung Norditaliens durch die Langobarden unter byzantinischer Herrschaft verblieben und dem Exarchen von Ravenna unterstellt waren. Bereits im 8. Jahrh. war die aus der Vereinigung von Rialto und Olivolo allmählich erwachsene Stadt V. eine ansehnliche See- und Handelsmacht. Seit dieser Zeit stand sie unter gewählten Duces (Dogen), als deren erster Paulucius genannt wird. Die Oberhoheit von Byzanz über V. dauerte indessen fort und wurde nach der Gründung des abendländischen Kaisertums von Karl d. Gr. durch einen Vertrag von 812 ausdrücklich anerkannt. Erst im 10. Jahrh. verschwand sie, im 11. Jahrh. war V. trotz einiger Spuren des alten Verhältnisses tatsächlich eine selbständige, ebenso vom oströmischen wie vom römisch-deutschen Kaisertum unabhängige Republik, deren immer steigende Handelsblüte auf der Vermittelung zwischen Abendland und Morgenland beruhte.

Die Dogenwürde war im 9. und 10. Jahrh. zumeist im Besitz einiger vornehmen Familien, die sie dadurch erblich zu machen suchten, daß die jeweiligen Herrscher ihre Söhne zu Mitregenten ernennen ließen. Im 10. Jahrh. waren es namentlich die Dogen aus dem Hause Candiano, die, nachdem V. sich von den Folgen des verheerenden Ungarneinfalls von 899 erholt hatte, sein Ansehen nach außen hin beträchtlich hoben. Dann folgten Dogen aus dem Hause Orseolo, von denen Peter II. (991–1009) besonders hervorragte; er begründete die venezianische Herrschaft an der gegenüberliegenden Küste der Adria und nahm zuerst den Titel Herzog von V. und Dalmatien an. Unter der Regierung seines Sohnes Otto traten innere Wirren ein, infolge deren 1032 die Bestellung von Mitregenten bei Lebzeiten eines Dogen gesetzlich verboten wurde: damit ward die Erblichkeit des Dogenamtes ausgeschlossen. Bei wichtigern Regierungshandlungen holten später die Dogen den Rat der vornehmsten und angesehensten Bürger ein, die als die Weisen (sapientes) bezeichnet wurden; die Volksversammlung trat nur noch bei der Dogenwahl und der Entscheidung über Krieg und Frieden in Funktion. Durch ein Privileg von 1082 erhielt V. für die Unterstützung, die es den Griechen gegen die Normannen gewährte, ausgedehnte Handelsprivilegien im byzantinischen Reich; in Pera ward der venezianischen Kolonie ein eignes Viertel eingeräumt; dem Dogen Vitale Falieri (1084–96) überließ Kaiser Alexios die Herrschaft über Dalmatien und das griechische Istrien. Besonders aber vermehrten die Kreuzzüge, an denen die venezianischen Schiffe im Wetteifer mit denen Genuas und Pisas Anteil nahmen, Venedigs Handel und Seemacht. Die Kaufleute bereicherten sich bei der Versorgung der Kreuzheere mit Lebensmitteln und Kriegsmaterial und bei dem freien Handel mit der Levante, und der Staat gewann in den christlichen Gebieten des Orients feste Stützen für die Ausbreitung seiner Macht. Währenddessen bildete sich im Innern der Republik die aristokratische Verfassung immer mehr aus. Zufolge der gewöhnlichen Überlieferung 1172 nach einem Aufstand, in dem der Doge Vitale Michiele II. ermordet worden war, jedenfalls am Ende des 12. Jahrh., kam es zur festen Organisation des Kollegiums der Weisen, das nun als Großer Rat (Consiglio maggiore) bezeichnet wird und die höchste Staatsgewalt ausübte. Daneben bestanden als obere Regierungsbehörden der Kleine Rat oder die Signoria von V., bestehend aus dem Dogen und seinen sechs Räten, dann die Vierziger (quarantia) mit richterlichen, aber auch mit wichtigen, später noch vermehrten politischen Funktionen, deren drei Vorsteher (capi) im Laufe des 13. Jahrh. zur Signoria hinzutraten, endlich der schon 1230 fest organisierte Senat (Consiglio de' Pregadi genannt), der insbes. die auswärtige Politik leitete. Alle diese Behörden schränkten die Macht des Dogen, wenigstens in Friedenszeiten, auf ein Minimum ein.

Im J. 1177 wurde in V. der Friede zwischen Friedrich I. und Alexander 111. abgeschlossen. Die Macht der Republik erhielt eine gewaltige Steigerung unter dem 41. Dogen, Enrico Dandolo (s. d.). Dieser eroberte mit Hilfe der Kreuzfahrer 1203 und 1204 Konstantinopel, half das lateinische Kaiserreich errichten, das die Venezianer zu Herren und Meistern des Ostens machte, und erwarb der Republik vornehmlich den Besitz von Kandia und mehreren Inseln des Ägäischen und Ionischen Meeres. Die Eifersucht Genuas auf Venedigs Machtentwickelung rief in der Folge lange Kriege zwischen beiden Republiken hervor, in denen unter anderm Korfu den Venezianern in die Hände fiel. Große Nachteile brachte ihnen dagegen die Wiederherstellung des byzantinischen Kaisertums (1261), da ihre Rivalen, die Genuesen, die wesentlich zum Sturze des lateinischen Kaisertums beigetragen hatten, im Gebiete des griechischen Kaisers besondern Schutz fanden und den Handel der Venezianer überflügelten. Als nun nach der Eroberung Syriens durch die Sarazenen auch der syrische Handel sank und dadurch derjenige auf dem Schwarzen Meer erhöhte Wichtigkeit erhielt, entbrannte 1294 der Krieg zwischen den beiden Handelsrepubliken mit neuer Heftigkeit. Nach wechselndem Waffenglück ward die venezianische Flotte unter Andrea Dandolo von den Genuesen 7. Sept. 1298 bei Curzola gänzlich geschlagen, worauf 1299 in Mailand der Friede zustande kam. Unter dem Dogen Pietro Gradenigo wurde 1297 die aristokratisch-oligarchische Verfassung mittels der sogen. Schließung des Großen Rates (serrata del maggior Consiglio) vollendet, indem die Mitgliedschaft dieser obersten Staatsbehörde nur noch dem geschlossenen Kreise einer erblichen Aristokratie zugänglich blieb; die dazu gehörigen Familien der Nobili wurden später in dem Goldenen Buche der Republik verzeichnet. Die Verschwörungen, die infolge dieser Verfassungsänderung ausbrachen (so die des Tiepolo 1310), wurden niedergeschlagen; im Kampfe gegen sie ward der Rat der Zehn (Consiglio de' Dieci) mit ausgedehntester Vollmacht geschaffen, der anfangs nur für zwei Monate eingesetzt, aber nicht wieder aufgehoben und 1335 als permanente Behörde anerkannt wurde. Ihm gelang 1355 die Entdeckung der Verschwörung des Dogen Marino Falieri, der seinen Plan, die Verfassung umzustürzen, mit dem Leben bezahlte. Im 16. Jahrh. wurde als Organ des Rates der Zehn das Kollegium der Staatsinquisitoren eingeführt. Unter Francesco Dandolo (1329 bis 1339) wurde das Landgebiet der Republik in einem Kriege mit Mastino della Scala durch die Erwerbung der Landschaft Treviso vergrößert; dagegen kostete ein Krieg mit Ungarn V. 1358 die dalmatische Küste. Glücklicher war die Republik in einem unter Andrea Contarini (1367–82) geführten Kriege mit Padua. Auch Genua unterlag nach 130jährigem Kampfe: seine Flotte wurde 23. Dez. 1379 bei Chioggia geschlagen und das Heer 21. Juni 1380 zur Kapitulation gezwungen, worauf 1381 der Friede in Turin geschlossen wurde. Bald darauf (1387) begab sich Korfu aus neapolitanischer Herrschaft unter venezianische.

Nach dem Frieden mit Genua begann die glücklichste Periode der Geschichte Venedigs. Belluno, Bassano, Feltre, Vicenza, Verona und Padua mit ihren Gebieten wurden 1404 und 1405, Dalmatien und Friaul 1420 und 1421, Brescia und Bergamo 1428, Ravenna 1441, Crema 1448, die Inseln Zante und Kephallinia 1483, Rovigo 1484 Bestandteile des venezianischen Gebietes, und 1489 trat die Witwe des letzten Königs von Cypern, Catarina Cornaro, auch diese Insel an die Republik ab. Reich, mächtig und gefürchtet trat V. in die Neuzeit ein. Handel und Gewerbe, Wissenschaft und Künste blühten, die Abgaben waren gering, die Regierung war mild, solange es sich nicht um Politik handelte; das streng aristokratische Staatssystem verurteilte zwar die Masse des Volkes zu politischer Unmündigkeit, steigerte aber die Vaterlandsliebe und die staatsmännische Klugheit und Tätigkeit des herrschenden Adels. Ungeachtet der Schädigung, die sein Handel durch die Entdeckung des Seeweges nach Ostindien (1498) erlitt, behauptete V. seine Stellung als Vermittlerin des Verkehrs zwischen Orient und Okzident auch im 16. Jahrh. Dagegen ward das Vordringen der Osmanen, die 1453 Konstantinopel eroberten, dem Länderbesitz Venedigs im Orient verhängnisvoll; in den Friedensschlüssen von 1479, 1503 und 1540 mußte die Republik auf ihren Besitz im Osten, mit Ausnahme von Kreta, Cypern, den Ionischen Inseln und einigen Plätzen in Albanien, verzichten. Und nun erwuchs ihr auch in Italien die größte Gefahr: die am 10. Dez. 1508 geschlossene Liga zu Cambrai zwischen dem Papst, dem Kaiser und den Königen von Frankreich und Aragonien bezweckte nichts Geringeres als die Vernichtung des Freistaats. Es gelang jedoch der Republik, ihre Gegner zu trennen, indem sie 1511 mit Spanien und dem Papst und 1513 mit Frankreich ein Bündnis vereinbarte; im Frieden von 1517 erhielt V. das verlorne Verona zurück, büßte aber Cremona, die Ufer der Adda und Ravenna ein; auch blieben Roveredo, Riva und Gradisca noch in den Händen des Kaisers. Da 1570 die Türken Cypern angriffen, verband sich V. mit dem Papst, Genua und Spanien; seine Flotte focht mit in der siegreichen Seeschlacht von Lepanto 7. Okt. 1571; aber das schon vorher eroberte Cypern verblieb im Frieden von 1573 den Osmanen. 1645 entbrannte ein neuer Krieg mit der Pforte um Kreta, der 1669 trotz einiger glänzender Siege des venezianischen Feldherrn Francesco Morosini mit dem Verlust dieser Insel für V. endete. Erst die Niederlage der Türken vor Wien 1683 gab der Republik den Mut, ein neues Bündnis mit Österreich, Polen und Rußland gegen den Sultan zu schließen, und Morosini errang glorreiche Erfolge; doch behielt V. von seinen Eroberungen im Karlowitzer Frieden (1699) nur Morea, die Inseln Ägina und Santa Maura, dann Castelnuovo am Kanal von Cattaro und einige Plätze in Dalmatien. An dem Spanischen Erbfolgekrieg nahm V. keinen Teil, dennoch durchzogen die Österreicher und Franzosen verwüstend sein Gebiet. Nach einem neuen Kriege mit der Türkei verlor es im Passarowitzer Frieden (1718) Morea, wogegen es Korfu und Dalmatien behauptete.

Seitdem nahm die Republik an den großen Welthändeln kaum noch Anteil. Ihr Gebiet hatte 1722 21/2 Mill. Einw.; die Einkünfte betrugen 6 Mill. Dukaten, die Staatsschulden 28 Mill. Dukaten. Während des österreichisch-türkischen Krieges von 1736 bis 1739 war V. bemüht, seinen Handel gegen die Seeräubereien der Barbaresken zu schützen, sah sich aber dennoch in fortdauernde Händel mit den Türken verwickelt. In der europäischen Politik spielte es keine selbständige Rolle mehr, und die Stürme der französischen Revolution führten seinen Untergang herbei. Die Schwäche des Senats, der in dem Kampfe zwischen Österreich und Frankreich neutral zu bleiben suchte, erleichterte Bonaparte die Ausführung seines Planes, V. als Kompensationsobjekt bei den Friedensverhandlungen mit dem Wiener Hofe zu benutzen. Nach dem Abschluß der Präliminarien von Leoben erklärte er aus Anlaß wohl von ihm selbst hervorgerufener Unruhen, die im Frühjahr 1797 auf der Terra ferma ausbrachen, 1. Mai d. J. der Republik den Krieg. Vergebens versuchte V. durch eine demokratische Verfassungsänderung sein Schicksal abzuwenden, indem 12. Mai der Große Rat abdankte und 15. Mai der letzte Doge einer provisorischen Regierung die Staatsgewalt übergab. Am 16. rückten 3000 Franzosen in V. ein, das feindliche Truppen noch nie betreten hatten. Ohne Rücksicht auf das zwischen Bonaparte und der provisorischen Regierung geschlossene Abkommen wurde durch den Frieden von Campo Formio 17. Okt. 1797 das ganze Gebiet diesseit der Etsch mit Dalmatien und Cattaro an Österreich, das jenseit der Etsch an die Zisalpinische Republik, das nachmalige Königreich Italien, gegeben, dem durch den Frieden von Preßburg (26. Dez. 1805) auch das österreichische V. mit Dalmatien zufiel. Nach dem Wiener Frieden (1809) wurden die beiden Departements Passerino (Hauptstadt Udine) und Istrien (Hauptstadt Capo d'Istria) zu den illyrischen Provinzen Frankreichs geschlagen. Durch den ersten Frieden von Paris (1814) kam V. mit seinem Gebiet wieder an Österreich, das alle seine italienischen Provinzen zu dem Lombardisch-Venezianischen Königreich (s. Lombardei) verband. 1830 erhielt V. einen Freihafen.

Die Reformbewegungen in Italien fanden 1847 auch in V. begeisterten Anklang. Daniele Manin (s. d.) und Tommaseo überreichten der Regierung 21. Dez. 1847 Petitionen, in denen Reformen in der Verfassung und Verwaltung des Landes verlangt wurden. Die Regierung antwortete mit der Verhaftung der kühnen Antragsteller (18. Jan. 1848) und der Verkündigung des Standrechts, ließ aber jene nach der Wiener Revolution wieder frei. Darauf stellte sich Manin 22. März nach dem Mailänder Aufstand an die Spitze des Volkes, ließ das Arsenal besetzen und nötigte den Stadtkommandanten, die Stadt mit allem Kriegsmaterial den Aufständischen zu überliefern. Am folgenden Tage erfolgte die feierliche Proklamation der Republik von San Marco, an deren Spitze Manin als Präsident der provisorischen Regierung trat. Im Juli beschloß die Nationalversammlung den Anschluß an Sardinien, worauf Manin seine Entlassung nahm. Nach der Niederlage der Sardinier brach aber 11. Aug. ein neuer Aufstand aus, infolgedessen die sardinischen Kommissare sich zurückzogen; Manin übernahm die Diktatur und wurde 7. März 1849 zum Präsidenten der Republik ernannt. Nach der abermaligen Niederlage der Piemontesen bei Novara (23. März) wurde V. vom österreichischen General Haynau belagert. Nach einem furchtbaren Bombardement mußten die Belagerten 26. Mai das Fort Malghera den Österreichern überlassen, und 22. Ang. ergab sich die Stadt auf milde Bedingungen hin. V. verlor sein Freihafenprivilegium und erhielt es erst 20. Juli 1851 wieder; der Belagerungszustand wurde erst 1. Mai 1854 aufgehoben. Nach dem italienischen Kriege von 1859 beließ der Friede von Villafranca Venetien den Österreichern, die trotz ihrer finanziellen Bedrängnis den Verkauf des Landes an Italien ablehnten. Erst nach der Schlacht bei Königgrätz trat Österreich 4. Juli 1866 Venetien an den Kaiser Napoleon III. ab; dieser überließ es dem Königreich Italien, dem es, nachdem 8. Okt. die Österreicher V. geräumt und 22. Okt. das Volk in einer allgemeinen Abstimmung sich mit allen gegen 69 Stimmen für den Anschluß an Italien erklärt hatte, einverleibt wurde. Am 7. Nov. 1866 hielt König Viktor Emanuel seinen feierlichen Einzug in V.

Vgl. Daru, Histoire de la république de Venise (4. Aufl., Par. 1853, 9 Bde.; deutsch, Leipz. 1859, 4 Bde.); Cicogna, I dogi di Venezia (3. Aufl., Vened. 1867, 2 Bde.); Romanini, Storia di Venezia (das. 1854–61, 10 Bde.; Flor. 1875, 2 Bde.); Ranke, Zur venezianischen Geschichte (Werke, Bd. 42, Leipz. 1878); Molmenti, La storia di Venezia nella vita privata (4. umgearbeitete Aufl., Bergamo 1905 ff.; deutsch nach der 1. Aufl. von Bernardi, Hamb. 1886); Kretschmayr, Geschichte von V. (Bd. 1, Gotha 1905); Hazlitt, The Venetian republic, its rise, its growth and its fall (Lond. 1901, 2 Bde.); Medin, La storia della repubblica di Venezia nella poesia (Mail. 1904); Hodgson, The early history of Venice (Lond. 1901); Lentz, Das Verhältnis Venedigs zu Byzanz bis zum Ausgang des 9. Jahrh. (Berl. 1891; Fortsetzung in der »Byzantinischen Zeitschrift«, Bd. 3); Kohlschütter, V. unter Herzog Peter II. Orseolo (Götting. 1868); Baer, Die Beziehungen Venedigs zum Kaiserreich in der staufischen Zeit (Innsbr. 1887); Lenel, Die Entstehung der Vorherrschaft Venedigs an der Adria (Straßb. 1897); Zwiedineck-Südenhorst, Die Politik Venedigs während des Dreißigjährigen Krieges (Stuttg. 1882–85, 2 Bde.) und V. als Weltmacht und Weltstadt (2. Aufl., Bielef. 1906); Bernardy, Venezia e il Turco nella seconda metà del secolo XVII. (Flor. 1902); Malamani, Il settecento a Venezia (Turin 1891–92, 2 Bde.); Dandolo, La caduta della repubblica di Venezia (Vened. 1855); Bonnal, Chute d'une république. Venise (Par. 1885); Ottolenghi, Intorno la caduta della repubblica di Venezia (Padua 1899); Kovalewsky, La fin d'une aristocratie (a. d. Russ., Turin 1901); V. Marchesi, Settant' anni di storia di Venezia, 1798–1866 (das. 1892); Cecchetti, La repubblica di Venezia e la corte di Roma (2. Aufl., Vened. 1890); Perret, Histoire des relations entre la France et Venise (Par. 1896, 2 Bde.); Hain, Der Doge von V. 1032–1172 (Königsb. 1883); Claar, Die Entwickelung der venezianischen Verfassung 1172–1297 (Münch. 1895); Schmeidler, Der dux und das comune Venetiarum von 1141–1229. Beitrag zur Verfassungsgeschichte Venedigs (Berl. 1902); Simonsfeld, Der Fondaco dei Tedeschi in V. (Stuttg. 1887, 2 Bde.); Heynen, Zur Entstehung des Kapitalismus in V. (das. 1905); Ongania, Storia dell' arte a Venezia (Vened. 1890); Cicogna, Delle iscrizioni veneziane (das. 1824–53, 7 Bde.) und Saggio di bibliografia Veneziana (das. 1847; Fortsetzung von Soranza, das. 1885).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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