Stubenvögel

Stubenvögel

Stubenvögel (Käfigvögel, hierzu die Tafeln »Stubenvögel I u. II«). Die Liebhaberei für S. ist uralt. In Indien, Japan und China richtet man schon seit Jahrtausenden kleine Vögel zu Kampfspielen ab. Alexander d. Gr. brachte den ersten Papagei von seinem Zuge aus Asien mit, und auch später haben bei Eroberungen und Entdeckungen prächtige Schmuckvögel die Triumphzüge der Heimkehrenden verherrlicht. Aus Amerika, wo die Peruaner seit alten Zeiten Papageien zähmten, brachte Kolumbus diese Vögel nach Europa. In Deutschland fanden der Fink und der Dompfaff in manchen Landstrichen, wie in Tirol, im Harz und in Thüringen, begeisterte Freunde, und dem Vogelmarkt, der sich in manchen Städten außerordentlich entwickelte, verdankt auch die Wissenschaft manche Bereicherung. Viel größere Verbreitung als irgend ein heimischer Vogel fand aber der Kanarienvogel, dem sich seit dem Beginn des 18. Jahrh. andre überseeische Sing- und Schmuckvögel anschlossen. Schon 1790 gab Vieillot ein besonderes Werk über diese heraus. Zu Bechsteins Zeit wurden 72 Arten fremdländischer Vögel nach Deutschland eingeführt, und 1858 gab Bolle ein Verzeichnis von 51 Arten. Zehn Jahre später nahm aber diese Liebhaberei einen außerordentlichen Aufschwung, und wenn damals die Zahl der eingeführten Arten auf 250 veranschlagt werden konnte, so hat sie sich jetzt auf etwa 800 gesteigert. Neben den Singvögeln, wie Spottdrossel und andre Drosseln, Grasmücken, Finken, Starvögel, Bülbüls etc., spielen Prachtfinken (Astrilds und Amadinen), Witwenvögel (Widafinken), Weber, Reisvogel, Tangaren, Sonnenvogel, Dominikanerfink, Kardinal und Papageien die größte Rolle und erregen besonderes Interesse dadurch, daß viele in der Gefangenschaft auch zur Brut schreiten. Man züchtet die fremdländischen S. vielfach in Vogelstuben oder Heckkäfigen, und der Handel mit den bei uns gezüchteten fremdländischen Vögeln erreicht bereits einen namhaften Betrag. Neuerdings züchtet man aber auch vielfach einheimische Finken und selbst Insektenfresser in Volieren und Vogelstuben. Trotz der großen Mannigfaltigkeit der fremdländischen sind aber auch die einheimischen Vögel noch immer ein bedeutsamer Gegenstand der Liebhaberei. Sprosser, Nachtigall, Schwarzplättchen, von Südeuropa her Stein- und Blaudrossel sind von großer Wichtigkeit für den Vogelhandel, dann nicht minder verschiedene Grasmücken, Rot- und Blaukehlchen, Meisen, Drosseln, Hänfling, Stieglitz, Edelfink, Gimpel etc., die auch zugleich zahlreich nach Nordamerika und andern Weltteilen ausgeführt werden. Eine besondere Gruppe bilden die abgerichteten oder gelernten Vögel, wie der Gimpel, Stein- und Blaudrosseln, Amsel, Star etc., vor allem der Kanarienvogel. Die beifolgenden Tafeln zeigen eine Auswahl der beliebtesten ausländischen und heimischen S.-Über die Gesundheitszeichen aller S. ist folgendes zu sagen: jeder Vogel muß munter und frisch aussehen, natürliche Lebhaftigkeit, glatt anliegendes, am Unterleib nicht beschmutztes Gefieder, nicht trübe oder matte Augen, nicht verklebte oder schmutzige Nasenlöcher, keinen spitz hervortretenden Brustknochen haben; er darf nicht traurig, struppig oder aufgebläht dasitzen und nicht kurzatmig sein; abgestoßenes Gefieder, fehlender Schwanz und beschmutzte Federn bergen nicht immer Gefahr, doch muß bei Wurmvögeln dann wenigstens ein voller Körper vorhanden sein. Die Fütterung soll der Ernährung im Freileben gleichen, und daher lassen sich keine allgemein gültigen Regeln geben. Die hauptsächlichsten Futtermittel für alle Körnerfresser sind Hanf, Kanariensame, Hirse, Hafer etc., für die Insektenfresser: frische oder getrocknete Ameisenpuppen, Mehlwürmer, Eierbrot, Eikonserve u. dgl. wie auch süße Beeren und andre Früchte. Unentbehrlich sind auch Kalk (Sepia, wohl auch Mörtel von alten Wänden) und sauberer, trockener Stubensand. Reinlichkeit, sorgfältige Bewahrung vor Zugluft, Nässe, schnellem Temperaturwechsel, plötzlichem Erschrecken und Beängstigen sind die hauptsächlichsten Hilfsmittel zur Erhaltung der Gesundheit für alle S. Vgl. die Schriften von Karl Ruß (s. d. 2); Friderich, Naturgeschichte der deutschen Vögel (4. Aufl., Stuttg. 1891); Reichenbach, Die Singvögel (als Fortsetzung der »Vollständigsten Naturgeschichte«); Adolf und Karl Müller, Gefangenleben der besten einheimischen Singvögel (Leipz. 1871); Lenz, Naturgeschichte der Vögel (5. Aufl., Gotha 1875); A. E. Brehm, Gefangene Vögel (Leipz. 1872–75, 2 Bde.); Walter, Die Vogelzucht (Berl. 1900) und Unsre einheimischen und kerbtierfressenden S. (Leipz. 1898); Zürn, Die einheimischen Stubensingvögel (das. 1897); G. Müller, Die S. (2. Aufl., Berl. 1902); Weller, Unsre einheimischen S. (3. Aufl. von Walter, Leipz. 1902); Schuster, Deutsche Käfigvögel (Berl. 1907), und die Zeitschrift »Die gefiederte Welt« (1872 begründet von Ruß, Magdeb.).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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