Schwan [2]

Schwan [2]

Schwan (Cygnus L.), Gattung der Schwimmvögel aus der Familie der Zahnschnäbler, große Vögel mit gestrecktem Leib, sehr langem Hals, mittelgroßem Kopf, geradem Schnabel von Kopflänge, der an der Wurzel nackt oder höckerig ausgetrieben, an der Spitze flach gewölbt ist und in einen rundlichen Nagel ausgeht, niedrigen, starken, weit nach hinten gestellten Beinen und großen Schwimmhäuten, finden sich in allen Erdteilen, besonders in der gemäßigten und kalten Zone der nördlichen Halbkugel, auf Seen, Flüssen und Sümpfen. Alle zehn Arten wandern, aber die in gemäßigten Ländern brütenden streichen oft im Winter nur umher. Sie nisten gern in süßen Gewässern, nach der Brutzeit aber gehen sie aufs Meer. Sie sind ausschließlich Tagtiere, gehen und fliegen wenig, schwingen sich nur vom Wasser auf und lassen sich auch nur auf dieses herab. Sie nähren sich von Pflanzenstoffen, Kerbtieren, Würmern, Muscheln, Fischen, kleinen Lurchen etc. und erreichen ihre Nahrung durch Gründeln. Ihre Schönheit und Anmut nehmen sehr für sie ein; sie bekunden aber oft genug Herrschsucht, Rauflust und Bosheit. Nur die Schwäne gleicher Art bilden größere Gesellschaften. Männchen und Weibchen halten für das ganze Leben zusammen und sind sehr zärtlich gegeneinander. Das Weibchen brütet allein, aber das Männchen beschützt es und beteiligt sich an der Brutpflege. Der Höckerschwan (stummer, zahmer S., Cygnus olor Gm.), 1,8 m lang, 2,6 m breit, reinweiß, in der Jugend grauweiß, mit kopflangem, gelbrotem Schnabel mit schwarzem Höcker, lebt in Dänemark, Südschweden, auf der Balkanhalbinsel, im südlichen Uralgebiet und in Turkistan, zieht im April und Oktober meist an den Küsten durch Mitteleuropa, überwintert am Mittelmeer und in Nordindien, erscheint im Herbst häufig an der Ostsee, nistet im Mai, vereinzelt in Norddeutschland, sonst in Nordeuropa, an Ufern und legt 6–8 grünlichweiße, blaugrau gefleckte Eier (s. Tafel »Eier II«, Fig. 12). Das Ei mißt 128 × 70 mm, wiegt 414 g und ist das größte Ei der europäischen Vogelwelt. Er soll sehr alt werden und wird allgemein gezähmt und halb gezähmt auf Teichen und Flüssen (Spree und Havel) gehalten. Der unveränderliche S. (C. immutabilis Yarr.), dessen Gefieder schon in der Jugend weiß ist, bewohnt den hohen Norden und erscheint als nicht häufiger Wintervogel auf der Nordsee. Der Zwergschwan (C. Bewicki Yarr.), kleiner als die vorigen, mit dünnem Hals und an der Wurzel sehr hohem Schnabel, bewohnt Nordeuropa und Nordasien und erscheint bisweilen als Durchzug- und Wintervogel an der Nordseeküste. Der Singschwan (wilder S., C. cygnus L., C. musicus Rchw., s. Tafel »Schwimmvögel I«, Fig. 1), 1,6 m lang, 2,5 m breit, von gedrungener Gestalt, mit kürzerm, dickerm Hals und gelbem, an der Spitze schwarzem, höckerlosem Schnabel, ist reinweiß, bewohnt Nordeuropa und Nordasien, geht im Winter bis Südeuropa, Turkistan, China, Japan, erscheint im Oktober an den Seeküsten und durchfliegt Deutschland im November sowie im Februar und März. Er überwintert zum Teil an unsern Seeküsten, einzeln auch in Süddeutschland. Er hat eine laute, besonders aus der Ferne wohlklingende Stimme, die er auch im Flug und in der Not, z. B. im Winter, wenn die Untiefen mit Eis bedeckt sind und ihm dadurch die Nahrung verschlossen ist, anhaltend hören läßt. Verfallen die Schwäne hier, am Weiterziehen durch Ermattung verhindert, nach und nach dem Hungertod, so erschallen doch bis aus Ende ihre melancholischen Töne. Sie sind sehr heftig und zanksüchtig, jung eingefangene werden aber leicht zahm. Sie nisten im hohen Norden und in Griechenland, bauen große, auf kleinen Inseln feststehende oder schwimmende Nester und legen im Mai 5–7 gelblichweiße oder bräunlichgelbe Eier. Man jagt die Schwäne im Norden besonders des Fleisches halber und erschlägt sie in ihren Brutteichen während der Mauser mit Stöcken; auch die Federn (s. d.) werden verwertet. Gerupft und gegerbt geben die Häute ein schönes duftiges Pelzwerk, das naturell oder gefärbt zu Besätzen verwendet wird (Schwan, Schwanpelz). Der Schwarzhalsschwan (C. nigricollis Steph.), mit schwarzem Kopf und Hals und hochrotem Schnabelhöcker, Zügelstreifen und Fuß, sonst weiß, 1 m lang, lebt in Südamerika, an der Westküste nördlich bis Peru, an der Ostküste bis Santos in Brasilien und hat sich hier und da in europäischen Tiergärten fortgepflanzt. Der Trauerschwan (schwarzer S., C. atratus Vieill., s. Tafel »Schwimmvögel I«, Fig. 2), etwas kleiner als der Höckerschwan, schwarz mit rotem Schnabel, lebt in Südaustralien und Tasmania, im Innern noch in großen Scharen, ist aber auf weite Strecken schon ausgerottet. In der Gefangenschaft pflanzt er sich regelmäßig fort. – Bei den alten Griechen galt der S. als der heilige Vogel des Apollon, von dem er selbst die Gabe der Weissagung empfangen haben sollte. Daraus erklären sich Ausdrücke wie »S. von Mantua« (für Vergil), »S. vom Avon« (für Shakespeare) u. a. Im mythischen Hesperien, am Eridanos und an der Küste des Ligyerlandes sollen die Schwäne ihren Tod durch schönen klagenden Gesang vorausverkündigt haben; daher der Ausdruck Schwanengesang für das letzte Lied eines Dichters. Den Schiffern galten Schwäne als günstiges Omen. Jupiter genoß die Umarmung der Leda in Gestalt eines Schwanes. In der germanischen Mythologie stand der S. in engster Beziehung zu den in Luft und Wasser waltenden Lichtgottheiten und ebenfalls im Rufe der Weissagung; daher die noch jetzt zur Bezeichnung einer Vorahnung üblichen Ausdrücke: »Es schwant mir« oder »mir wachsen Schwanenfedern«. Auf Rügen vertritt der S. den Storch als Kinderbringer. Der S. ist wie Gans, Ente, Eisvogel, Augurium des Endes der regnerischen, winterlichen Jahreszeit. Stirbt der S., so kehrt die Sonne, der Frühling, der junge Held zurück. Kommt der Held, von dem S. gezogen, zu dem schönen Mädchen, so darf ihn niemand fragen, woher er kommt, der S. würde ihn sonst in das Reich des Todes zurückführen (Sage vom Schwanenritter). Gewisse göttliche Wesen, namentlich die Walküren, die Wald- und Wasserfrauen, liebten es, Schwanengestalt anzunehmen (s. Schwanenjungfrauen). Vgl. Cassel, Der S. in Sage und Leben (Berl. 1872).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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