Säule [2]

Säule [2]

Säule (hierzu Tafel »Säulenordnungen«, mit Text), eine lotrechte, zylindrische oder schwach konische Stütze von Stein, Eisen oder Holz zur Übertragung der mehr oder minder ausgebreiteten, frei schwebenden Last einer Decke, eines Fußbodens, eines Daches oder einer Überführung auf einen räumlich möglichst eingeschränkten Teil des Unterbaues. Da die Druckfestigkeit des Steines, Holzes und Eisens sich durchschnittlich wie 1: 10: 100 verhält, so sind, wo es sich um möglichste Raumersparnis handelt, die eisernen Säulen vorzuziehen, während die steinernen Säulen bei Gebäuden von monumentalem Charakter, die hölzernen Säulen bei interimistischen Bauwerken (Ausstellungsbauten u. dgl.) Anwendung finden. Unter den Säulen der alten Baustile, des ägyptischen, persischen und griechischen Stils (s. Tafeln »Architektur I-III«), zeichnen sich besonders die des letztern durch den Adel ihrer Formen und Verhältnisse aus und haben den Säulen des etruskischen, römischen und Renaissancestils (s. Tafeln »Architektur IV, V, X, XI«) mehr oder minder als Vorbilder gedient. Die griechischen Säulen treten in drei verschiedenen Grundformen auf, worunter die dorischen (s. Tafel »Säulenordnungen«, Fig. 1–3) die einfachsten Formen und schwersten Verhältnisse, die ionischen (Fig. 4–6) flüssigere Formen und leichtere Verhältnisse, die korinthischen (Fig. 7) die reichsten Formen und schlanksten Verhältnisse zeigen. Nachdem man diese Formen und Verhältnisse als Richtschnur für spätere Bauperioden aufgenommen und zusammengestellt hat, unterscheidet man die dorische, ionische und korinthische Säulenordnung. Als Beispiele der römischen (der griechisch-korinthischen nachgebildeten) Säulenordnung können Fig. 8 u. 9 dienen. Weiteres über die einzelnen Teile der griechisch-römischen Ordnungen s. bei den Erläuterungen zu beifolgender Tafel.

Unter den Säulen der spätern Baustile treten diejenigen des romanischen, gotischen und Renaissancestils in den Vordergrund. Für diese Säulen blieb mit größern oder kleinern Modifikationen die mit Unterlagsplatte versehene attische Basis maßgebend, die bei dem romanischen und gotischen Stil niedriger gehalten und energischer so profiliert wird, daß weiter hervortretende, selbst scharfe Wülste entstehen und eine tief eingeschnittene Hohlkehle zwischen ihnen verbleibt. Zur Vermittelung des untern Wulstes mit den hervortretenden Ecken der Unterlagsplatte dienen bei der romanischen Basis nicht selten vier Eckblätter. Der Schaft der romanischen S. ist meist glatt, seltener mit Mustern überzogen und zylindrisch oder mehr oder minder stark konisch, während sich der Schaft der gotischen S. als der Komplex eines starken Säulen- oder Pfeilerkerns mit 4, 8, 12 oder mehr schlanken Säulchen (Diensten) darstellt (s. Tafel »Kölner Dom III«, Fig. 4 u. 5). Der Schaft der Renaissancesäule nähert sich wieder der römischen, er ist, wofür sich übrigens auch Beispiele in der spätern antiken Architektur finden, oft nur teilweise kanneliert und teilweise glatt oder mit spiralförmig verlaufenden Kannelüren versehen. Am eigenartigsten stellt sich das romanische Kapitell dar, das auch eine (gegliederte) Deckplatte und einen Halsring besitzt. Während bei dem dorischen, ionischen und korinthischen Kapitell vorzugsweise die quadratische Deckplatte die Vermittelung zwischen dem runden Schaft und dem eckigen Architrav vollzieht, übernimmt sie hier dessen zwischen Deckplatte und Halsring befindlicher Teil, der eine Durchdringung von Würfel und Halbkugel bildet, wovon der erstere sich an die viereckige Deckplatte, die letztere an den runden Halsring anschließt. Dieser Vermittelungskörper, der das romanische Würfelkapitell (Knauf) charakterisiert, tritt beim romanischen Baustil in den verschiedensten Abwandlungen und mit den verschiedensten, aus vegetabilischen, animalischen und aus beiden Elementen zusammengesetzten Ornamenten auf. Auch die Kelche des gotischen Kapitells vollziehen jene Vermittelung zwischen den eckigen Deckplatten und den runden Diensten, indem sie aus dem Runden in das Eckige übergehen und mit meist naturalistischen Pflanzengebilden bekleidet sind, die jene Vermittelung unterstützen (s. Tafel »Kölner Dom II«, 5).

Fig. Knotensäulen.
Fig. Knotensäulen.

Das Renaissancekapitell enthält fast stets Anklänge an das korinthische. In der Zeit des Barockstils geht der Begriff der S. als Stütze oft verloren.

Unter Halbsäule versteht man eine nur teilweise aus einer Wandfläche vorspringende S., wie sie z. B. an dem Zeustempel zu Agrigent vorkommt; unter einer gekuppelten S. (Abbildung s. Gekuppelt) eine aus zwei dicht nebeneinander stehenden Säulen gebildete Stütze, die erst in der spätern antiken Architektur Eingang fand. Auch in der Renaissance findet die gekuppelte S. nicht selten Anwendung, um breitere Bogenkämpfer aufzunehmen oder breitere Wandstreifen zu maskieren (s. Tafel »Architektur X«, Fig. 6). Bei der Unterbrechung starker Mauern durch Bogenstellungen, z. B. in der romanischen Periode, werden die Bogenkämpfer nicht selten durch zwei hintereinander gestellte Säulchen oder Doppelsäulen unterstützt. Knotensäulen, die in der romanischen Architektur vorkommen, sind dünne, in halber Höhe durch eine Knotenverschlingung verbundene Säulen (Textfig. 1).

Vgl. außer Vitruvius' »De architectura libri X« (deutsch von Reber, Stuttg. 1865) und den Werken über Architekturgeschichte (s. Architektur und Baustil): J. M. v. Mauch, Die architektonischen Ordnungen (8. Aufl. von Borrmann, Berl. 1896; Ergänzungsheft 1902, Nachtrag 1905); K. Bötticher, Die Tektonik der Hellenen (2. Aufl., das. 1874–81); Bühlmann, Die Säulenordnungen (3. Aufl., Stuttg. 1904); Diesener, Die Säulenordnungen (3. Aufl., Halle 1900–04, 2 Tle.).

Säulen als Träger von Statuen u. dgl. sind schon seit den ältesten Zeiten in Griechenland üblich gewesen, sowohl auf Gräbern, um Vasen und andern Grabschmuck emporzuheben, als in den Heiligtümern, um Weihegeschenke und Götterbilder zu tragen (Fig. 2). In der römischen Kunst wurden derartige Freisäulen auch zur Herstellung von Denkmälern verwandt, wobei dann oft auch der Säulenschaft zum Träger von figürlichen Darstellungen gemacht wurde.

Fig. 2. Athenastatue auf einer Säule der Akropolis. Vasenbild.
Fig. 2. Athenastatue auf einer Säule der Akropolis. Vasenbild.

Vor allen gehören hierher die Säulen des Trajan und des Mark Aurel in Rom, Bildungen, die auch in der Neuzeit, besonders im Anfange des 19. Jahrh., Nachfolge gefunden haben (Säule auf dem Belle-Allianceplatz, Invalidensäule und Siegessäule in Berlin, Nelsonsäule in London, Vendômesäule in Paris etc.).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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