Ritter [4]

Ritter [4]

Ritter, 1) Karl, berühmter Geograph, geb. 7. Aug. 1779 in Quedlinburg, gest. 28. Sept. 1859 in Berlin, ward in der Erziehungsanstalt zu Schnepfenthal erzogen, widmete sich dann in Halle, namentlich unter Niemeyers Leitung, pädagogischen Studien, kam 1798 als Hauslehrer zum Bankier Bethmann-Hollweg in Frankfurt a. M., machte in dieser Stellung mehrere Reisen durch die Schweiz, Savoyen, Frankreich und Italien und hielt sich 1814–19 in Göttingen auf, um die Schätze der dortigen Bibliothek zu benutzen. 1819 ward er als Professor der Geschichte am Gymnasium in Frankfurt a. M. angestellt, aber schon im folgenden Jahr als außerordentlicher Professor der Erdkunde an die Universität nach Berlin berufen, wo er bald darauf auch Lehrer an der Kriegsschule sowie Mitglied der Akademie und Studiendirektor der königlichen Kadettenanstalt wurde. An der Gründung und Entwickelung der Berliner Gesellschaft für Erdkunde nahm R. lebhaften Anteil. R. ist zusammen mit dem kurz ihm im Tode vorausgegangenen A. v. Humboldt der Begründer der sogen. vergleichenden Erdkunde und hat hiermit erst die Geographie zur Wissenschaft erhoben. Sein (unvollendet gebliebenes) Hauptwerk: »Die Erdkunde im Verhältnis zur Natur und zur Geschichte des Menschen« (Berl. 1817–18, 2 Bde.), das er in der 2. Auflage nach einem großartig erweiterten Plan bearbeitete, so daß der 1. Band (2. Aufl., das. 1822) Afrika als abgeschlossenes Ganze behandelt, während die folgenden 9 Bände in 19 Teilen (das. 1832–59) die Beschreibung von Asien gewidmet sind. Außerdem schrieb R.: »Europa, ein geographisch-historisch-statistisches Gemälde« (Frankf. 1804–07, 2 Bde.); »Die Vorhalle europäischer Völkergeschichte vor Herodot« (Berl. 1820). Seine in den Schriften der Akademie niedergelegten Abhandlungen über geographische Gegenstände hat er in der »Einleitung zur allgemeinen vergleichenden Geographie und Abhandlungen zur Begründung einer mehr wissenschaftlichen Behandlung der Erdkunde« (Berl. 1852) gesammelt. Zur Erläuterung seiner »Erdkunde« gab er in Verbindung mit Etzel einen von Grimm, Mahlmann und Kiepert fortgesetzten »Atlas« heraus. Seine Vorlesungen wurden nach seinem Tod unter den Titeln: »Geschichte der Erdkunde und der Entdeckungen« (Berl. 1861, 2. Aufl. 1880), »Allgemeine Erdkunde« (das. 1862) und »Europa« (das. 1863) von Daniel, sein Briefwechsel mit dem Minerologen Hausmann von Wappäus (Leipz. 1879) veröffentlicht. Zu seinem Andenken wurden die Karl Ritter-Stiftungen in Berlin und Leipzig gegründet, welche die Förderung der Geographie zum Zweck haben. Seine Vaterstadt errichtete ihm 1864 ein Denkmal; sein Bildnis s. Tafel »Geographen« bei Artikel »Erdkunde«. Sein Leben beschrieben G. Kramer (nach Ritters hand schriftlichem Nachlaß, 2. Aufl., Halle 1875) und W. L. Gage (engl., Lond. 1867). Vgl. Marthe, Was bedeutet K. R. für die Geographie? (Berl. 1880), und Fr. Ratzels Beitrag zu K. Ritters 100jährigem GeburtstageKleine Schriften«, Bd. 1, Münch. 1906).

2) Heinrich, Geschichtschreiber der Philosophie und Philosoph. geb. 21. Nov. 1791 in Zerbst, gest. 3. Febr. 1869 in Göttingen, studierte in Halle, Göttingen und Berlin Theologie und Philosophie, war seit 1817 Privatdozent, seit 1824 außerordentlicher Professor der Philosophie in Berlin, seit 1833 ordentlicher Professor in Kiel, von 1837 bis zu seinem Tod in Göttingen. R., der unter Schleiermachers Einfluß steht, hat sich besonders als Geschichtschreiber der Philosophie durch umfassende Gelehrsamkeit, streng historische Nüchternheit und objektive Beurteilung ausgezeichnet. Sein Hauptwerk ist die »Geschichte der Philosophie« (Hamb. 1829–53, 12 Bde.; Bd. 1–4 in 2. Aufl. 1836 bis 1853), die bis auf Kant zurückreicht. Daran reiht sich der »Versuch zur Verständigung über die neueste deutsche Philosophie seit Kant« (Braunschw. 1853) und »Die christliche Philosophie bis auf die neuesten Zeiten« (Götting. 1858–59, 2 Bde.), ein bis auf die Neuzeit fortgeführter Auszug aus dem ersten Werk. Außerdem sind zu nennen: »Abriß der philosophischen Logik« (Berl. 1824, 2. Aufl. 1829); die mit Preller herausgegebene »Historia philosophiae graecoromanae« (das. 1838; 8. Aufl., besorgt von Wellmann, Gotha 1898); »Kleine philosophische Schriften« (Kiel 1839–40, 3 Bde.; Bd. 1: Prinzipien der Rechtsphilosophie; Bd. 2: Prinzipien der Ästhetik); »Unsterblichkeit« (Leipz. 1851, 2. erweiterte Aufl. 1866); »System der Logik und Metaphysik« (Götting. 1856, 2 Bde.); »Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften« (das. 1862–64, 3 Bde.); »Ernst Renan, über die Naturwissenschaften und die Geschichte« (Gotha 1865); »Philosophische Paradoxen« (Leipz. 1867); »Über das Böse und seine Folgen« (Gotha 1869).

3) August Gottfried, Organist, geb. 25. Aug. 1811 in Erfurt, gest. 26. Aug. 1885 in Magdeburg, bildete sich unter L. Berger, A. W. Bach und Rungenhagen in Berlin, wurde 1837 Organist und Lehrer in Erfurt, 1844 Domorganist in Merseburg und 1847 Domorganist in Magdeburg. Er ist besonders durch seine »Kunst des Orgelspiels« (8. Aufl., Leipz. 1877, 3 Tle.) bekannt geworden. Außerdem veröffentlichte er vier Orgelsonaten, zahlreiche Choral-Vor- und Nachspiele, Choralbücher, Variationen, Fugen etc. für Orgel, auch ein Klavierkonzert, ein Streichquartett, Klaviersonaten, Männerchöre, Lieder etc., redigierte die vier ersten Jahrgänge (1844–47) der Orgelzeitung »Urania«, beteiligte sich an den Sammelwerken »Orgelfreund« (5 Bde.) und »Orgelarchiv« und schrieb: »Zur Geschichte des Orgelspiels im 14. bis 18. Jahrhundert« (Leipz. 1884, 2 Bde.).

4) Henry, amerikan. Maler, geb. 26. Mai 1816 zu Montreal in Kanada, gest. 21. Dez. 1853 in Düsseldorf, machte seine Studien bei Gröger in Hamburg, dann drei Jahre bei Sohn in Düsseldorf und erhielt hierauf ein Atelier der Meisterklasse an der Akademie daselbst. Seine von Jordan beeinflußten Genrebilder sind meist dem Seemanns- und Fischerleben entnommen und zeichnen sich durch naturwahre Charakteristik aus. Die bedeutendern sind: Schmuggler, von englischen Dragonern angegriffen (1839); der Aufschneider (1841); der Heiratsantrag in der Normandie (1841, Museum in Leipzig); der ertrunkene Sohn des Lotsen (1844, Ravené-Galerie in Berlin); der Wilddieb (1847); Middys Predigt (1852, Museum in Köln); Präriebrand (1852, Kunsthalle in Hamburg). Er hat auch radiert und viel auf Stein gezeichnet.

5) August, Ingenieur, geb. 11. Dez. 1826 in Lüneburg, studierte seit 1843 an der Polytechnischen Schule in Hannover, trat 1846 in eine Maschinenfabrik, studierte dann seit 1850 in Göttingen, widmete sich 1853 wieder der Praxis, wurde 1856 Lehrer für Mechanik und Maschinenbau in Hannover und 1870 Professor an der Technischen Hochschule in Aachen. 1900 trat er in den Ruhestand. Er gab eine Schnittmethode an zur Berechnung von Spannungen in den Konstruktionsteilen von Dächern und Brücken und schrieb: »Elementare Theorie und Berechnung eiserner Dach- und Brückenkonstruktionen« (Hannov. 1863; 6. Aufl., Leipz. 1904); »Lehrbuch der technischen Mechanik« (Hannov. 1864; 8. Aufl., Leipz. 1900); »Lehrbuch der analytischen Mechanik« (Hannov. 1873) und »Lehrbuch der Ingenieurmechanik« (das. 1874–1876, 2 Tle.; beide Werke in 3. Aufl., Leipz. 1899); »Anwendungen der mechanischen Wärmetheorie auf kosmologische Probleme« (Leipz. 1879).

6) Paul, Maler und Radierer, geb. 4. März 1829 in Nürnberg, wurde im vierten Lebensjahr taubstumm, bildete sich bei Karl Heideloff im Zeichnen, Radieren und Architekturmalen aus und erweiterte dann seine Kenntnisse durch Studienreisen. Anfangs nur als Zeichner und Radierer für architektonische Werke tätig, kultivierte er seit dem Anfang der 1870er Jahre auch die Ölmalerei und schuf eine Reihe von Innenansichten und Straßenarchitekturen, meist nach Motiven aus Nürnberg, oft geschichtlichen Inhalts. Seine zum Teil durch reiche Staffage belebten Hauptwerke sind: Inneres der Lorenzkirche (1874), Hof des Pellerschen Hauses (1876), der Schöne Brunnen (1880), die alte Schranne mit der Sebalduskirche 1632 (1886), der Rathaushof und der Marktplatz in Nürnberg (1888), Kaiser Matthias' Ehrenpforte in Nürnberg 1612 (1890). 1888 wurde er zum Professor ernannt.

7) Lorenz, Maler und Radierer, Bruder des vorigen, geb. 27. Nov. 1832 in Nürnberg, war ebenfalls Schüler von Heideloff und ist zumeist als Architekturzeichner für illustrierte Werke und als Aquarellmaler tätig. Er gab heraus. »Malerische Ansichten aus Nürnberg« (25 Radierungen mit Text von Dohme, Berl. 1876). Auch hat er einige radierte Einzelblätter nach Motiven aus Nürnberg, Prag, Lübeck etc. ausgeführt.

8) Moritz, deutscher Geschichtsforscher, geb. 16. Jan. 1840 in Bonn, studierte 1857–62 Geschichte, trat bei der Historischen Kommission in München als Mitarbeiter bei der Herausgabe der Wittelsbachischen Korrespondenz ein, von der er »Briefe und Akten zur Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs«, Bd. 1: Die Gründung der Union. 1598–1608; Bd. 2. Die Union und Heinrich IV. 1607–1610; Bd. 3: Der Jülicher Erbfolgekrieg (Münch. 1870–78), herausgab, habilitierte sich 1867 für Geschichte in München und wirkt seit 1873 als Professor in Bonn. Er schrieb ferner: »De Diocletiano novarum in re publica institutionum auctore« (Bonn 1862); »Geschichte der deutschen Union« (Schaffh. 1867–73, 2 Bde.); »Sachsen und der Jülicher Erbfolgestreit« (Münch. 1873); »Deutsche Geschichte im Zeitalter der Gegenreformation« (Stuttg. 1887–1901, Bd. 1–3) u.a.

9) Anna, geborne Nuhn, Dichterin, geb. 23. Febr. 1865 in Koburg, kam mit ihren Eltern früh nach New York, kehrte wieder nach Deutschland zurück, besuchte verschiedene weibliche Bildungsstätten, heiratete 1884 in Kassel den Regierungsrat R., wurde aber schon 1893 Witwe und lebt jetzt in Berlin. Sie veröffentlichte außer einigen Novellen zwei Sammlungen lyrischer Erzeugnisse: »Gedichte« (Leipz. 1898, 19. Aufl., Stuttg. 1905) und »Befreiung« (Stuttg. 1900, 9. Aufl. 1904), in denen sie eine ungewöhnliche Glut und Kraft des Gefühls mit höchst ansprechender Form vereint, so daß sie zu den ersten lyrischen Dichterinnen unsrer Zeit zu rechnen ist.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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