Römisches Reich

Römisches Reich

Römisches Reich. Das römische Volk, d.h. die Bewohner des altrömischen Staates, ist der Überlieferung nach aus der Vereinigung von Angehörigen dreier verschiedener Völker entstanden, der Latiner, Sabiner und Etrusker, und enthielt diesem Ursprung gemäß drei Stämme (tribus), Ramnes, Tities und Luceres genannt, mit den Unterabteilungen der Kurien (30) und der Geschlechter (gentes). Ihre Angehörigen waren in der ältesten Zeit die einzigen Vollbürger (Patrizier, patricii, »Vaterssöhne«), der ursprüngliche populus Romanus Quirites (s. Quiriten); neben ihnen gab es damals nur noch Klienten, d.h. Hörige, die, obgleich nicht unfrei, doch in persönlicher Abhängigkeit von einzelnen Vollbürgern standen, die ihnen väterlichen Schutz zu gewähren hatten und daher ihre patroni hießen (s. Klientel). Zu diesem Kern der ältesten römischen Bürgerschaft kamen schon unter den Königen, hauptsächlich unter Tullus Hostilius und Ancus Marcius, zahlreiche Einwohner der eroberten Städte der Latiner und auch andrer benachbarter Stämme hinzu, die von vornherein privatrechtlich selbständig waren und unter Servius Tullius auch das Bürgerrecht erhielten, aber ohne das Stimm- und Ehrenrecht der Vollbürger. Sie hießen Plebejer, und ihr Kampf um Gleichstellung mit den Patriziern macht einen Hauptinhalt der innern Geschichte Roms bis zum Ende des 3. Jahrh. v. Chr. aus. Ein neuer Gegensatz bildete sich nach dem zweiten Punischen Krieg, der zwischen der Nobilität (auch Optimaten oder Senatspartei genannt), dem erblichen Amtsadel, der die Staatsämter und den Senat für sich beanspruchte, und der großen Masse des Volkes, und daneben seit C. Gracchus dem Ritterstand (ordo equester), d.h. Bürgern einer bestimmten höhern Vermögensklasse, die zwar nicht zum Senat gehörten, aber gewisse Ehrenrechte genossen und als Staatspächter im letzten Jahrhundert der Republik eine wichtige Rolle spielten. Der Kampf dieser drei Stände miteinander führte zur Alleinherrschaft, unter welcher der auch die Familienangehörigen einschließende ordo senatorius immer noch als der hohe Adel die ersten Staatsämter bekleidete, während dem Ritterstand die von dem Kaiser selbständig und unmittelbar besetzten Ämter zufielen, also die Offizierstellen und die Verwaltung der kaiserlichen Einkünfte und Provinzen und des Palastes. Der alte Geburtsadel der Patrizier war in den Bürgerkriegen großenteils aufgerieben worden. Neben diesen Vollfreien gab es eine immer wachsende Menge von Sklaven, meist Kriegsgefangene oder Nachkommen von solchen, die als Diener ihrer Herren teils in der Stadt, teils auf den Landgütern lebten, und Freigelassene (libertini), von denen in dem ersten Jahrhundert der Kaiserzeit einzelne, obwohl sie im allgemeinen von allen Ehrenrechten ausgeschlossen waren, am Hofe sich großen Einfluß erworben und die Geschicke des Reiches in ihrer Hand gehabt haben.

Der alte, die Patrizier, Plebejer, Freigelassene und Sklaven umfassende Kreis erweiterte sich mit der Ausdehnung der Grenzen der römischen Herrschaft. Den Römern zunächst standen die Latiner, auch nachdem 338 das alte Bundesverhältnis in das der Abhängigkeit verwandelt war; sie besaßen, wenn sie in ihrer Heimat blieben, das römische Bürgerrecht teils vollständig, teils ohne Stimm- und Ehrenrecht (sine suk-fragio), so jedoch, daß auch die letztern dies Recht erhielten, wenn sie nach Rom übersiedelten, d.h. das Latinische Recht, dessen Inhaber so eng zu Rom gehörten, daß alle außer ihm stehenden als Ausländer (peregrini) angesehen wurden. Die Stellung der übrigen Bewohner Mittel- und Unteritaliens war nach ihrer Unterwerfung je nach dem Rechtsverhältnis ihrer Stadt zu Rom verschieden (coloniae und civitates foederatae, s. unten); erst in den Jahren 90 und 89 erzwangen sie sich sämtlich das volle römische Bürgerrecht, das sofort auch auf das zispadanische Gallien, 49 auf das transpadanische überging. Die in Italien bewährten Einrichtungen wurden, soweit es ratsam, auf die Provinzen ausgedehnt, deren freie Bewohner 212 n. Chr. ebenfalls das volle römische Bürgerrecht erhielten.

Staatsverfassung.

Die Verfassung des Staates war ursprünglich eine monarchische. An der Spitze desselben stand als oberster Feldherr, Richter und Priester ein König, gewählt von einem zu dem Zwecke besonders eingesetzten Zwischenkönig (Interrex, s. d.) und dem Senat und von dem Volke bestätigt, neben ihm der Senat, der Rat der Häupter der patrizischen Geschlechter (angeblich 300) und die Versammlung des patrizischen Volkes, die Kuriatkomitien, durch welche beide Körperschaften der König, obwohl unverantwortlich, vielfach gebunden war (s. Rex). Die aus den benachbarten Städten übergesiedelten Plebejer erhielten erst durch den sechsten König, Servius Tullius (s. d.), einigen Anteil an der Regierung, indem er ohne Rücksicht auf patrizische oder plebejische Abstammung je nach dem Vermögen der Stimme jedes Bürgers ein größeres oder geringeres Gewicht verlieh. Die Abstimmung erfolgte in beiden Arten der Versammlung zuerst innerhalb der Kurien und Zenturien, dann nach ihnen, so daß deren Majorität die Entscheidung gab; danach hieß die erste Art comitia curiata, die neuere comitia centuriata.

Zur vollen Entwickelung gelangte die Verfassung, als 510 das Königtum abgeschafft und die Republik eingeführt worden war. An die Stelle der Könige traten zwei jährlich wechselnde Konsuln (s. d.; anfänglich praetores oder judices genannt) mit denselben Obliegenheiten und Ehrenzeichen wie die Könige, aber in ihrer Macht beschränkt durch die Kollegialität, die jährliche Dauer des Amtes und die Verpflichtung der Rechenschaftsablegung nach Ablauf desselben. Doch verkannten die Römer die Notwendigkeit nicht, in Zeiten dringender äußerer oder innerer Gefahren die gesamte Staatsgewalt in einer Person zu vereinigen, und setzten deshalb 498 das Amt des Diktators ein, der, auf Beschluß des Senats von einem der Konsuln ernannt, die volle königliche Gewalt besaß, aber auf höchstens 6 Monate, so daß die Gefahr des Mißbrauchs vermieden war. Die Vergrößerung des Staates machte allmählich neue Ämter neben dem Konsulat notwendig, deren Bildung in der Weise erfolgte, daß die zuerst ausschließlich die Gewalt in den Händen habenden Patrizier von dem Konsulat, dessen alleiniger Besitz ihnen durch das Drängen der Plebejer gefährdet schien, einzelne Geschäftszweige abtrennten, zu eignen Ämtern gestalteten und ihrem Stande vorbehielten. So entstand 443 die Zensur (s. Zensoren), deren zwei von fünf zu fünf Jahren gewählte Inhaber die Bürger nach Stand und Vermögen schätzten, die allgemeine Aussicht über die Bürger führten, die Zölle und sonstigen Staatsgefälle verwalteten und für Herstellung und Instandhaltung der öffentlichen Bauten sorgten, 367 die mit der städtischen Verwaltung beauftragte kurulische Ädilität (s. Ädilen) und für die Gerichtsbarkeit die Prätur (s. Prätor), deren Amtskreis später auch die Verwaltung der Provinzen umfaßte. Allein die Quästur (s. Quästor) geht in ihrem Ursprung auf die Königszeit zurück, doch hatte sich ihre Tätigkeit völlig geändert, da die Quästoren aus Kriminalrichtern zu Gehilfen der Konsuln und Prokonsuln in der Verwaltung der Staatskasse wurden. Diese Ämter haben von ihrer Einsetzung bis in die Kaiserzeit hinein bestanden, außer ihnen noch während des Zeitraums 444–367 in mehreren Jahren (an Stelle des Konsulats) das der Konsulartribunen (tribuni militum consulari potestate, 3–8), ein Zugeständnis der Patrizier an die Plebejer während des Ständekampfes, um wenigstens den Namen des alten höchsten Amtes für sich zu retten. Gegenüber diesen ursprünglich patrizischen Ämtern, zu denen sich die Plebejer nur allmählich den Zutritt erkämpften (s. unten), stand das den Plebejern verbleibende Volkstribunat, gestiftet 493 zu dem Zweck, sie gegen die patrizischen Beamten zu schützen, und um dies erfolgreich tun zu können, für unverletzlich erklärt und während des Ständekampfes mit dem Recht ausgestattet, gegen Amtshandlungen aller Art einzuschreiten, Beschlüsse des Senats durch ihr Verbot (Veto) zu hindern und in den von ihnen geleiteten Tributkomitien selbst Beschlüsse fassen zu lassen, die das ganze Volk banden; es bestand auch nach der Gleichstellung der beiden Stände weiter, indem sich seine Inhaber zu Beschützern des niedern Volkes gegen die Nobilität aufwarfen, dabei aber nur allzuoft ihre eignen ehrgeizigen Pläne verfolgten u. den Verfall der Republik beschleunigten. Die ihnen 493 als Gehilfen beigegebenen (2) Ädilen verschmolzen später mit den kurulischen Ädilen und teilten sich mit ihnen in den Polizeidienst, später in die Veranstaltung der Spiele.

Alle diese Beamten aber waren Beamte des Volkes, das in der Theorie die Souveränität besaß und diese in den drei Arten seiner Versammlungen (comitia) durch seine Beschlußfassung ausübte. Die älteste, aus der Königszeit stammende, die der Kuriatkomitien, geleitet von dem Oberpriester oder den Konsuln, sank in der Republik zu einer bloßen Form herab; dafür erhielten die von Servius Tullius eingerichteten Zenturiatkomitien die entscheidende Gewalt (Gesetzgebung, Wahl der Beamten u.a.) und behaupteten sich, allerdings unter Änderung ihrer Befugnis, bis in die Kaiserzeit hinein. Da aber in ihnen die reichern und angesehenern Bürger das Übergewicht hatten und ihre Beschlüsse noch der Bestätigung des Senats unterworfen waren, kamen die Tributkomitien in die Höhe, anfangs zur Beratung ihrer Standesinteressen eingerichtete Sonderversammlungen der Plebejer, die aber 286 das Recht erhielten, das ganze Volk bindende Beschlüsse zu fassen, und vom Senat unabhängig waren. Den dritten Teil der republikanischen Staatsgewalt stellte der zum größten Teil aus gewesenen höhern Beamten zusammengesetzte Senat (s. d.) dar. Ursprünglich berufen, über das Volk eine gewisse Vormundschaft zu üben und dessen Beschlüsse auf die Rechtsordnung hin zu prüfen, tauschte er dafür (286) die Befugnis ein, die für das Volk bestimmten Anträge vorher zu beraten; und da den jährlich wechselnden Beamten der Senat durch seine Lebenslänglichkeit und Geschäftserfahrung überlegen und das Volk außerstande war, durch seine Versammlungen ein Weltreich zu regieren, wurde die Empfehlung (auctoritas) des Senats immer gewichtiger, so daß kaum ein Antrag an das Volk kam, der nicht von ihm gutgeheißen wäre. Zugleich drückte der Senat allmählich die Beamten des Volkes ohne gesetzmäßige Begründung in die Stelle der seine Gutachten ausführenden Organe herab, entschied über Krieg und Frieden und die gesamte äußere Politik, übte das Geldbewilligungsrecht, die Oberaufsicht über Italien und die Provinzen und war gegen Ende der Republik für die Weltstellung Roms die maßgebende Gewalt.

Im Senat konzentrierte sich daher der Widerstand gegen das Streben Cäsars und Oktavians nach der Alleinherrschaft, und diesen Gegner mußte Oktavian erst niederwerfen, ehe er an die Spitze des Staates treten konnte. Nachdem er ihn indes durch seine auf das Heer begründete Übermacht und durch wiederholte Sichtung und Ergänzung der Mitglieder sich willfährig gemacht hatte, ließ er ihn weiter bestehen und benutzte sein altererbtes Ansehen, um sich von ihm diejenigen Auszeichnungen und Ämter, die er für seine Machtstellung brauchte, in aller Form übertragen zu lassen und dadurch seine Herrschaft gewissermaßen zu legitimieren. So oft er daher auf einen Teil der durch das Triumvirat angemaßten Gewalt verzichtete, glich dies der Senat durch eine gesetzmäßige Ehre aus (s. unten). Es kehrte sich also das Verhältnis zwischen den obersten Beamten, deren Gewalt Augustus in seiner Person vereinigte, und dem Senat, wie es in der letzten Zeit der Republik bestanden hatte, wieder um, der letztere trat in seine beratende Stellung zurück und verdankte es dem guten Willen der Kaiser, daß die Gesetzgebung und die Wahl der höhern Beamten von der zu einer bloßen Form herabgesunkenen Volksversammlung auf ihn überging und seine Gerichtsbarkeit erweitert wurde. Er sah hierin eine Mehrung seines Glanzes; in Wahrheit diente gerade die Beamtenwahl dazu, den Senat mit Mitgliedern zu füllen, die dem Kaiser durchaus ergeben waren, da er sich jetzt regelmäßig aus den gewesenen Beamten ergänzte und das Wahlrecht des Senats an die kaiserliche Empfehlung gebunden war. Unter schwachen Kaisern konnte er sich daher wohl einer Beteiligung an der obersten Gewalt rühmen und nach dem Tod eines Kaisers auch eines Einflusses auf die Wahl des Nachfolgers; immer aber war die Macht der Verhältnisse mächtiger als der Senat; Blutsverwandtschaft, Adoption, Höflinge, Soldaten haben die Nachfolge bestimmt, er sehr selten, und von der Willkür und dem Despotismus einzelner Kaiser hat er willenlos sich schmählich drücken und mißbrauchen lassen. Die republikanischen Ämter bestanden unter Augustus fort, jedoch vielfach ihrer alten Bedeutung entkleidet, daneben aber schuf er sich auch formell von seiner Ernennung abhängige Ämter, namentlich das des Stadtpräfekten (praefectus urbi) und das des Befehlshabers der Prätorianer (praefectus praetorio), deren Amtskreise sich mit der Zeit so ausdehnten, daß der erste die ganze städtische Polizei und die Gerichtsbarkeit, der andre außer dem militärischen Befehl die Stellvertretung des Kaisers in die Hand bekam. Es war also die Alleinherrschaft des Augustus gegründet auf das unter dem Oberbefehl des »Imperator« stehende Heer, eingekleidet in Formen der Republik, und er handelte folgerichtig, wenn er den ihm angebotenen Titel »König« ablehnte und den Ehrennamen Augustus und den durch die Adoption Cäsars vererbten Familiennamen Caesar (woraus »Kaiser« entstanden ist) vorzog; beide Namen sind mit seinen Schöpfungen auf die Nachfolger übergegangen, auch der Titel »Imperator«, der das Wesen dieser Alleinherrschaft am treffendsten ausdrückt, aber zum Unterschied von den Imperatoren der Republik als Vorname vorgesetzt wurde.

Der Kern dieser Herrschaft hat sich drei Jahrhunderte lang erhalten. Wichtige Neuerungen nahmen vor Hadrian, der den Ritterstand zum Träger einer ausgebildeten kaiserlichen Beamtenschaft machte, der Soldatenkaiser Septimius Severus, der die Einrichtung Hadrians weiter gestaltete und die bevorzugte Stellung Roms und seines Senats und Italiens herunterdrückte, Gallienus, der dem Senat die Offizierslaufbahn verschloß. Aber erst Diokletian (284–305) und Konstantin (324–337) haben an Stelle des morschen, unter den Stürmen der letzten 50 Jahre zur Ruine gewordenen Baues der Augusteischen Verfassung eine neue gesetzt, die der nach orientalischem Muster geschaffenen absoluten Monarchie. Mit den republikanischen Formen und Erinnerungen wurde vollständig aufgeräumt, an der Spitze des Reiches stand der Kaiser als »Herr« (dominus), der sich mit einem glänzenden Hofstaat umgab, allein Gesetze erließ und in seinem Namen und Auftrag eine von ihm ernannte und besoldete, nach Obliegenheiten, Rang und Würden peinlich gegliederte Beamtenhierarchie regieren ließ, ihm zur Seite ein Staatsrat (consistorium), die Ausbildung einer schon von Augustus getroffenen Einrichtung, bestehend aus hohen Beamten und Vertrauenspersonen; die Konsuln und andre Ämter der Republik verschwanden entweder oder büßten, wie auch der Senat, jede Bedeutung ein. Wie Diokletian in alle Verhältnisse energisch eingriff, so versuchte er auch die Nachfolge zu regeln, indem er sie unabhängig von der Geburt ausgesuchten bewährten Kräften übertrug; dieser Plan scheiterte jedoch ebenso wie der einer Teilung der Staatsgewalt (s. unten, S. 109). Vgl. Huschke, Die Verfassung des Servius Tullius (Heidelb. 1838); Göttling, Geschichte der römischen Staatsverfassung (Halle 1840); Peter, Die Epochen der Verfassungsgeschichte der römischen Republik (Leipz. 1841); Lange, Römische Staatsaltertümer (3. Aufl., Berl. 1876–79, 3 Bde.); Th. Mommsen, Römisches Staatsrecht (3. Aufl., Leipz. 1887 f., 3 Bde.) und Abriß des römischen Staatsrechts (das. 1893); Marquardt, Römische Staatsverwaltung (2. Aufl., das. 1881–85, 3 Bde.); Madvig, Die Verfassung und Verwaltung des römischen Staats (das. 1881–82, 2 Bde.); Herzog, Geschichte und System der römischen Staatsverfassung (das. 1884–91, 2 Bde.); Liebenam, Städteverwaltung im römischen Kaiserreich (das. 1900). Weiteres s. Artikel »Römisches Recht«.

Organisation des Reiches.

Der Organismus des Reiches ist von den Römern auf Grund der in dem kleinen Kreis der Nachbarschaft Roms gemachten und bewährten Erfahrungen gestaltet worden. Von Anfang an nämlich ersahen sie zu Organen ihrer Verwaltung der eroberten Länder die Stadtbezirke und brachten dabei mit außerordentlichem Geschick ihren Grundsatz Divide et impera (»Teile und gebiete«) zur Anwendung, indem sie die einzelnen Städte aus ihren frühern Verbindungen und Interessen loslösten und unter verschiedenen Rechtsverhältnissen ihrem Staat einverleibten. Schon die latinischen Städte traten nach der Besiegung Latiums (338) in ein verschiedenes Verhältnis zu Rom, die einen mit vollem römischen Bürgerrecht, die andern (municipia) mit beschränktem (sine suffragio, d.h. ohne das aktive und passive Wahlrecht), aber wieder zum Teil ohne, zum Teil mit innerer Selbstverwaltung (s. Municipium). In dem übrigen Mittel- und in Unteritalien haben wir zunächst die Kolonien, die in der ältern Zeit als Zwingburgen in dem eroberten oder zu erobernden Land militärischen Zwecken dienten, mit selbständigem Gemeinwesen und zwei Klassen von Bewohnern, den Kolonisten, zuerst römischen Bürgern (in den coloniae Romanae), seit 338 Latinern (in den coloniae Latinae), die das Bürgerrecht der Heimat beibehielten, und den ursprünglichen Einwohnern, die ein Drittel der Feldmark an jene hatten abtreten müssen und nur beschränktes Bürgerrecht besaßen. Mit der Unterwerfung Italiens fiel der ursprüngliche Zweck der Kolonien weg, die Einrichtung aber bestand weiter und diente seit den Gracchen zur Versorgung armer Bürger, seit den Bürgerkriegen auch zu der alter Soldaten. Die andre Klasse bestand aus den Bundesstädten (civitates foederatae), deren Verhältnis in jedem einzelnen Falle durch einen Vertrag geregelt war; wenngleich ohne Bürgerrecht, waren sie doch in ihrer eignen Verwaltung selbständig, dienten auch nicht in den Legionen, sondern fanden sich mit Rom durch Stellung von Hilfstruppen, Schiffen und Matrosen ab. In Italien hörte diese Abstufung der Rechte der Städte 89 v. Chr. mit dem Bundesgenossenkrieg (s. oben) auf.

Die gleichen Grundsätze befolgten die Römer bei der Einverleibung der außeritalischen Länder, der Provinzen; auch hier behielten sie die städtischen Bezirke teils bei (im Westen), teils stellten sie sie, wo sie fehlten, neu her und teilten die Städte, soweit sie nicht mit Gewalt erobert und zerstört waren und ihr Land als Domäne eingezogen war, in drei Hauptklassen: 1) die steuerpflichtigen (stipendiariae), auf deren Ländereien eine Naturalabgabe (vectigal) oder eine feste Steuer (tributum) lag, verwaltet durch eigne Beamte unter Verantwortlichkeit des römischen Statthalters, im einzelnen wieder mit sehr verschiedenen Rechten ausgestattet; sie machten den größten Teil der Städte in den Provinzen aus; 2) die freien Städte, die vor der Eroberung des Landes sich an Rom angeschlossen hatten und sich selbst nach einer mit Rom vereinbarten Verfassung verwalteten, keine Grundsteuer zahlten und nur zu Leistungen für kriegerische Zwecke verpflichtet waren, auf Grund teils eines Vertrags (civitates foederatae), teils von Rom einseitig getroffener Bestimmung (civitates sine foedere immunes et liberae); 3) Städte mit römischer Verfassung, namentlich in den Provinzen des Ostens, in dem die Römer noch wenig entwickeltes Städtewesen vorgefunden hatten, nach dem Muster der italischen Städte entweder Kolonien (der Romanisierung wegen gegründet) oder Munizipien, nur daß sie auch ihren Landbesitz besteuerten und in der Gerichtsbarkeit und Verwaltung unter dem Statthalter standen, oder Städte mit italischem Recht ohne diese Einschränkung. Die Unterschiede zwischen den Städten der dritten Klasse verwischten sich indes schon im 2. Jahrh., alle übrigen seit 212, in welchem Jahre die freien Bewohner des Reiches das volle römische Bürgerrecht erhielten.

Auch auf die Provinzialverwaltung übertrugen die Römer die Einrichtungen, die zunächst für Rom und Italien getroffen waren. Zuerst standen, in der Regel ein Jahr lang, Prätoren an der Spitze als Statthalter, seit Sulla Konsuln und Prätoren nach ihrem Amtsjahr (als Prokonsuln oder Proprätoren). Nach der Scheidung der Provinzen (im J. 27) in kaiserliche (mit Heeren) und senatorische (ohne Heer) verwalteten die erstern vom Kaiser ernannte Konsulare oder gewesene Prätoren als Legati Augusti pro praetore mit einem procurator als Obersteuereinnehmer und einem iuridicus für die Rechtspflege, während in kaiserlichen Provinzen, die eine geordnete Provinzialverwaltung noch nicht zuließen, ein procurator oder praefectus im Auftrag des Kaisers die Gewalt ausübte, die senatorischen ein Prokonsul und entweder ein gewesener Konsul (Asien und Afrika) oder ein gewesener Prätor mit Unterbeamten (drei Legati und einem Quästor) und neben ihm ein kaiserlicher Prokurator für die kaiserlichen Gefälle.

Die Lage der Provinzen war während der Republik eine sehr gedrückte, da Grund und Boden als erobertes Land und als Geldquelle angesehen wurden; wie daher die oberste Staatsgewalt bei der Verwaltung der Provinzen allein ihren eignen Nutzen im Auge hatte, so auch die Statthalter; die kurze Dauer der Statthalterschaft machte auch bei Wohlwollen gründliche Besserung der Lage unmöglich, und gegen Habsucht boten die Gerichte nur selten wirksame Hilfe; außerdem saugten die Pächter der Steuern und die dort Geschäfte treibenden Großkaufleute die Provinzen aus, und so wurde die Gründung der Alleinherrschaft für sie zur Erlösung. Alle Statthalter wurden vom Kaiser beaufsichtigt, die kaiserlichen besoldet und oft mehrere Jahre im Amte belassen; die Erleichterung des Verkehrs, das Straßennetz, das die Provinzen mit Rom verband, kam auch den Provinzen zugute; die Post wurde vom Fiskus übernommen. Denn es gehörte dies vor allem zur kaiserlichen Politik, die Provinzen Italien gegenüber zu heben und die Macht der Staatsgewalt auf das gesamte Reich zu gründen; nach mehreren Ansätzen früherer Kaiser, besonders des Septimius Severus, hat die Gleichstellung Italiens und der Provinzen die Diokletianisch-Konstantinische Neuordnung durchgeführt. Auch sonst hat diese in die Organisation des Reiches tief eingegriffen und für einige Zeit sie noch einmal fest zusammen gefügt. Die Zivil- und Militärverwaltung wurden getrennt, das Reich nach Zerschlagung der alten Provinzialverbände in 4 Präfekturen, 12 Diözesen (7 im Westen, 5 im Osten) und 120 Provinzen geteilt, die oberste Zivilverwaltung in den ersten einem Reichskanzler (praefectus praetorio), in den Diözesen einem Vikarius, in den Provinzen einem Präses übertragen; nur in Rom verblieb die Rechtspflege dem Stadtpräfekten. Der Mittelpunkt des Reiches aber hatte aufgehört, es zu sein, und wurde es auch nach der Teilung nicht wieder, da die oströmischen Kaiser ihre Residenz erst in Mailand, später in dem durch die Lagunen gesicherten Ravenna aufschlugen.

Die Ausgaben des Staates für die Verwaltung waren in der ältesten Zeit sehr niedrig; die einzelnen Bürger trugen den bei weitem größten Teil der Lasten, für den Staat blieben nur die öffentlichen Bauten und in Kriegszeiten seit 406 der Sold für das Heer. Eine außerordentliche Steigerung erfuhren sie unter den Kaisern; das Heer wurde stehend und erforderte z. B. unter Augustus allein für die Soldzahlung 43 Mill. Mark; die Staatsbeamten wurden von nun an besoldet, ebenso die Hofbeamten; dazu kam der Zuschuß für die billigen Getreidelieferungen an das Volk, die, schon in der Republik begonnen, jetzt sich außerordentlich steigerten, die Geschenke an das Volk, die Unterstützung armer freigeborner Kinder u.a.

Demgemäß brauchten während der Republik auch die Bewohner nur in mäßigem Grade zur Deckung herangezogen zu werden. Stehende Einnahmen lieferte allein das Gemeindeland, in Kriegszeiten wurden für den Sold, da in den alten Republiken überhaupt eine Personalsteuer als des freien Mannes unwürdig galt, Zwangsanleihen (tributa) je nach dem Vermögen von dem Senat bis zu einer bestimmten Höhe ausgeschrieben, die in Zeiten der Not schwer drückten, aber nach glücklichem Ausgang aus der Beute und Kriegskostenentschädigung zurückgezahlt wurden und seit 167 v. Chr. überhaupt wegfielen. Nun mußten die Provinzen die Kosten für den Staatshaushalt und oft auch noch für das Leben der hauptstädtischen Bevölkerung bestreiten, daher vom Grund und Boden ein Zins erstattet werden, entweder in natura (besonders in getreidereichen Gegenden) oder in Geld, ferner eine Kopfsteuer vom Kapital oder Gewerbebetrieb, soweit nicht Steuerfreiheit gewährt worden war. Außerdem flossen in die Staatskasse die Pachtgelder für die Staatsdomänen, die indirekten Steuern (Zölle an den Grenzen Italiens und des Reiches, auch einzelner Reichsteile, Verkauf- und Marktgelder), Regalien und Einnahmen aus den Monopolen; in der Kaiserzeit wurde noch eine Erbschaftssteuer (zu 5 Proz.) eingeführt, und als Caracalla das römische Bürgerrecht allen freien Provinzialen verlieh, Diokletian die Befreiung von der Grundsteuer Italien entzog und die Grenzkriege anstatt Geld einzubringen, immer größere Summen beanspruchten, wurde der Steuerdruck überall im Reiche schwer empfunden.

Das Recht der Ausschreibung, Verwaltung und Verwendung der Steuern stand anfangs bei den Königen, während der Republik in der historischen Zeit bei dem Senat (der sich zur Verwaltung der Quästoren bediente), endlich bei den Kaisern. Die Erhebung machte sich der Senat bequem, indem er sie für alle indirekten Steuern Mittelspersonen übergab, meist Gesellschaften von Rittern (publicani), die eine bestimmte Summe an den Staat zahlten und die Beitreibung auf ihre Rechnung besorgten. Die vielen damit für die Provinzen verbundenen Mißstände bestimmten jedoch die Kaiser, diese Erhebnugsweise fast allgemein in eine direkte zu verwandeln; zugleich machte die Teilung der Provinzen eine doppelte Hauptkasse nötig. Neben der bisherigen (aerarium), welche die Einkünfte aus den senatorischen behielt, wurde für die kaiserlichen eine kaiserliche Kasse gegründet (fiscus, zu unterscheiden von der privaten, patrimonium), die den Sold für Heer und Flotte, Kriegführung, Verwaltung der Provinzen, Getreidespenden, Bau der Verkehrsstraßen bestritt und um 200 auch die Staatskasse in sich aufnahm. Die Geldverwaltung der Provinzen besorgte für die kaiserlichen Gefälle ein ritterlicher Hausbeamter, procurator, bei den senatorischen noch der Quästor, die des Fiskus zuerst ein Freigelassener, seit Hadrian ein Ritter (a rationibus).

Münzen hat Rom erst geprägt, nachdem es sich 300 Jahre mit Tauschmitteln beholfen hatte, dann 180 Jahre nur schwere kupferne, seit 269 als Kurant silberne, indem die kupfernen Scheidemünze wurden, erst gegen Ende der Republik goldene. Das Recht der Prägung übte der Senat und eine besondere Dreimännerkommission, im Kriege außerhalb Roms überall auch der Feldherr. Seit 27 v. Chr. prägten Senat und Kaiser nebeneinander Gold und Silber, seit 15 v. Chr. nur der Kaiser, der Senat nur Kupfer, und zwar Reichsmünzen alle nur in Rom, erst seit Aurelian auch in den Provinzen. Dem im 3. Jahrh. eintretenden Verfall des Münzwesens machte Konstantin (um 312) ein Ende, indem er zur Wage zurückkehrte und allein nach dem Goldpfund den Wert bemaß (s. Römische Münzen, S. 103).

Heer und Flotte.

Die Militärverfassung erlitt im Laufe der Zeit wiederholt wesentliche Veränderungen. Ursprünglich soll das römische Heer nach Vereinigung der drei Stämme aus einer Legion von 3000 Mann und 300 Reitern bestanden haben. Aber schon von König Servius Tullius wurde es neu eingerichtet, indem er die Zahl der Legionen auf vier zu je 4200 Mann und die Reiterei auf 1800 Mann erhöhte und die Heeresverfassung mit seiner bürgerlichen vereinigte, so daß Bürgerschaft und Heer, Stimmrecht und Wehrpflicht zusammenfielen und nur die Proletarier vom Kriegsdienst befreit waren. Sold empfing das Fußvolk erst 406 v. Chr., die Reiterei 403. In jeder Legion waren sämtliche Klassen mit verschiedener Bewaffnung vertreten: die Angehörigen der ersten Klasse trugen außer der Stoßlanze (hasta) Helm (galea), Panzer (lorica), Schild (clipeus) und Beinschienen (ocreae) und standen in den ersten Reihen; die übrigen wurden aus den andern Klassen mit allmählich verminderter Bewaffnung gebildet bis auf die beiden untersten herab, die nur Schild und Speer oder nur letztern führten. Die Ausstellung der Legion für den Kampf war der griechischen Phalanx ähnlich, in dichten Reihen, wahrscheinlich 6 Mann hoch, so daß sie mehr durch das Gewicht ihres Andranges als durch die persönliche Tapferkeit der einzelnen wirkte. Wahrscheinlich durch Camillus erhielt sie Raum und freie Bewegung, indem die Schwerbewaffneten, die Bürger der drei ersten Klassen, nach dem Alter in drei Treffen, in die hastati, principes (diese beiden anstatt der Stoßlanze mit dem Wurfspeer [pilum] ausgerüstet) und triarii, eingeteilt wurden, jedes Treffen in 10 Manipeln, die in der Schlacht durch weitere Zwischenräume voneinander getrennt wurden, jeder Manipel in 2 Zenturien, und die Angehörigen der beiden letzten Klassen als Leichtbewaffnete (velites) den Manipeln zugewiesen wurden. Die Reiterei blieb im wesentlichen unverändert. An der Spitze der ganzen Legion, deren Stärke von 4200 auf 5000 und 6200 Mann stieg, standen 6 von 2 zu 2 Monaten wechselnde Militärtribunen, an der der Manipeln je 2 Zenturionen. Solcher Legionen wurden regelmäßig jedes Jahr 4 ausgehoben und je 2 unter den Oberbefehl der Konsuln gestellt, welche die Kriege entweder einzeln, ein jeder mit seinen 2 Legionen, oder beide zusammmen mit 4 Legionen führten; im Falle der Not konnte indes diese Zahl auch erhöht werden und hat im zweiten Punischen Krieg 23 erreicht. Zu den Legionen kamen, nachdem die meisten italischen Völkerschaften von den Römern durch glückliche Kriege zur Heeresfolge gezwungen worden waren, die Truppen der Bundesgenossen hinzu, deren Normalstärke sogar nicht selten die der römischen Legionen überstieg.

Eine völlige Änderung in der Militärverfassung erfolgte mit Marius (107 v. Chr.), der auch die Proletarier in das Heer einreihte. Damit hörten alle Unterschiede des Vermögens, des Dienstalters, der Bewaffnung auf, und nach Verleihung des Bürgerrechts an die Bundesgenossen trat an Stelle der Aushebung die Werbung, die den Kriegsdienst immer mehr zum Handwerk machte, von dem sich die Wohlhabenden zurückzogen, und Söldnerheere schuf, die von ihren Führern bald als Werkzeuge zur Erreichung ihrer ehrgeizigen Zwecke gebraucht werden konnten. Ferner wird auf Marius die Kohortentaktik (anstatt der »Manipularausstellung«) zurückgeführt, d.h. die Einteilung und Ausstellung der Legion nach (10) Kohorten (zu je 6 Zenturien), die Bestimmung der Legionsstärke auf 6000 Mann und zahlreiche Verbesserungen im Dienst; die Reiterei war schon früher verstärkt worden, bestand aber seitdem aus Fremden. Die Kaiserzeit endlich tat den wichtigen Schritt, daß sie stehende Heere einführte, damit aber die bürgerliche Wehrpflicht aufhob. Augustus hat die Zahl der Legionen (zu 6000 Mann), die er als imperator durch Stellvertreter (legati) befehligen ließ, auf 25 gebracht, und ihnen gleich standen an Truppenzahl die Hilfsvölker (auxilia), teils zu Fuß, teils zu Pferd, die aber jetzt von den Provinzen gestellt wurden, in Kohorten unter einem praefectus (die Reiter in alae) eingeteilt waren und je nach Bedürfnis den Legaten überwiesen wurden. Diesen Bestand haben auch spätere Kaiser nicht wesentlich vermehrt. Im Offizierstand führte Gallienus eine wesentliche Neuerung ein, indem er die Offizierslaufbahn dem Senatorenstande verschloß, der in der Republik die höhern Stellen (der Legaten und Tribunen) allein besetzt, in der Kaiserzeit bis dahin sie mit dem Ritterstand geteilt hatte; die Zenturionen gingen stets aus den Gemeinen hervor und gelangten selten zu einem höhern Rang.

Innerhalb des Reiches hatte nur Rom regelmäßig eine stehende Besatzung, außer den 3 städtischen und 7 Wächterkohorten (cohortes urbanae und vigilum), die hauptsächlich polizeilichen Zwecken dienten, die 9 (später vermehrten) Kohorten der Garde, der Prätorianer (zu je 1000 Mann) unter einem praefectus praetorio, für die unter Tiberius ein festes Lager in der Stadt errichtet wurde, bis Septimius Severus in Italien ausgehoben und durch mehr als doppelten Sold (635 Mark jährlich) und kürzere Dienstzeit vor den übrigen Soldaten (die nur 195,8 Mk. erhielten) ausgezeichnet. Die Legionen waren an den Grenzen verteilt und rekrutierten sich allmählich auch aus deren Umgebung, als ihre Lager zu festen Standquartieren wurden. Unter Diokletian und Konstantin wurden sie verkleinert (zu 500–1000 Mann), die Zahl der Soldaten jedoch vermehrt, so daß es nun 132 Legionen gab, jede unter einem tribunus oder praefectus, mehrere zusammen unter einem Grenzfeldherrn (dux limitis); außerdem aber wurde noch ein Feldheer errichtet, ohne festes Standquartier, unter den beiden höchsten militärischen Würdenträgern, den magistri peditum und equitum (später 4 und 8). Diese Vermehrung ließ sich freilich nur durch immer steigende Heranziehung der Ausländer erreichen, die zum Teil ihre heimatliche Organisation beibehielten, auch ihre eignen Führer hatten und allmählich die Stärke des Heeres ausmachten.

Von einer Kriegsflotte kann erst seit den Punischen Kriegen bei den Römern die Rede sein, doch haben sie ihr nie besondere Aufmerksamkeit zugewandt und sie verfallen lassen, als sie nach Unterwerfung der Mittelmeerstaaten glaubten, sie entbehren zu können; dann stellte Pompejus eine solche wieder gegen die Seeräuber her, eine stehende erst die Kaiser, nicht nur für das Meer, sondern auch für Rhein und Donau; die größten Kriegshäfen waren Misenum und Ravenna. Die Mannschaften, sowohl die Soldaten (classiarii) als die Ruderer, wurden aus dem Stande der Sklaven und Freigelassenen entnommen und standen im Rang und im Solde tief unter den Legionssoldaten; den Oberbefehl führten in der Republik Offiziere des Landheers, unter den Kaisern trierarchi (über einzelne Schiffe) und praefecti (über Abteilungen) aus dem Stande der Freigelassenen, seit Vespasian aus dem der Ritter.

Rechtspflege.

Die höchste Gerichtsbarkeit lag ursprünglich in der Hand des Königs, dessen Recht auf die republikanischen Magistrate nur in sehr beschränktem Maß überging und von ihnen bis zu dem Urteil über Leben und Tod nur im Krieg und gegen Nichtbürger geübt wurde. In der Hauptstadt erhielt von Anfang der Republik an das Volk durch ein Valerisches Gesetz (509, wiederholt 449,300 und 197) das Recht der Appellation an seine Instanz und die Gerichtsbarkeit über Kapitalverbrechen; auch für Geldstrafen wurde 454 und noch einmal 430 die Befugnis des Magistrats beschränkt, höhere den Komitien überwiesen, während der Senat nur über außergewöhnliche Verbrechen in dem übrigen Italien und in den Provinzen zu richten hatte. Infolge des Anwachsens der römischen Bevölkerung und der Zunahme der Verbrechen übertrug das Volk seit dem Calpurnischen Gesetz (149) seine Gerichtsbarkeit zuerst für Erpressungen, dann auch für andre Verbrechen Geschwornengerichten (quaestiones perpetuae), die in geheimer Abstimmung (seit 137) öffentlich auf dem Forum ohne Appellation und Beschränkung im Strafmaß unter der Leitung der Prätoren Recht sprachen und auch politisch von großer Bedeutung, daher während des Kampfes zwischen der senatorischen und der Volkspartei Gegenstand erbitterter Kämpfe zwischen dem Senat und dem Ritterstand waren. Die Zivilgerichtsbarkeit ging von den Königen auf die Konsuln, von diesen seit 367 v. Chr. auf die Prätoren als Oberrichter über, unter deren Leitung und Instruktion drei stehende Geschwornengerichte Recht sprachen, nämlich die Rekuperatoren, die hervorgegangen aus dem internationalen Rechtsverkehr für verschiedene Arten von Prozessen herangezogen wurden, das Zentumviralgericht, das aus den Tribus, je 3 Richter aus jeder der 35 Tribus, gebildet hauptsächlich über Fragen des Erbrechts zu entscheiden hatte, und die Zehnmänner (decemviri [st]litibus judicandis), denen unter andern die Streitfälle über Freiheit und Bürgerrecht zugewiesen zu werden pflegten; außerdem wurden aber auch Einzelrichter für besondere Fälle von den Prätoren bestellt. Die Verhandlungen fanden öffentlich auf dem Forum statt.

Unter den Kaisern blieben diese Einrichtungen großenteils bestehen, jedoch ebenso wie die politischen meist nur der Form nach; die wichtigsten richterlichen Funktionen fielen dem Kaiser zu, der einen Teil seines Rechts den Statthaltern (die Kriminalgerichtsbarkeit in den Provinzen), dem städtischen und seit Ende des 2. Jahrh. dem prätorischen Präfekten übertrug und seine Entscheidung gewöhnlich nach Beratung mit Juristen (consilium) fällte. Die Geschwornengerichte erhielten sich bis zum Ende des 3. Jahrh., doch wurde die Liste der Geschwornen nun vom Kaiser aufgestellt. Die gesamte Appellation ging teils an den Kaiser, teils an die Konsuln und den sie beratenden Senat über, an den letztern namentlich bei politischen und Amtsverbrechen; jedoch beschränkte die allgemeine Entwickelung die Gerichtsbarkeit des Senats zugunsten der beiden Präfekten, bis er gegen Ende des 3. Jahrh. nur noch die über Angehörige des eignen Standes besaß. Seit Diokletian und Konstantin gehörte die zivile und kriminelle Rechtsprechung in den beiden Hauptstädten dem städtischen Präfekten, in den Provinzen den Statthaltern, die Entscheidung bei Appellationen einer vom Kaiser eingesetzten Behörde.

Als älteste Urkunde des Rechts wollen die Leges regiae gelten, eine Sammlung sakralrechtlicher Bestimmungen für das Publikum, jus Papirianum nach dem angeblichen ersten Sammler, einem alten Pontifex maximus, genannt, in Wahrheit jungen Ursprungs, obgleich einzelne Sätze aus alter Zeit herrühren mögen. Mit Recht wurde dagegen als Hauptquelle das Zwölftafelgesetz (fons omnis publici privatique juris, wie es Livius nennt) angesehen, das im Laufe der Zeit auf mehrfache Art ergänzt, erweitert und vervollkommt wurde, zunächst besonders in der Zeit der Republik durch die Edikte der Prätoren, in denen diese bei Antritt ihres Amtes die Grundsätze ihrer Rechtsverwaltung zu veröffentlichen pflegten. Hierzu kamen noch die von Juristen verfaßten Verordnungen der Kaiser (constitutiones) und die Aussprüche der Rechtsgelehrten, welch letztere eine große, mit der Zeit immer mehr wachsende Bedeutung für die Ausbildung des Rechts nicht nur, sondern auch für die Ausübung der richterlichen Funktionen gewannen. Dem oströmischen Kaiser Justinian (527 bis 567) gebührt das Verdienst, alles, was auf diese Art das praktische Leben und die Wissenschaft an Rechtssätzen geschaffen hatten, durch Tribonianus und andre Rechtsgelehrte in dem sogen. Corpus juris (s. d.) vereinigt zu haben.

Religion.

Eine besonders wichtige Seite des römischen Staatslebens bildet die Religion, die aufs engste mit dem gesamten öffentlichen und Privatleben verknüpft war und im Gegensatz zu andern ebensowohl aller Ausschmückung durch Poesie und Phantasie wie einer tiefern Spekulation entbehrte, im Laufe der Zeit aber durch griechische Einflüsse immer mehr verändert und in der Götterlehre so gut wie völlig durch sie neu gestaltet wurde (vgl. Römische Mythologie). Die Götter der alten Römer sind teils die Kräfte der Natur in den verschiedensten Beziehungen auf äußere Dinge, teils Abstraktionen der Güter und Übel, deren Gewähr oder Abwehr man von der Gottheit erwartete. Es gab daher z. B. eine Ossipago, d.h. eine Göttin, welche die Knochen der Kinder festzumachen hatte; einen Statilinus und eine Statina, welche die Kinder stehen, einen Fabulinus, der sie reden lehrte; einen Jugatinus, den Heiratsgott, etc.; aber auch Furcht und Schrecken (Pallor und Pavor) wurden angerufen und verehrt. Götterbilder kannte man demnach ursprünglich nicht und verehrte die Gottheiten unter äußerlichen Symbolen, z. B. Jupiter unter dem eines Kieselsteins, Mars unter dem eines Speeres, wie denn noch in später Zeit das Feuer Symbol der Vesta war. Erst durch den ältern Tarquinius (616–578) wurde der kapitolinische Tempel für die drei Gottheiten Jupiter, Juno und Minerva als Nationalheiligtum gegründet und wurden den Göttern Statuen errichtet, worauf nach und nach der Kreis der Hauptgottheiten auf zwölf festgestellt wurde, die Ennius in folgenden Versen aufzählt:


Juno, Vesta, Ceres, Diana, Minerva, Venus, Mars,

Mercurius, Jovis (Jupiter), Neptunus, Vulcanus, Apollo.


Ebenso äußerlich wie die Götterlehre war der Kultus, d.h. der Dienst der Götter. Derselbe bestand in einem ungemein ausgedehnten, an die strengsten Vorschriften gebundenen und mit der peinlichsten Genauigkeit beobachteten Zeremoniendienst, der über das gesamte öffentliche und Privatleben ausgebreitet war, so daß keine Gemeinschaft ihrer besondern Heiligtümer und Opfer entbehrte und kein irgend erhebliches öffentliches oder Privatunternehmen ohne religiöse Handlungen begonnen wurde, namentlich nicht ohne die Auspizien, d.h. ohne Erforschung des Götterwillens aus dem Vögelflug und aus andern Anzeichen. Indes dienten dieselben nicht sowohl dazu, das eigne Verhalten danach zu bestimmen, als vielmehr, die Götter gewissermaßen zur Unterstützung des Unternehmens zu verpflichten, weshalb man die Auspizien, wenn sie ungünstig ausfielen, so lange zu wiederholen pflegte, bis die Götter ihre Zustimmung gaben. Die Aussicht über diesen Zeremoniendienst und die Ausübung desselben für das Staatsleben galt in der Königszeit und in der ersten Hälfte der republikanischen Zeit als ein Vorrecht der Patrizier, die daher auch in ausschließlichem Besitz der öffentlichen Priesterämter waren, bis die Plebejer sich den Zugang zu ihnen erkämpften (300 v. Chr.). Die wichtigsten dieser Ämter sind die der Pontifices, der Flamines (Opferpriester), der vestalischen Jungfrauen, der Augurn, der Fetialen, der Salier und des Kollegiums zur Bewahrung und Befragung der Sibyllinischen Bücher (s. d.); die Opferschauer (haruspices), die, wenn irgendwelche Unglück drohende Ereignisse (portenta) eintraten, wegen der den Göttern zu leistenden Sühne befragt wurden, stammten aus Etrurien, ihr Amt und Geschäft wurde immer als ein fremdländisches angesehen.

Diese so beschaffene Religion hat ohne Zweifel lange wesentlich dazu beigetragen, unter den Bürgern Roms Zucht und Gehorsam gegen die Obrigkeit zu erhalten. Allein kurz nach dem zweiten Punischen Krieg begann ihre Kraft nachzulassen. Zwar bestanden die Priesterämter fort, und auch der äußere Religionsdienst wurde nach wie vor geübt, nicht nur, solange die Republik erhalten blieb, sondern auch unter den Kaisern. Aber der religiöse Sinn, der Glaube an die Götter und an die Wirksamkeit der Religionsübungen, schwand immer mehr. Der Grund lag darin, daß die eingeführte Religion ein wirklich religiöses Bedürfnis in keiner Weise befriedigte, und daß die religiösen Institutionen, vorzugsweise die Auspizien, von der Regierung vielfach gemißbraucht wurden, um mißfällige Volksbeschlüsse zu hintertreiben und überhaupt um politische Zwecke zu erreichen. Je mehr aber der alte Glaube schwand, desto mehr suchte das nie ganz zu unterdrückende religiöse Bedürfnis außerhalb desselben Befriedigung. Daher fanden fremde Götter und Kulte, unter ihnen namentlich der der Isis, verbunden mit Astrologie und sonstigem Aberglauben, unter den Kaisern immer allgemeiner Eingang, bis endlich das Christentum der religiösen Entwickelung neue Bahnen eröffnete. – Über die Kunst bei den Römern s. Architektur, Bildhauerkunst etc.; über ihre Literatur s. Römische Literatur. Vgl. Aust, Die Religion der Römer (Münst. 1899); Preller, Römische Mythologie (3. Aufl. von Jordan, Berl. 1881–83, 2 Bde.); Wissowa, Religion und Kultus der Römer (Münch. 1902; Ergänzungsband 1904); Boissier, La religion romaine d'Auguste aux Antonius (5. Aufl., Par. 1901, 2 Bde.); Réville, La religion à Rome sous les Sévères (das. 1886; deutsch von Krüger, Leipz. 1906).

Privatleben.

Der römische Staat hat die Verfassung der Familie so streng und konsequent ausgebildet, wie kein andrer, und auf ihr die eigne aufgebaut. Aus den Familien setzte sich das Geschlecht (gens) zusammen, aus diesen die Kurie, aus den (10) Kurien in der alten Zeit der Stamm (Tribus), aus den (3) Stämmen das Volk der Vollbürger. Demnach hatte jeder Patrizier zwei Namen: seinen Individualnamen (praenomen), z. B. Publius, Marcus, gewöhnlich abgekürzt geschrieben, wie P., M., und den Geschlechtsnamen (nomen gentile oder nomen allein), wie Julius, Tullius, später meist noch einen in der Familie forterbenden Beinamen (cognomen), wie Cäsar, Cicero. Dieser Zusammenhang des Geschlechts wurde noch über den Tod hinaus gewahrt; die Masken der Ahnen und die ganze Nachkommenschaft begleitete den Gestorbenen nach dem dem Geschlecht gehörigen Platze, wo er in einem dem Wohnhaus nachgebildeten Raume begraben oder, nachdem die Sitte des Verbrennens aufgekommen war (in dem Cornelischen Geschlecht erst mit Sulla), als Asche beigesetzt wurde. Im Innern der Familie herrschte in der guten alten Zeit der Hausvater (pater familias) mit so unumschränkter Gewalt (patria potestas) über alle Angehörigen des Hauses, daß er sogar berechtigt war, die Kinder auszusetzen, zu verkaufen oder zu töten. Erzogen wurden die Kinder im elterlichen Hause und entweder von einem Hauslehrer oder in Schulen unterrichtet, zuerst nur im Lesen, Schreiben und Rechnen von einem Elementarlehrer (litterator oder grammaticus), nach den Punischen Kriegen auch noch von einem Rhetor in der römischen und griechischen Literatur, indem die Erklärung eines Dichtungswerkes den Mittelpunkt bildete. Die Knaben wurden, ursprünglich wohl nach Zurücklegung des 17., später des 16., 15. und sogar des 14. Lebensjahres, unter feierlichen Gebräuchen durch Ablegung des Knabenkleides (der toga praetexta) und Anlegung der Männertoga (toga virilis) unter die Bürger aufgenommen, blieben aber dessenungeachtet in der väterlichen Gewalt, bis der Vater starb oder das Bürgerrecht, z. B. durch Verbannung, verlor. Die Mädchen traten durch die Verheiratung wie aus dem Geschlecht, so auch aus der bisherigen väterlichen Gewalt heraus, aber nur, um in die ihres Gatten oder dessen Hausvaters überzugehen, obwohl sonst die verheirateten Frauen (matres familias odermatronae) in Rom eine geachtetere Stellung einnahmen als z. B. in Griechenland. Einen bedeutenden Bestandteil der Familien bildeten endlich die Sklaven, deren Zahl sich im Besitz einzelner Herren auf Tausende belief, insgesamt unter den Kaisern mindestens auf das Doppelte der freien hauptstädtischen Bevölkerung. Sie wurden teils zu den verschiedensten Diensten im Hause, teils zu den Arbeiten auf dem Lande verwendet und standen selbstverständlich unter der unbeschränkten Gewalt ihrer Herren; doch war die Behandlung, namentlich der Haussklaven, in der ältern Zeit eine freundliche und verschlechterte sich erst mit dem Anwachsen der Sklavenmassen, auf dem Lande in noch höherm Grade als in der Stadt, bis sich ihre Lage in der Kaiserzeit im allgemeinen besserte.

Die Hauptbeschäftigung der Römer war in der alten Zeit der Ackerbau, der immer in hohen Ehren gehalten wurde und die Lebensweise bedingte. Handwerke wurden zwar von freien Bürgern betrieben, galten aber nicht als ehrenwert. Bei den angesehenen Männern füllte in der Hauptstadt die Vorbereitung auf das öffentliche Leben und dies selbst alle Zeit aus und ließ andre Beschäftigungen lange nicht aufkommen. Erst mit den außeritalischen Eroberungen hob sich das Geldgeschäft und die Spekulation, durch die sich die Nobilität und die Ritter auf verschiedenem Wege (durch Fabrikation, Reederei, Großhandel) mit gleichem Erfolg bereicherten.

Für die Anlage der römischen Häuser ist das vollere Verständnis hauptsächlich durch die Ausgrabungen in Pompeji und Herculaneum erschlossen worden, selbstverständlich nur für die erste römische Kaiserzeit, in der in jenen Städten namentlich unter römischem Einfluß gebaut worden ist (vgl. den Plan und Tafel »Architektur V«, Fig. 4–6). Die Hauptteile des römischen Hauses sind also: das Atrium oder Cavaedium, der charakteristische Teil, aus dem sich das römische Haus überhaupt entwickelt hat, der Versammlungsort der Familie und der Besucher, dessen Dach in der Mitte eine Öffnung hatte, durch die sich der Regen in ein Bassin, das sogen. Impluvium, ergoß, und das hinter demselben befindliche, in der Regel etwas größere Peristylium, ein gartenähnlicher Raum, umschlossen von einer Säulengalerie, beide, Atrium und Peristylium, rechts und links vom Eintritt mit einer größern oder kleinern Zahl von Zimmern, die zu Wohn-, Eß-, Schlafzimmern und zu wirtschaftlichen Zwecken dienten. Den Zugang zu dem Atrium von der Straße aus bildete das Ostium, in dem der Türwärter (janitor) seine Zelle hatte, und vor demselben meist ein nach der Straße zu offener, erhöhter Vorplatz, das Vestibulum; zwischen dem Atrium und Peristylium befand sich das Tablinum, das zur Aufbewahrung des Familienarchivs, als Geschäftszimmer, auch als Speisezimmer verwandt wurde. Diese Grundform des Hauses wurde bei wachsendem Luxus nach hinten ausgedehnt; das Privatleben zog sich aus dem Atrium, das jetzt nur noch für die Öffentlichkeit bestimmt war, in das oder in die Peristyle und die dazugehörigen Seitengemächer zurück. Auch ein Oberstock wurde auf den vordern Teil des Hauses ausgesetzt mit Zimmern, die ursprünglich als Speisezimmer (Cenacula) benutzt, später von der Dienerschaft bewohnt wurden. Die sämtlichen Zimmer waren meist klein und erhielten ihr Licht gewöhnlich durch die großen Türöffnungen, seltener durch Fenster, die dann schmal, niedrig und nach der Straße zu vergittert waren; desto mehr wurden, als Reichtum und Geschmackzunahmen, die größern, zum Zusammensein bestimmten Räume ausgeschmückt: die Fußböden mit musivischer Arbeit, die Wände mit Malerei und die Decken (lacunaria) mit verschiedenartigem Getäfel. So die Privathäuser, die von Einer Familie bewohnt und vorzugsweise Domus genannt wurden; außerdem gab es noch Miethäuser (insulae), die in Rom eine Höhe bis zu zehn Stockwerken erreicht haben sollen, von deren Einrichtung wir aber nur wissen, daß sie des Atriums und Peristyls entbehrten, nach außen hin gebaut waren und sich also mehr der neuen Bauart näherten.

Grundriß eines römischen Hauses (Haus des Pansa in Pompeji). a u. b Läden.
Grundriß eines römischen Hauses (Haus des Pansa in Pompeji). a u. b Läden.

Die Nationaltracht der römischen Bürger bestand aus der Tunica, einem hemdartigen Unterkleid, und der Toga, einem ovalen Stück Tuch, das in zahlreichen Falten künstlich über die Tunika gelegt wurde. An diesen beiden Kleidungsstücken waren auch die hauptsächlichsten Ehrenzeichen der höhern Stände angebracht, bei den Senatoren an der Tunika ein breiter, von oben nach unten laufender Streifen oder ein rechteckiger Einsatz auf der Brust (latus clavus) und an der Toga eine purpurne Verbrämung, die auch die Kinder höherer Stände trugen (toga praetexta, s. Tafel »Kostüme I«, Fig. 6), bei den Rittern an der Tunika ein schmälerer Streifen oder ein kleinerer Einsatz. Die Toga war aber nur das bürgerliche Kleid der Römer, das Kriegskleid war das Sagum, eine Art Mantel. Bei der römischen Matrone war außer der einen Tunika oder auch mehreren das Hauptkleid in der ältern Zeit ebenfalls die Toga, später die Stola, ein lang herabfallendes, durch Gürtung zusammengefaßtes Gewand, im Schnitt der Tunika gleich, aber viel weiter (Fig. 7). In der Kaiserzeit wurden diese Gewänder durch Umwürfe und Mäntel von verschiedener Form und unter verschiedenen Namen (pallium, lacerna, synthesis) ersetzt, bei den Männern durch die Paenula, ein Gewand mit Kapuze, bei den Frauen durch die Pal la, einen langen, weiten, die ganze Gestalt verhüllenden Umwurf, auch wurde es immer mehr üblich, statt der Wolle, die in früherer Zeit fast den einzigen Stoff gebildet hatte, Leinen und namentlich Seide zu verwenden. Die gewöhnliche Fußbekleidung war der rotlederne Schuh (Calceus); der enger anliegende und derbsohlige Schuh der Soldaten hieß Caliga; Sandalen (sandalia oder soleae) trug man nur im Haus oder auf dem Wege zu einem Mahl.

Literatur über die römischen Altertümer s. S. 122.

Geschichte des römischen Staates.

(Hierzu die Karten: »Rom und Altitalien« und »Das römische Weltreich etc.«, mit zwei Registerblättern.)

Tabelle

Die Königsherrschaft (756–510 v. Chr.).

Der Ursprung Roms ist, wie der mehrerer andrer italischer Städte, durch die Sage mit dem Trojanischen Krieg, dem Mittelpunkt der griechischen Sage, in Verbindung gebracht worden. Der Trojaner Äneas, der Sohn der Aphrodite (Venus), wurde durch die Götter nach Italien geführt; sein Sohn Ascanius erbaute die Stadt Albalonga, die sich zum Haupte der latinischen Städte erhob, und von hier aus gründeten etwa 400 Jahre später die Enkel des Königs Numitor, Romulus und Remus, Söhne des Mars, 753 eine neue Stadt auf dem Palatinus, einem der sieben Hügel am linken Ufer des Tiber. Romulus, nach dem Tode seines Bruders alleiniger Herrscher, vermehrte die Zahl der Bürger, verschaffte ihnen Frauen durch den Raub der Sabinerinnen, vereinigte sie zu Einem Volk mit den Sabinern, führte glückliche Kriege mit einigen benachbarten latinischen Städten sowie mit Fidenä und Veji, ordnete das Heerwesen, legte den Grund zu den wichtigsten politischen Einrichtungen und wurde nach einer ruhmvollen 37jährigen Regierung (753–716) als Quirinus zum Himmel erhoben. Ihm folgte der fromme und friedliche Sabiner Numa Pompilius (715–672), der durch Einrichtung und Regelung des Gottesdienstes das Werk seines Vorgängers ergänzte. Die Regierung seines Nachfolgers Tullus Hostilius (672–640) ist hauptsächlich durch die Überwindung und Zerstörung der Mutterstadt Albalonga bezeichnet, deren Einwohner er nach Rom überführte. Der nächste König, Ancus Marcius (640–616), vereinigte in sich die kriegerischen und friedlichen Gaben und Neigungen seiner Vorgänger und wurde dadurch, daß er viele latinische Städte unterwarf und ihre Bewohner in Rom ansiedelte, der hauptsächlichste Begründer des plebejischen Standes. Der folgende König, Tarquinius Priscus (616–578), ein aus Tarquinii eingewanderter Etrusker, vollendete die Unterwerfung Latiums, begann den Bau des Kapitolinischen Tempels und der großartigen Kloaken und nahm einen Teil der in Rom angesiedelten Fremden unter die Bürger auf. Von seinem Nachfolger Servius Tullius (578–534) wird berichtet, daß er die für die Entwickelung des Staates so wichtige, auf dem Vermögen beruhende und alle Bürger Roms vereinigende Zenturiatverfassung schuf, die Latiner zu einem Bündnis unter der Vorortschaft Roms vereinigte und die siebenhügelige Stadt als solche zum Abschluß brachte und mit einer Mauer umgab. Der Sohn seines Vorgängers, L. Tarquinius Superbus, stieß ihn vom Throne, führte dann die Regierung in der Weise, wie er sie gewonnen hatte (534–510), und erregte dadurch allgemeine Unzufriedenheit. Durch den Frevel seines Sohnes Sextus kam sie zum Ausbruch. Tarquinius Superbus wurde mit seinem ganzen Geschlecht vertrieben und das Königtum für alle Zeiten abgeschafft. So endete die Zeit der Könige, deren Geschichte aber durchaus sagenhaft und wenig glaubwürdig ist, wie schon die chronologischen Verhältnisse beweisen; nur die Persönlichkeiten der drei letzten werden als im wesentlichen historisch anzuerkennen sein. Auch die den Königen zugeschriebenen Einrichtungen sind zum Teil erst in späterer Zeit getroffen oder späterer Einrichtungen wegen erfunden worden.

Der Ständekampf und die Eroberung Italiens [510–261].

Die Vertreibung der Könige brachte Rom zunächst in der Ausdehnung seiner Macht zurück; die benachbarten Völker schüttelten das von den Königen ihnen ausgelegte Joch ab und versetzten den jungen Freistaat oft in arge Bedrängnis. Die Überlieferung verbindet die drei ersten Kämpfe mit Versuchen des Tarquinius Superbus, die Herrschaft wiederzugewinnen; der erste wurde 509 durch den Sieg am Wald Arsia über Veji und Tarquinii zurückgewiesen; dann folgte ein Krieg mit dem König Porsena von Clusium (507), der Rom auf einige Zeit zur Unterwerfung zwang, endlich einer mit den Latinern, der 496 zugunsten der Römer durch die Schlacht am See Regillus entschieden wurde und 493 zu einem Schutz- und Trutzbündnis zwischen den beiden Völkern führte. Auch die andern Nachbarn standen mit Rom in Kampf; erst 448 gewann es über die Äquer und Volsker und auch über die Sabiner das Übergewicht, und noch länger hatte es mit Veji zu tun, das 485 von neuem zu den Waffen griff und erst nach acht wechselvollen Kriegen und nach zehnjähriger Belagerung (405–396) erobert wurde, worauf die Römer nach dem Falle dieser Vormauer der etruskischen Macht ihre Herrschaft bis zum Ciminischen Wald (dem Gebirge von Viterbo) ausbreiteten.

An Stelle der Könige waren nach ihrer Vertreibung zwei Konsuln an die Spitze des Staates getreten, als erste L. Junius Brutus und L. Tarquinius Collatinus; indes konnten sie nur aus dem Stande der Patrizier genommen werden und fühlten sich in ihrer Amtsführung vor allem als seine Angehörige. So lag die Leitung des Staates schließlich in den Händen der patrizischen Aristokratie und der nur ihr zugänglichen Ratsversammlung, des Senats. Ihr nach der Vertreibung der Tarquinier ungescheut hervorbrechender Standeshochmut und Stolz gab die Veranlassung, daß die Plebejer mit der Drohung, sich ganz von den Patriziern zu trennen, auf den benachbarten Heiligen Berg auszogen (secessio in montem sacrum), von wo sie erst zurückkehrten, nachdem ihnen eine eigne Vertretung mit der Macht und der Pflicht, sie ferner vor Unbilden der patrizischen Magistrate zu schützen, zugestanden worden war. So entstand 493 das Volkstribunat, das in das Emporstreben des niedern Standes Leben und Energie brachte (s. oben: S. 107).

Zuerst richtete sich der unter der Führung der Tribunen gegen die Vorrechte der Patrizier begonnene Kampf auf das Gemeindeland (ager publicus), d.h. auf die durch Krieg gewonnenen Ländereien, deren Benutzung die Patrizier für sich allein in Anspruch nahmen. Der Konsul des Jahres 486 Sp. Cassius hatte das Anrecht der Plebejer auf dies Land anerkannt und einen Teil ihnen zuweisen wollen; er war aber von seinen Standesgenossen verurteilt worden, und die Kluft, welche die beiden Stände trennte, schien sich immer mehr zu erweitern. Daher gab der Tribun C. Terentilius Arsa dem Streit eine andre Wendung, indem er 462 den Antrag stellte, daß die Konsuln, statt wie bisher nach Gutdünken und nach dem innerhalb ihres Standes fortgepflanzten Gewohnheitsrecht das richterliche Urteil zu fällen, an bestimmte geschriebene Gesetze gebunden werden sollten. Erst nach einem neunjährigen erbitterten Widerstand der Patrizier wurde derselbe angenommen, nun aber in der Erweiterung, daß ein Straf- und bürgerliches Gesetzbuch für das ganze Volk, also ein allgemeines Landrecht ausgezeichnet und zehn Männer (decemviri legibus scribendis) mit unbeschränkter Vollmacht und unter Aufhebung aller Magistrate zu dem Zweck ernannt werden sollten. Die Kommission des ersten Jahres (451) brachte unter Benutzung griechischer Rechtssätze zehn Tafeln zustande, die des folgenden noch zwei, und so wurde das Zwölftafelgesetz, die Quelle alles öffentlichen und Privatrechts, geschaffen und damit nicht nur der Willkür der Magistrate gesteuert, sondern auch den Plebejern die Kenntnis des Rechts eröffnet und überhaupt der Weg der Vereinigung und Ausgleichung der beiden Stände betreten. Die Willkür der zweiten Dezemvirn und der Frevel ihres Hauptes, Appius Claudius, an der Virginia erbitterte indes das Volk auf das äußerste, und es bedurfte noch einer zweiten Auswanderung, um den Sturz der außerordentlichen Gewalt und die Wiederherstellung der alten Ämter, also auch des Volkstribunats, zu erzwingen (449); als es aber einmal so weit war, setzte es auch die Wahl volksfreundlicher Konsuln durch, des L. Valerius und des M. Horatius, die durch ihre Gesetze (leges Valeriae Horatiae) den Tributkomitien die gleiche Geltung mit den Zenturiatkomitien verliehen und über die Wahl eines Magistrats ohne Provokation die Todesstrafe verhängten, und schon 445 wurde durch ein Gesetz des Volkstribunen C. Canulejus die Schließung vollgültiger Ehen zwischen Patriziern und Plebejern (das Conubium zwischen beiden Ständen) gestattet und von seinen Mittribunen das Zugeständnis erreicht, daß statt der Konsuln Militärtribunen mit konsularischer Gewalt (tribuni militum consulari potestate) eingesetzt und zu diesem Amt auch Plebejer gewählt werden durften.

Aber alle Fortschritte nach außen und die Vorbereitungen zu einer weitern Entwickelung im Innern schienen zerstört zu werden, als Rom 390 v. Chr. durch den Einfall der Gallier überflutet wurde. Sein Heer wurde an der Allia geschlagen, die Stadt erobert und angezündet, nur das Kapitol leistete Widerstand, endlich aber wurde doch die Besatzung durch Hunger genötigt, in Unterhandlung zu treten; und da die Gallier unterdes von einem Einfall der Veneter in ihr Pogebiet Kunde erhalten hatten und die ausgesogene Umgebung Roms sie nicht mehr ernähren konnte, so verstanden sie sich dazu, gegen ein Lösegeld von 1000 Pfd. Gold die Stadt zu räumen. Für Rom aber kamen, wenngleich diese Gefahr beseitigt war, wieder schlimme Jahre; denn es mußten nicht allein die abgebrannten Häuser in aller Eile wieder aufgebaut werden, zugleich erhoben sich auch die benachbarten Völker, Äquer, Volsker, Etrusker, selbst ein Teil der Latiner, gegen die widerwillig ertragene römische Herrschaft oder Oberhoheit. Doch gelang es der Feldherrntüchtigkeit des Camillus und der Energie der Römer, alle Feinde zu besiegen und die Grenzen ihres Gebietes sogar zu erweitern, so daß der Staat auch aus dieser Niederlage innerlich gekräftigt u. gefestigt hervorging.

Das ärmere Volk war jedoch durch die Verbrennung seiner Häuser und die Verwüstung seiner Ländereien wiederum in die Hände patrizischer Gläubiger geraten und wagte nicht, den Anmaßungen der Patrizier irgend einen Widerstand entgegenzustellen. Erst 376 wurde der Kampf von den beiden Volkstribunen C. Licinius Stolo und L. Sextius mit den drei berühmten Gesetzesanträgen (leges Liciniae) wieder aufgenommen: 1) daß von den Schulden die gezahlten Zinsen in Abzug gebracht und der Rest binnen drei Jahren bezahlt werden, 2) daß kein Bürger mehr als 500 Morgen vom Staatsland (ager publicus) besitzen, und 3) daß wieder Konsuln gewählt werden und einer derselben ein Plebejer sein solle. Der Kampf um diese Gesetze dauerte zehn Jahre. Allein 367 wurden sie durchgebracht, und nun auch die übrigen Ämter von den Plebejern nach und nach erobert: 356 wurde zuerst ein plebejischer Diktator, 351 ein plebejischer Zensor ernannt; 337 wurde die Prätur, die 367 für die Rechtspflege eingesetzt und den Patriziern vorbehalten worden war, mit einem Plebejer besetzt, und 300 erlangten die Plebejer endlich durch die Lex Ogulnia den Zugang zu dem Augurat und Pontifikat. Hiermit war für sämtliche politisch bedeutende Ämter die völlige Gleichstellung der Plebejer mit den Patriziern erreicht. Auch hinsichtlich der Komitien gelangten die Plebejer zum Ziel, da 339 durch die Publilischen Gesetze und noch einmal 286 durch die Lex Maenia und Hortensia die Beschlüsse der Tributkomitien denen der Zenturiatkomitien gleichgestellt wurden.

Nachdem so die Versöhnung der beiden Stände im wesentlichen erreicht worden war, zeigte sich das römische Volk nach außen kräftiger und mächtiger als je. Die wiederholten Angriffe der Gallier wurden siegreich zurückgeschlagen, das Bündnis mit den Latinern und Hernikern nach glücklichen kriegerischen Erfolgen wiederhergestellt. Unter den übrigen Völkern Italiens war damals das tapferste und kriegstüchtigste das der Samniten (s. d.). Mit ihm hatte zwar Rom 354 ein Bündnis geschlossen; da jedoch die Macht beider Völker im Aufsteigen war und ihre Grenzen nach der Unterwerfung der Volsker sich näherten, konnte es nicht lange Bestand haben, und so brach 343 der Krieg mit ihnen aus, der sich unter wechselnden Erfolgen über 70 Jahre hinzog, sich auch auf die andern Völkerschaften Mittel- und Unteritaliens erstreckte, aber endlich mit ihrer völligen Unterwerfung endete. Nach dem ersten Krieg (343–341) verzichteten die Römer, obwohl sie mehrere Siege erfochten hatten, auf jeden Vorteil, um zunächst mit den eifersüchtig gewordenen Latinern abzurechnen, die in der Schlacht am Vesuv (340) durch die Konsuln T. Manlius Torquatus und P. Decius Mus besiegt und als Bürger latinischen Rechts zu Untertanen gemacht wurden (338). Mit den Samnitern brach ein zweiter Krieg 326 aus, nach dem sie, die Lukaner, Apulier, Picenter, Päligner, Herniker, Etrusker und Umbrer, in das Verhältnis von Bundesgenossen (socii) zu Rom traten (304). Schon nach sechs Jahren begann der Krieg mit den meisten dieser Völker von neuem (der dritte Samnitische Krieg, 298–290) und nahm 295 eine besonders gefährliche Gestalt dadurch an, daß die Gallier sich mit den Feinden Roms verbanden; indessen auch diese Gefahr wurde glücklich durch den großen Sieg bei Sentinum überwunden. Der letzte große Krieg (280–272) ging von Tarent aus, das sich den König Pyrrhos von Epirus zu Hilfe gerufen hatte, und wieder erscheinen die Samniter unter den Feinden Roms, mit ihnen die Lukanier und Bruttier. Das Glück neigte sich zuerst in den Schlachten bei Heraklea (280) und bei Ausculum (279) Pyrrhos und seinen Verbündeten zu, 275 aber siegten die Römer bei Benevent, worauf Pyrrhos Italien verließ, Tarent erobert wurde und alle am Kriege beteiligten italischen Völkerschaften sich den Römern ergeben mußten. Damit wurde die Unterwerfung von ganz Mittel- und Unteritalien vollendet und durch ein dichtes Netz von Militärkolonien gesichert. Die Überlieferung dieses Zeitraums ist in den Haupttatsachen und in den meisten Namen der Magistrate glaubhaft, aber im übrigen durch National- und Familieneitelkeit vielfach entstellt und ausgeschmückt. Erst seit dem gallischen Einfall, der auch den Griechen bekannt geworden ist, gewinnt sie an Zuverlässigkeit.

Die Begründung von Roms Weltherrschaft (261–133).

Durch die letzten Kriege hatte Rom eine außerordentliche Streitmacht erlangt; wenige Jahrzehnte später wird seine waffenfähige Mannschaft von einem sachkundigen und zuverlässigen Geschichtschreiber auf mehr als 700,000 Mann berechnet, und da es auf der eingeschlagenen Bahn der Eroberungen nicht stillestehen konnte und diese in dem letzten Krieg ihre Richtung nach Süden genommen hatten, mußte vor allem das fruchtbare Sizilien das Auge der Römer auf sich ziehen. Den größten Teil der Insel hatten bereits die Karthager erobert, die Herren des westlichen Meeres, mit denen die Römer früher wiederholt zum Schutze des gegenseitigen Verkehrs Verträge abgeschlossen und mit denen gemeinsam sie eben noch Pyrrhos bekriegt hatten. Dies hinderte aber das kriegslustige Volk nicht, eine sich bietende Gelegenheit zu benutzen und ein Heer nach der Insel hinüberzuschicken. So entstand der erste Punische Krieg (264–241). Er wurde zuerst auf Sizilien zu Lande geführt, doch erschienen den Römern die Erfolge zu langsam, und so schufen sie 260 eine Kriegsflotte, mit der sie den Seesieg bei Mylä gewannen, und wagten es nach einem zweiten großen Seesieg am Verg Ecnomus, 256 den Krieg nach Afrika hinüberzutragen. Dort aber erlitten sie 255 eine völlige Niederlage, und nun wurde der Krieg in Sizilien ohne Entscheidung unter beiderseitigen großen Opfern fortgeführt, bis eine durch die patriotischen Beiträge einzelner römischer Bürger ausgerüstete Flotte die Karthager durch den Sieg bei den Ägatischen Inseln 241 zum Frieden zwang. Karthago mußte Sizilien abtreten, das die Römer zu ihrer ersten Provinz machten, eine große Geldsumme bezahlen und sich jedes Angriffs auf römische Bundesgenossen enthalten. Die Ruhe, die so die Römer im Süden gewonnen hatten, benutzten sie, um nach andern Seiten hin ihre Macht auszudehnen; sie entrissen den Karthagern, denen durch einen gefährlichen Söldnerkrieg die Hände gebunden waren, Sardinien (238), begründeten durch die zwei Illyrischen Kriege (229–228 und 219) ihre Herrschaft in den dortigen Küstenländern und besiegten in einem mehrjährigen Kampfe (225–222) die Gallier Oberitaliens. Mittlerweile war Hamilkar Barkas nach Niederwerfung der Söldner nach Spanien übergesetzt, um es als Ersatz für Sizilien zu erobern, und hatte dort schnelle Fortschritte gemacht; die Eroberung der Stadt Sagunt, die sich den Römern angeschlossen hatte, durch seinen Sohn Hannibal wurde die Veranlassung zum zweiten Punischen Krieg (218–20 1). Hannibals Absicht war auf die Vernichtung Roms gerichtet (s. Hannibal 3); aber seine Pläne wurden trotz der glänzenden Siege am Ticinus und an der Trebia (218), am Trasimenischen See (217) und bei Cannä (216) teils durch die unerschütterliche Standhaftigkeit, mit der die Römer immer neue, größere Streitkräfte zur Bekämpfung Hannibals aufboten, und durch die Treue ihrer meisten Bundesgenossen, teils dadurch vereitelt, daß die Versuche, ihm ein Heer aus Spanien zur Hilfe zuzuführen, scheiterten. Die römischen Waffen gewannen trotz aller Feldherrntüchtigkeit Hannibals nach und nach auch in Italien das Übergewicht, und als P. Cornelius Scipio nach Afrika übersetzte und die bedrängten Karthager ihren großen Mitbürger aus Italien abriefen, wurde dieser 202 bei Zama von Scipio völlig geschlagen, so daß er selbst zum Frieden riet; die Karthager mußten (201) auf alle Besitzungen außerhalb Afrikas, namentlich Spanien, das römische Provinz wurde, verzichten. An den Krieg mit Hannibal knüpfte sich sogleich ein andrer mit König Philipp III. von Mazedonien, dessen ehrgeizige Pläne die Römer zum Kriege bestimmten (200); sie schlugen ihn 197 entscheidend bei Kynoskephalä und zwangen ihm einen Frieden auf, der ihn fast zu völliger Machtlosigkeit verurteilte. Mit seinem Verbündeten, dem König Antiochos III. von, Syrien, begann der Krieg 191; er wurde aus Griechenland, wohin er vorgedrungen war, zurückgeschlagen und auch in Kleinasien noch mehrfach, zuletzt 190 bei Magnesia am Sipylus, besiegt, worauf er ebenfalls einen seine Macht wesentlich verringernden Frieden einging (189).

Hiermit war die Überlegenheit Roms wie im Westen über Karthago, so auch im Osten entschieden, und es blieb nur noch übrig, alle diese Mächte völlig niederzuwerfen und die Länder zu Provinzen zu machen. Dies geschah für Karthago durch den dritten Punischen Krieg (149–146), der mit der Eroberung und Zerstörung Karthagos durch den jüngern Scipio Africanus endete. Mit Mazedonien wurde 171–168 ein neuer Krieg geführt, der König Perseus bei Pydna geschlagen und selbst gefangen genommen, Mazedonien 146 nach einem Aufstandsversuch zur römischen Provinz gemacht, ebenso Griechenland nach einem Krieg mit dem Achäischen Bund und der Eroberung Korinths. Im Osten bedurfte es keiner weitern Maßregel, da Syrien und Ägypten durch Thronstreitigkeiten und durch Kriege untereinander sich selbst zugrunde richteten; doch wurde auch dort 133 eine römische Provinz, Asia, eingerichtet, indem man das pergamenische Reich sich aneignete. Ernsthafter und mit schweren Verlusten für Rom verknüpft waren die Kriege mit den kräftigen Naturvölkern Spaniens. Dort hatten die Römer seit der Unterwerfung des Landes 206 schon immer mit Aufständen der verschiedenen Völker zu kämpfen gehabt. Am gefährlichsten aber waren der Viriatische (148–140) und der Numantinische Krieg (143–133).

Diese Zeit wird mit Recht die der Blüte der Republik genannt. Der Patriotismus, mit dem die beiden Stände ihren Streit ausgekämpft hatten, trug hier seine Früchte; nur um Gleichberechtigung war es den Plebejern zu tun gewesen, und so verloren sie bei aller Heftigkeit des Streites doch nie das wahre Interesse des Staates aus den Augen und rüttelten in kluger Mäßigung nie an den Rechten der Behörden und des Senats. Das Ansehen der Staatsleitung ging aus dem langen Kampf ungeschmälert hervor. Daher gehorchte das Volk selbst in Zeiten schwerer Gefahr mit unbedingter Hingabe und Uneigennützigkeit seinen Obrigkeiten und zweifelte nicht an ihrer staatsmännischen Weisheit, und dadurch war wieder dem Senat, dem Träger der auswärtigen Politik, die Möglichkeit gegeben, unbeirrt durch Wechselfälle fest und sicher das Ziel der Erweiterung der Herrschaft zu verfolgen. Diese Politik kann nicht großmütig genannt werden, sie war vielmehr rücksichtslos und egoistisch, »machiavellistisch«, verschmähte kein Mittel und scheute keinen Umweg; indes das Altertum urteilte in dieser Hinsicht weniger peinlich und streng als die Jetztzeit. Ein glänzender Erfolg hat den römischen Patriotismus belohnt: das Reich umfaßte am Ende dieses Zeitraums außer ganz Italien die Provinzen Sizilien, Sardinien nebst Korsika, Spanien, Afrika, Mazedonien, Achaia (Griechenland) und Asien, also fast alle Kulturländer des Altertums.

Doch ist eben in dieser schnellen Ausdehnung der Herrschaft über fremde Länder der Grund zu der Krankheit zu suchen, die schon am Ende dieses Abschnittes zutage tritt und im nächsten die Grundlagen der Republik untergräbt. Eine innere Verbindung der Provinzen zu einem Reichsorganismus ist nicht einmal angestrebt worden. Mit Ausnahme einzelner privilegierter Städte sah man sie als untertänige Länder an und behandelte sie demgemäß mit römischem Egoismus als Geldquelle für die römische Bürgerschaft. Die in den Provinzen erhobenen Steuern und Zölle setzten nebst der Kriegsbeute den Staat 167 in den Stand, auf Abgaben seiner Bürger zu verzichten; außerdem aber entschädigten sich in ihnen die verwaltenden Konsuln und Prätoren für die Kosten ihrer Amtsbewerbung. So konnten nur die Reichen, die das Geld zu der Bewerbung besaßen, überhaupt an die Staatslaufbahn denken, gelangten aber auf ihr, nachdem das Vermögen ihrer Familie sie befähigt hatte, sie zu betreten, zu immer größern Reichtümern, und es bildete sich allmählich ein Amtsadel, der in dem aus gewesenen Beamten bestehenden Senat seinen Mittelpunkt und die Gesamtleistung des Staates sah und sich gegen die übrigen Bürger immer schroffer abschloß, die sogen. Nobilität, auch die Senats oder Optimatenpartei genannt. Dieser in den Händen der Minderheit trotz aller Verschwendung wachsende Reichtum drängte die kleinen Leuke immer weiter zurück; die Güter der Bauern wurden von den Großgrundbesitzern (Latifundienbesitzern) aufgekauft und durch Sklaven bewirtschaftet; die Reichtümer der Hauptstadt, die Spiele und sonstigen Genüsse, durch welche die Nobilität sich die Gunst des Volkes zu erwerben suchte, lockten dorthin eine Masse besitz- und gesinnungsloser Bürger, die allmählich die bessern Elemente ansteckten oder unterdrückten. An der Stelle des alten Gegensatzes des Patriziats, das noch weiter bestand, aber ohne alle politische Bedeutung, und der Plebejer, kam also ein neuer zwischen der reichen Senatspartei und den Armen auf, der an sich wenig Hoffnung auf Versöhnung und Ausgleich bot; verhängnisvoll für den Bestand der Republik wurde er dadurch, daß die letztern in den für die Staatsangelegenheiten entscheidenden Tributkomitien die Herrschaft besaßen und ehrgeizige Volksführer in ihnen leicht die reizbare, schwankende Menge gegen die reiche Minderheit aufwiegeln und für ihre selbstsüchtigen Zwecke dienstbar machen konnten. In den so entstehenden erbitterten Parteikämpfen ging während des nächsten Zeitraums die Republik zugrunde.

Die innern Unruhen und Bürgerkriege (133–31).

Die beiden Brüder Tiberius und Gajus Gracchus (s. Gracchus 2 u. 3) nahmen sich zuerst, von den edelsten Motiven bestimmt, der Sache des Volkes an. Daher erneuerte der ältere Bruder als Volkstribun des Jahres 133 das Licinische Gesetz über das Gemeindeland, um einen zahlreichen Bauernstand herzustellen und so wieder eine tüchtige, leistungsfähige Bürgerschaft zu schaffen. Einen bedeutenden Schritt weiter ging sein energischerer und leidenschaftlicherer Bruder (Tribun 123 und 122), der zur Sicherung der Ausführung des Ackergesetzes durch einige weitere Gesetze überhaupt dem Senat die Staatsgewalt zu entreißen und sie auf die Volkspartei zu übertragen suchte. Beide Brüder fanden durch Gewalttaten der Senatspartei ihren Untergang, aber der Kampf zwischen den beiden Parteien kam darum nicht zur Ruhe. Allerdings herrschte zunächst die Senatspartei. Da aber die Entartung der Vornehmen, insbes. ihre Habsucht und Bestechlichkeit, immer deutlicher an den Tag kam und infolge davon der Jugurthinische Krieg (111–106) während der ersten Jahre in der schimpflichsten Weise geführt wurde, gewann im Laufe desselben die Volkspartei das Übergewicht, so daß C. Marius (s. d.), ein Mann aus dem Volk, 107 zum Konsulat gelangen und in den nächsten Jahren, in denen er den Cimbrischen Krieg durch die Siege bei Aquä Sextiä (102) und Vercellä (101) glücklich beendete, die Geschicke des römischen Staates lenken konnte.

Wiederum folgte ein Umschlag (100), als C. Servilius Glaucia und L. Apulejus Saturninus eine mit allen Freveln und Greueln der Pöbelherrschaft verbundene revolutionäre Bewegung hervorriefen und Marius dadurch zwangen, sich von ihnen loszusagen und sich mit der Senatspartei zu ihrer Unterdrückung zu vereinigen. Dies gab auf einige Jahre die Herrschaft wieder in die Hände der Senatspartei zurück. Der Vermittelungsversuch einer gemäßigten Partei des Senats wurde von der Majorität vereitelt und hatte nur die Folge, daß die Bundesgenossen, denen der Vorfechter jener Minorität, der Tribun M. Livius Drusus (s. d. 2), das ihnen schon vorher wiederholt versprochene römische Bürgerrecht in Aussicht gestellt hatte, zu den Waffen griffen, als sie sich jetzt wieder getäuscht sahen. So entstand der Bundesgenossen oder Marsische Krieg (90–88), der damit endete, daß den sämtlichen italischen Bundesgenossen das Bürgerrecht gewährt wurde, eine Maßregel, die, an sich gerecht und billig, zu spät getroffen wurde und zu vielen weitern Wirren führte, während welcher der Tribun P. Sulpicius Rufus 88 von der Menge den Beschluß fassen ließ, daß der Oberbefehl im Mithradatischen Krieg vom Konsul P. Cornelius Sulla auf C. Marius übertragen werden solle. Allein Sulla zog an der Spitze seines in Kampanien versammelten Heeres nach Rom, tötete oder vertrieb seine Gegner, verließ dann aber Rom und Italien und führte den Krieg gegen Mithradates (s. d.), ohne sich zunächst um die Vorgänge in Rom zu bekümmern. Mittlerweile bemächtigten sich die Marianer unter Führung des L. Cornelius Cinna und auf kurze Zeit auch des Marius selbst der Herrschaft in Rom. Indes wurden die zahlreichen Heere, die sie Sulla nach seiner Rückkehr entgegenstellten, in dem blutigen, verheerenden ersten Bürgerkrieg 83–81 völlig geschlagen, die politischen Gegner durch die Proskriptionen (s. d.) aus dem Wege geräumt, und nun ließ sich Sulla die Diktatur übertragen, um die Macht der Senatspartei wieder fest zu begründen, zu welchem Zweck er namentlich die Gerichte dem Senat zurückgab, den Tributkomitien das Recht der Initiative in der Gesetzgebung nahm und die Volkstribunen zu einer machtlosen Stellung herabdrückte. Nachdem er hierdurch eine aristokratische Verfassung begründet zu haben glaubte, legte er 79 die Diktatur nieder und starb bald darauf.

Sulla hatte das erste Beispiel der Entscheidung bürgerlicher Kämpfe durch das Heer gegeben und die Folgerung aus der Änderung gezogen, die Marius als Konsul 107 in dem Bestande der Legionen durch die Aufnahme der Proletarier vorgenommen hatte. So war es von nun an das Heer, das als ein jederzeit bereites Werkzeug für ehrgeizige Führer über den Besitz der Herrschaft in Rom entschied.

Die Verfassung des Sulla war zu sehr dem Geiste der Entwickelung des Staatswesens zuwider, als daß sie sich lange gehalten hätte. Die innern Unruhen dauerten fort bis 70, wo Cn. Pompejus, der dem Krie gegegen Sertorius (80–72) und in Gemeinschaft mit Crassus dem Sklavenkrieg gegen Spartacus (73–71) ein Ende gemacht hatte, die wesentlichsten Forderungen des Volkes befriedigte. Dafür wurde er mit außerordentlichen Vollmachten (67 durch das Gabinische und 66 durch das Manilische Gesetz) zum Oberfeldherrn gegen die Seeräuber und dann gegen Mithradates ernannt, und nach der glücklichen Beendigung dieser Kriege (63) würde es ihm möglich gewesen sein, sich vermittelst des Heeres zum Herrn von Rom zu machen. Allein er entließ sein Heer, sobald er (61) den Boden von Italien betrat, und nun setzte ihm der Senat, dessen Selbstbewußtsein mittlerweile durch die Unterdrückung der Catilinarischen Verschwörung (s. Catilina) gesteigert worden war, einen unüberwindlichen Widerstand entgegen, als er die in Asien getroffenen Anordnungen und die Belohnungen seiner Veteranen durch ihn bestätigen lassen wollte. Um daher seine Forderungen durchzusetzen, ging er mit C. Julius Cäsar und M. Licinius Crassus eine Verbindung, das erste Triumvirat (60), ein, der gegenüber der Senat völlig ohnmächtig war. Eine Zeitlang herrschten die drei Männer gemeinsam, aber 53 fiel Crassus gegen die Parther, und 49 brach der unvermeidlich gewordene Krieg (zweiter Bürgerkrieg, 49–45) zwischen den beiden übrigen aus; Cäsar besiegte mit seinem im Gallischen Kriege (58–50) zur höchsten Tüchtigkeit ausgebildeten Heer erst die Legaten des Pompejus in Spanien, dann Pompejus selbst 48 bei Pharsalos und die Reste der Pompejanischen Partei 46 bei Thapsos in Afrika und 45 bei Munda in Spanien, und hiermit hatte er sich in den unbestrittenen Besitz der Alleinherrschaft in Rom gesetzt. Durch seine Ermordung (44) wurde das Schicksal des Staates noch einmal auf die Entscheidung der Waffen gestellt. C. Octaviauns, der Adoptivsohn Cäsars (s. Augustus), stand erst auf seiten der Senatspartei, indem er M. Antonius, der das Erbe Cäsars für sich beanspruchte, in ihrem Auftrag bekämpfte (durch den Mutinensischen Krieg), dann aber wandte er sich gegen sie, als sie ihn ihre Macht fühlen lassen wollte, und schloß 43 das zweite Triumvirat mit M. Antonius und M. Ämilius Lepidus; die Vorfechter der Senatspartei, M. Brutus und C. Cassius, wurden 42 bei Philippi besiegt; Antonius verzehrte seine Kraft in Schwelgereien am Hofe der Kleopatra oder in ruhmlosen Kriegen mit den Parthern und Armeniern; Oktavian dagegen brach in Italien den Widerstand des L. Antonius, des Bruders von Marcus, in dem Perusinischen Krieg (40), besiegte S. Pompejus, den Sohn des großen, im Sizilischen Krieg (38–36), beseitigte bei einer sich darbietenden Gelegenheit M. Lepidus, verstärkte sein Heer und machte es durch Feldzüge gegen die benachbarten Völker im Nordosten von Italien kriegstüchtiger. Als es daher nach langer Spannung zwischen den beiden Nebenbuhlern zum Krieg kam, war Oktavian, der unterdes auch der Herr des Senats geworden war, in vielfacher Beziehung der Überlegene; Antonius wurde in der Seeschlacht bei Aktion besiegt (3 1) und gab sich, von allen verlassen, in Ägypten selbst den Tod (30). So fiel Oktavian der letzte entscheidende Sieg und damit die Alleinherrschaft in Rom zu.

Das römische Reich unter dem Julischen Kaiserhaus (31 v. Chr. bis 68 n. Chr.).

Die Gewalt des Oktavian war zunächst auf die angemaßte des Triumvirats begründet; als er jedoch nach seiner Rückkehr in die Hauptstadt den Senat sich gefügig gemacht hatte und sich als Erster der Bürger (princeps) im Besitz der Herrschaft sicher fühlte, sagte er sich vom Triumvirat los und erklärte seinen Entschluß, den ihm 32 übertragenen Oberbefehl niederzulegen, worauf der Senat ihm in aller Form (27) die Verfügung über alle Provinzen, die zu ihrem Schutze eines Heeres bedurften, und damit den Oberbefehl über die gesamte Militärmacht und die Entscheidung über Krieg und Frieden nebst dem Titel Augustus auf Lebenszeit verlieh (s. S. 107 f.). Die bürgerliche Gewalt hatte er seit 33 als Konsul besessen, sich aber von der Schwierigkeit der dauernden Weiterführung des Amtes überzeugt, und so ließ er sich anstatt des Konsulats 23 die lebenslängliche tribunizische Gewalt übertragen, durch die er unverletzlich und zum Hüter der Verfassung und Beschützer der einzelnen Bürger bestellt wurde, später (19) noch das Recht, Verordnungen mit Gesetzeskraft zu erlassen, 12 das oberste Priesteramt und gelegentlich noch andre Ämter. So hat Augustus innerhalb der sorgfältig geschonten Formen der Republik mit Hilfe des Senats, dem er seinen alten Glanz beließ, klug und maßvoll die Alleinherrschaft aufzubauen verstanden und dem durch die Bürgerkriege zerrütteten Reiche Ruhe und Sicherheit zurückgegeben. Namentlich hat er den Provinzen ein neues Leben eingeflößt; er sorgte für eine billige und gerechte Verwaltung, die Verfassung der Städte entwickelte sich zu einer gewissen Selbsttätigkeit, der Verkehr wurde erleichtert, die Schranken zwischen den einzelnen Provinzen fielen, der Gegensatz zwischen Rom, Italien und den Provinzen glich sich aus. Durch alles dies wurde die rasche Verbreitung des Christentums vorbereitet, und darin liegt die welthistorische Bedeutung des römischen Kaisertums, das also das Werk Alexanders d. Gr. fortsetzte.

Von kriegerischem Ehrgeiz frei führte Augustus Kriege nur, wenn es die Sicherheit der Grenzen erforderte, und zwar meist durch seine Feldherren, zuerst durch Agrippa, später durch seine Stiefsöhne Tiberius und Drusus, war dann aber auf dauernde Erfolge bedacht. Daher wurde Spanien in den Jahren 27–19 vollständig unterworfen und im Norden das Reich bis an die Donau in ihrem ganzen Lauf ausgedehnt oder gesichert (16–9 v. Chr., 6–9 n. Chr.); die Parther beugten sich ebenfalls, und sogar Deutschland schien bis zur Elbe römisch werden zu sollen, als es durch die Niederlage im Teutoburger Wald wieder verloren ging (9 n. Chr.).

Auf die besonders in ihrer ersten Hälfte glückliche und wohltätige Regierung des Augustus (31 v. Chr. bis 14 n. Chr.), die auch für Kunst und Literatur eine Blütezeit war (Augusteisches Zeitalter), folgte ohne irgendwelche Beanstandung in Rom die seines adoptierten Stiefsohnes Tiberius (14–37). Er beobachtete die Regierungsgrundsätze seines Vorgängers in der Verwaltung der Provinzen und dem Verzicht auf Eroberungen und bildete in seinem Sinne die Alleinherrschaft weiter aus, indem er die Wahl der Behörden auf den von ihm abhängigen Senat übergehen ließ und die Prätorianer in einem Lager am Viminal vereinigte (23). Doch lastete sein mißtrauisches, verschlossenes, hartes Wesen schwer auf der römischen Bevölkerung, namentlich auf der Aristokratie, auch als er Rom 26 verlassen. und sich auf die Insel Capreä (Capri) zurückgezogen hatte, da an seiner Stelle die prätorianischen Präfekten, erst Sejanus, nach dessen Sturz (31) Macro, unterstützt von dem Unwesen der Delatoren (Angeber), die Herrschaft mit der äußersten Willkür und Strenge fortführten. Noch schrecklicher wurde die Regierung des Gajus Caligula (37–41), der sie unter den aberwitzigsten, an Wahnsinn grenzenden Ausschweifungen, Schwelgereien und Grausamkeiten verbrachte und von den Prätorianern ermordet wurde, die an seiner Statt (das erste Beispiel dieser Art) den Bruder des Germanicus, Tiberius Claudius Nero (41–54), zum Kaiser ausriefen, der selbst vom besten Willen beseelt, aber von einer an Blödsinn grenzenden Schwäche des Verstandes war und sich ganz von seinen Frauen und von seinen Freigelassenen leiten ließ, so daß auch unter ihm Rom der Schauplatz von Ausschweifungen und Grausamkeiten war. Seine Gemahlin Agrippina ließ Claudius 54 vergiften, nachdem er ihren Sohn Nero adoptiert hatte, und hob diesen auf den Thron. Auch ihn verführte nach wenigen Jahren das Bewußtsein schrankenloser Gewalt zu Grausamkeiten, sinnlosen Ausschweifungen und schamloser Entwürdigung seiner hohen Stellung, so daß er nicht einmal das Leben seiner Mutter schonte. In Rom erstickte das materielle Wohlleben edlere Bestrebungen. Aber wie die gesamte römische Literatur von Männern, die aus den Provinzen stammten, getragen wurde, so lebte in den Heeren, die sich aus den Grenzländern rekrutierten, der alte römische Geist weiter fort. Sie verteidigten überall siegreich das römische Gebiet, und von ihnen ging auch die Empörung gegen Nero aus. Vom Senat verlassen, tötete er sich selbst (68), und mit ihm erlosch das Julische Kaiserreich nach hundertjähriger Herrschaft.

Die Herrschaft der Flavier u. Antonine (68–180).

Die Legionen in Gallien und Spanien hatten Galba zum Kaiser ausgerufen, der in Rom von der Herrschaft Besitz ergriff, aber im Januar 69 von M. Salvius Otho mit Hilfe der Prätorianer gestürzt wurde; Otho unterlag A. Vitellius, dem Kaiser der germanischen Legionen (im April 69), und dieser wieder den Legionen des Ostens (im Dezember 69), die den eben mit der Führung des Jüdischen Krieges beschäftigten T. Flavius Vespasianus (69–79) auf den Thron erhoben. Mit ihm begann eine längere, bis 180 reichende, nur durch Domitian unterbrochene Reihe trefflicher Fürsten, unter denen sich das römische Reich großer materieller Wohlfahrt erfreute. Er stellte Zucht und Ordnung im Heer und im Reiche wieder her, hob die Finanzen, beendete die bei seinem Regierungsantritt übernommenen Kriege, den Jüdischen 70 durch die Eroberung und Erstürmung Jerusalems, das Verdienst seines Sohnes Titus, den Aufstand der Bataver unter Civilis durch Petilius Cerialis. Sein älterer Sohn, Titus Flavius Vespasianus, erwarb sich während seiner kurzen Regierung (79–81) durch viele Beweise von Wohlwollen und Herzensgüte die Liebe des Volkes. Dagegen war wieder die Regierung des jüngern Sohnes des Vespasian, T. Flavius Domitianus (81–96), wie die des Caligula und Nero, eine Kette von Ausschweifungen, Schwelgereien und Grausamkeiten, besonders seit 93, nachdem die Verschwörung des Saturninus entdeckt worden war. Die Schäden dieser Regierung wurden, soweit möglich, durch M. Coccejus Nerva (96–98), hauptsächlich aber durch M. Ulpius Trajanus (98–117) geheilt. Der erstere war vom Senat aus seiner eignen Mitte gewählt worden und erwarb sich durch seine milde Ausübung der Herrschergewalt große Anerkennung, namentlich bei seinen ehemaligen Standesgenossen. Trajan fügte dem Reiche durch zwei Kriege (101–102 und 105–106) die große Provinz Dacien jenseit der Donau hinzu und gab ihm im Osten die größte Ausdehnung, die es dort je besessen hat. Auch das Geistesleben nahm unter ihm nach der Erstarrung unter Domitian einen außerordentlichen Aufschwung. Sein Nachfolger P. Älius Hadrianus (117–138) war ihm an Neigungen und Gaben ganz unähnlich; denn er widmete seine gesamte rastlose Tätigkeit der Verwaltung des Reiches, die er neu ordnete, und auf Reisen, die sich über alle Teile desselben erstreckten und einen großen Teil seiner Regierung (15 Jahre) ausfüllten, selbst beaufsichtigte; dazu brauchte er aber Frieden; daher verzichtete er sofort auf die Eroberungen Trajans jenseit des Euphrat und führte Kriege nur, wenn es zum Grenzschutz durchaus nötig war (in Britannien), oder ein Aufstand ihn zwang (in Palästina). Von Hadrian ging das Reich durch Adoption über auf Antoninus Pius (138–161), einen trefflichen Mann, der auch ohne Krieg das Ansehen seiner Herrschaft behauptete, von diesem auf den im Umgang mit Philosophen und Rhetoren ausgewachsenen Marcus Aurelius Antoninus (161–180), der vom edelsten Willen beseelt, aber nicht in gleicher Weise vom Glück begünstigt war. Eine Pest verödete die meisten Provinzen (166), und 167 brachen die Kriege an der Donau mit immer neuen dort andringenden, vornehmlich germanischen Völkern aus, die den Kaiser von da an fast ununterbrochen in Anspruch nahmen und trotz zahlreicher Siege nicht völlig bewältigt werden konnten.

Verfall des Reiches.

Der Verfall des Reiches, der schon unter Marcus Aurelius sich angekündigt hatte, trat nach dessen Tod immer deutlicher hervor. Die römischen Heere waren fast immer mit der Abwehr der Angriffe von außen beschäftigt, und dies hatte, abgesehen davon, daß die Verteidigung keineswegs stets eine glückliche war, die notwendige Folge, daß der militärische Charakter des Kaisertums sich immer ausschließlicher geltend machte, daß für die eigentliche Verwaltung des Reiches wenig geschah, und daß für siegreiche Heere unter tüchtigen Führern die Versuchung nahelag, diese auf den Kaiserthron zu erheben, und daher Bürgerkriege ausbrachen, die das Reich vollends zerrütteten. Noch beschleunigt wurde der Verfall durch die Mißregierung des Sohnes von Marcus Aurelius, Commodus (180–192), und durch den Übermut der Prätorianer; denn nachdem Commodus durch eine Verschwörung seiner nächsten Umgebung ermordet war, beseitigten sie den vom Senat gewählten Pertinax schon nach 87 Tagen, weil er ihnen zu streng war, und setzten den Senator M. Didius Julianus auf den Thron, aus keinem andern Grund, als weil er ihnen die reichsten Geschenke bot. Dagegen aber empörten sich die Heere in den Provinzen; drei Gegenkaiser wurden gleichzeitig von ihnen ernannt, alle tüchtige Feldherren, von denen Septimius Severus als der energischste und der Hauptstadt am nächsten stehende sich des Thrones bemächtigte (193–211). Nachdem er seine beiden Nebenbuhler besiegt hatte, stellte er das Ansehen des Reiches nach außen durch einen Feldzug gegen die Parther (193) wieder her und machte den Anfang damit, die bevorzugte Stellung Italiens herunterzudrücken, indem er mehrere Vorrechte, die es bis dahin genossen, aufhob und an Stelle der alten, in der Regel aus Italien sich rekrutierenden Prätorianer eine Garde aus gedienten Soldaten aller Truppen bildete; auch die Macht des Senats schränkte er ein. Sein Sohn Caracalla (211–217), ein grausamer Wüstling, der den eignen Bruder ermordete, strebte ebenfalls nach dem Ruhm eines Soldatenkaisers und versuchte es, durch kriegerische Unternehmungen sich einen Namen zu machen, hatte aber nur sehr geringe wirkliche Erfolge aufzuweisen; wichtiger war die seit längerer Zeit vorbereitete, unter ihm (212) erfolgte Verleihung des römischen Bürgerrechts an alle freien Bewohner des Reiches. Er wurde auf einem Feldzuge gegen die Parther von seinem Prätorianerpräfekten M. Opellius Macrinus ermordet, der als der erste Nicht-Senator Kaiser wurde (217–218), aber nach kurzem von dem Anhang eines Großneffen des Septimius Severus, Elagabalus (Heliogabalus), wieder verdrängt wurde. Dieser (218–222), früher Sonnenpriester in Emesa, ein 14jähriger Knabe, brachte mit dem Kulte des Sonnengottes alle Ausschweifungen des Orients nach Rom, verletzte das Gefühl aller Nationalgesinnten auf das bitterste und wurde 222 von den Prätorianern ermordet, die für ihn seinen Vetter zum Kaiser ausriefen. Alexander Severus (222–235) war damals auch erst 14 Jahre alt, wurde aber von seiner klugen Mutter Julia Mamäa beraten und räumte dem Senat einen lange nicht dagewesenen Einfluß auf die Regierung ein; die von vielen Schriftstellern berichteten Erfolge im Osten beschränken sich darauf, daß er die Versuche des jungen Perserreichs, sich auf Kosten des römischen auszudehnen, zurückwies (232–233); bald darauf ward er am Rhein, wie er sich zu einem Kriege gegen die Germanen anschickte, in einer Meuterei von seinen Soldaten erschlagen, der letzte aus dem Severischen Kaiserhaus.

Nach seinem Tode schreitet der schon unter Marcus Aurelius beginnende, jedoch immer wieder ausgehaltene Verfall des Reiches in raschen Schritten vorwärts, bis nach 50 Jahren Diokletian noch einmal durch eine zeitgemäße Organisation die einzelnen Teile zusammenfaßt. Die meisten der zahlreichen Kaiser in dieser Periode haben sich aus dem niedern Soldatendienst in die Höhe gearbeitet, aber nur kurze Zeit und nicht einmal im ganzen Umfang des Reiches die Herrschaft besessen und sind fast alle nicht eines natürlichen Todes gestorben. Der Nachfolger des Alexander Severus, der von dem Heere sofort zum Kaiser ausgerufene Maximinus (235–238), ein Thraker von Geburt, der erste »Barbar« auf dem Throne, bewährte sich als tüchtiger Soldat in Kriegen am Rhein und an der Donau; von einer Reichsregierung konnte jedoch bei dem völlig ungebildeten Manne nicht die Rede sein; Rom hat er als Kaiser gar nicht gesehen. Gegen seinen Steuerdruck erhoben sich die Provinzialen in Afrika; aber sowohl der von ihnen als Kaiser ausgerufene Gordianus als die beiden Gegenkaiser des Senats, Maximus (Pupienus) und Balbinus, endlich aber auch Maximinus fanden ihre Gegner und ihren Tod; übrig blieb nur der Schützling der Prätorianer, Gordianus III. (238–244), ein 13jähriger Knabe; er unternahm einen glücklichen Feldzug gegen die Perser unter Leitung seines Schwiegervaters, des Prätorianerpräfekten Timesitheus, wurde aber nach dessen Tod von seinem Nachfolger Philippus, nach seiner Herkunft Arabs genannt (244–249), des Thrones beraubt, dieser wieder von Decius (249–251), einem kräftigen Kriegsmann, der aber bald in den Kämpfen mit den das Reich heimsuchenden Goten fiel, einem Feinde der Christen; dann werden als Kaiser gezählt Gallus (251–254), erst zusammen mit dem vom Senaternannten Hostilianus, nach dessen Tod (252) allein, hierauf Ämilianus (254), endlich Valerianus (254–260), der von den Persern geschlagen und gefangen genommen wurde, und sein von ihm zum Mitkaiser ernannter schwelgerischer Sohn Gallienus (254–268). Neben den beiden letztgenannten Kaisern erhoben sich aber überall in den Provinzen Usurpatoren, oft durch ihre Truppen gezwungen, die glaubten, unter einem eignen Kaiser den Einfällen der Grenzvölker kräftiger begegnen zu können, die sogen. 30 Tyrannen, die das Reich durch die Kriege untereinander zerrütteten; dazu kamen die feindlichen Einfälle der Franken, Alemannen, Goten und Perser, welche die Provinzen ausplünderten und verwüsteten, endlich eine furchtbare Pest, die 15 Jahre lang (251 bis 265) wütete und die Hälfte der Bevölkerung des Reiches hinwegraffte, so daß diese Zeit zu den unglückseligsten gehört, von denen die Weltgeschichte zu berichten weiß.

Die nächstfolgenden Kaiser, Claudius (268–270), Aurelianus (270–275), der vom Senat ernannte Tacitus (275–276) und Probus (276–282), machten zwar der Vielherrschaft ein Ende und kämpften auch gegen die äußern Feinde mit Tapferkeit und nicht ohne glückliche Erfolge, Claudius gegen die Goten, Aurelianus gegen dasselbe Volk an der Donau, die er wieder zur Reichsgrenze machte, gegen die ein gedrungenen Alemannen und gegen das palmyrenische Reich unter Zenobia, Probus gegen die Germanen in Gallien, aber einen dauernden bessern Zustand vermochten sie nicht herzustellen, um so weniger, als ihrer Herrschaft meist durch Meutereien in ihren Heeren und ihrer Ermordung ein kurzes Ziel gesetzt wurde. Der Nachfolger des Probus, Carus (282–283), fand auf einem Feldzuge gegen die Perser, auf dem er siegreich bis Ktesiphon vordrang, den Tod; von seinen Söhnen starb Numerianus (283–284) auf dem Rückmarsch, und nun wurde Aurelius Valerius Diocletianus vom Heere zum Kaiser ausgerufen, der, nachdem der andre Sohn des Carus, Carinus (283–285), in der Entscheidungsschlacht am Margus von einem seiner Tribunen ermordet worden war, die Gesamtherrschaft in seiner Hand vereinigte.

Reorganisation des Reiches.

Mit Diokletians Regierung (284–305) beginnt eine neue Epoche der Kaisergeschichte durch die großartige Neugestaltung des römischen Reiches. Er bemühte sich nicht, die alten verfallenen Formen der Alleinherrschaft wiederherzustellen, schuf nach dem Muster der orientalischen Despotie eine völlig neue Regierungsgewalt, die absolute Monarchie, und dieser von ihm eingerichteten, von Konstantin weiter ausgebauten Verfassung verdankte das römische Reich die ihm noch beschiedene Lebenszeit (s. oben, S. 109). Weniger Erfolg hat Diokletian mit seiner Neugestaltung der obersten Staatsgewalt gehabt. Er verteilte diese nämlich unter zwei Augusti und zwei ihnen untergeordnete Cäsares, die alle gemeinsam unter der Oberleitung des einen Augustus für das Reich sorgen sollten, so jedoch, daß jeder besonders ein Viertel verwaltete, und meinte, daß nach einer gewissen Zeit die erstern, wenn sie alt geworden, abdanken, die Herrschaft den unterdes bewährten Cäsares abtreten und diese wieder andre Cäsares ernennen sollten. Dieser Plan scheiterte an dem Ehrgeiz und der Herrschsucht der Mitregenten. Solange Diokletian noch an der Spitze stand, ordneten sie sich ihm willig unter, und so ist es ihm, seinem alten Waffengenossen Maximianus, Galerius und Constantius Chlorus gelungen, nach allen Seiten hin die Grenzen in ihrer alten Ausdehnung zu sichern und sogar den Persern einen großen Erfolg abzugewinnen. Als jedoch nach 20jähriger Regierung seinem Vorhaben gemäß Diokletian 305 die Regierung niederlegte und sich ins Privatleben zurückzog, brach der Bau zusammen. Zwar der alte Maximianus gehorchte zunächst, so schwer es ihm auch fiel, die Cäsaren Constantius Chlorus und Galerius traten in die Stellung als Augusti ein, zu Cäsaren wurden Severus und Maximinus ernannt. Allein als Constantius 306 gestorben war, warf sich dessen Sohn Constantinus wider den Willen des Galerius zum Cäsar auf, und es gab 307 sogar sechs Augusti: Galerius, Maximinus, Constantinus, Licinius, Maximianus und sein Sohn Maxentius. Von diesen wurde Maximianus von seinem Sohn aus Rom verdrängt und 310 von Konstantin getötet, Maxentius, 312 von Konstantin an der Milvischen Brücke geschlagen, ertrank im Tiber, Maximinus starb nach der unglücklichen Schlacht bei Adrianopel gegen Licinius 313 auf der Flucht; Galerius war schon 311 gestorben; es blieben also nur Konstantin und Licinius zurück. Zwischen diesen kam es zuerst 314 zum Krieg und 323 zur Entscheidung, nach der Licinius (324) von seinem Gegner getötet wurde.

So war Konstantin, gewöhnlich der Große genannt, jetzt Alleinherrscher (324–337). Seine Regierung stellt sich einerseits als eine Fortsetzung der des Diokletian dar (s. oben); anderseits aber erhob er das Christentum zur Staatsreligion, während sich ihm Diokletian noch feindlich gezeigt hatte, und brach mit dem bis dahin bei den Römern geltenden Grundsatz der Toleranz, nach dem das Staatsoberhaupt zwar die Verehrung der staatlich anerkannten Götter verlangt, aber die von andern in weitestem Umfang zugelassen hatte. Selbst Christ geworden ist Konstantin erst auf dem Totenbette; jedoch schon 313 hatte er durch das Mailänder Edikt den Christen Religionsfreiheit verheißen und 325 in dem ökumenischen Konzil von Nikäa den Vorsitz geführt. Zu seiner Residenz machte er das erweiterte und Konstantinopel benannte Byzanz (330). Im Begriff, nach großartigen Rüstungen einen Feldzug gegen die Perser zu beginnen, starb er 337, und es folgten ihm seine Söhne Constantinus, Constantius und Constans, von denen aber Constantinus in einem Kriege mit seinem Bruder Constans (340), Constans 350 durch den Aufstand eines Gegenkaisers, Magnentius, den Tod fand, so daß Constantius, nachdem er Magnentius und zwei andre Gegenkaiser besiegt hatte, seit 353 das Reich wieder allein beherrschte. Er starb 361 auf dem Marsch gegen seinen Vetter Julianus, der 360 von seinem Heer in Gallien zum Kaiser ausgerufen worden war und nun als Alleinherrscher anerkannt wurde. Von Begeisterung für das klassische Altertum durchdrungen, versuchte er die alte Nationalreligion neu zu beleben und das Christentum wieder zu verdrängen, unternahm auch zur Herstellung der Ehre der römischen Waffen einen Feldzug gegen die Perser, aber als er, nach einem glücklichen Anfang zum Rückzug gezwungen, einer Wunde erlegen war (363), wurde zu seinem Nachfolger von dem Heere wieder ein Christ, Jovianus (363–364), gewählt, der sofort mit dem Perserkönig Frieden machte, und mit ihm war der Sieg des Christentums sofort wieder entschieden. Es folgte Valentinianus 1. (364–375), der seinem Bruder Valens (364–378) die Regierung des Ostens überließ und 367 (bis 383) seinen Sohn Gratianus zum Mitkaiser ernannte, von dem dann wiederum der vierjährige Valentinianus II. (bis 392) 375 als Mitkaiser angenommen wurde. Die Zeit der Valentinianischen Dynastie ist besonders durch den in sie fallenden Anfang der Völkerwanderung bedeutungsvoll geworden Vatens fiel im Kampfe mit den Westgoten in der blutigen Schlacht bei Adrianopel (378), das ganze Land zwischen dem Adriatischen und dem Schwarzen Meere wurde von ihnen verwüstet. Da ernannte Gratian 379 einen tüchtigen Feldherrn, den Spanier Theodosius, der nicht mit Unrecht der Große genannt wird, zum Kaiser des Ostens, und dieser brachte es teils durch glückliche Kriege, teils durch Unterhandlungen dahin, daß die Goten 382 in Thrakien und Mösien feste Wohnsitze nahmen, der erste Fall der dauernden Niederlassung eines germanischen Volkes innerhalb der Grenzen des römischen Reiches. Auch in die Verhältnisse des Westens griff er mit kräftiger Hand ein. Er rächte Gratian, der durch einen Aufstand des Gegenkaisers Maximus den Tod gefunden hatte, und als Valentinian II. 392 von dem Oberbefehlshaber seines Heeres, Arbogastes, erschlagen war, ließ er den von Arbogastes zum Kaiser gemachten Eugenius hinrichten. So war er jetzt Alleinherrscher, freilich nur auf kurze Zeit. Er starb 395, nachdem er das Reich zwischen seinen zwei Söhnen Arcadius und Honorius geteilt und jenem den Osten unter der Vormundschaft des Rufinus, diesem den Westen unter der Vormundschaft des Wandalen Stilicho zugewiesen und damit die griechischen und die lateinischen Reichsteile auch politisch voneinander getrennt hatte.

Das weströmische Reich bis zu seinem Untergang (395–476).

Die Geschichte des weströmischen Reiches, das von nun an für immer von dem oströmischen (s. Oströmisches Reich) getrennt war, bestand in dieser letzten Periode vorzugsweise in den Kämpfen gegen die sich immer wiederholenden Einfälle der germanischen Völker, weshalb auch schon 403 die Residenz zu größerer Sicherheit nach dem durch das Meer und seine Lagunen wie durch Kunst befestigten Ravenna verlegt wurde. Die nächsten Feinde waren die Westgoten, die, von dem Kaiser des Ostreiches dahin gewiesen, unter Alarich mehrere Einfälle in Italien machten, auch Rom eroberten und plünderten (410), nach Alarichs Tod aber sich nach dem südlichen Gallien wandten, um dort 415 unter Wallia auf dem Boden des römischen Reiches das westgotische Reich zu gründen. Andre Scharen von Wandalen, Alanen und Sueven überschwemmten Gallien und zogen dann nach Spanien weiter, wo sie sich im Süden und Westen festsetzten (411). Nach des Honorius Tod (423), der als zwölfjähriger Knabe auf den Thron gehoben war und nie volle Selbständigkeit erlangt hat, und nach dem Sturze des Usurpators Johannes wurde Valentinianus III. (425–455), ein sechsjähriges Kind, als Kaiser eingesetzt, unter dem Afrika von den aus Spanien herübergekommenen Wandalen erobert wurde (429), ein großer Teil Galliens von den Franken, Britannien von den Sachsen (449). Valentinian wurde 455 nach einer ll 0jährigen Regierung ermordet; gegen den Mörder und Nachfolger Petronius Maximus rief indes seine Witwe Eudoxia die Wandalen aus Afrika herbei, die zwar den Maximus töteten, aber zugleich Rom in einer furchtbaren Weise verwüsteten. Hierauf wurde der Arverner Avitus (455–456), namentlich auf Betreiben des Westgotenkönigs Theoderich II., auf den Thron erhoben; die Herrschaft führte jedoch der Sueve Ricimer, der von nun an nach Belieben Kaiser ein- und absetzte, erst Majorianus (457–461), dann, als dieser durch seine Bestrebungen, das Ansehen des Kaisertums wiederherzustellen, Verdacht erweckte, Libius Severus (461–465), hierauf nach einer zweijährigen kaiserlosen Zeit Anthemius (467–472), endlich 472 auf kurze Zeit Olybrius. Nachdem Ricimer und bald darauf Olybrius gestorben (472), Glycerius (473) von des erstern Neffen Gundobald zum Kaiser gemacht und dieser von Julius Nepos (474–475), den der griechische Kaiser Leo geschickt hatte, verdrängt worden war, versuchte Orestes, ebenfalls ein Anführer germanischer Hilfsvölker, die Rolle des Ricimer zu spielen und setzte seinen kaum 16 Jahre alten Sohn Romulus (zum Spott Augustulus genannt) als Kaiser ein. Aber schon im folgenden Jahr empörten sich die Germanen gegen Orestes und stellten Odoaker an ihre Spitze, der Romulus Augustulus zwang, sich in den Privatstand zurückzuziehen, und sich als König von Italien die Herrschaft übertragen ließ. Die Völker, die mit ihm gekommen waren, wurden in Italien angesiedelt, indem ihnen der dritte Teil des gesamten Grundbesitzes zugeteilt ward, und somit war der ganze Westen des Reiches von germanischen Völkern in Besitz genommen. Dies war das Ende des weströmischen Kaiserreichs, das dem Namen nach 800 von Karl d. Gr. und 962 von Otto I. erneuert im »Heiligen Römischen Reich deutscher Nation« (s. d.) bis 1806 fortlebte. Über die weitere Geschichte von Italien und Rom s. die Artikel »Italien« und »Rom«, S. 824.

Literatur über den altrömischen Staat.

I. Römische Altertümer. Grävius, Thesaurus antiquitatum romanarum (Utr. 1694–99, 12 Bde.); I. Jung, Grundriß der Geographie von Italien und dem Orbis Romanus (2. Aufl., Münch. 1897); über die römische Staatsverfassung, Staatszverwaltung, Staatsrecht und die Religion der Römer die oben (S. 108 u. 112) angeführten Werke; Becker und Marquardt, Handbuch der römischen Altertümer (Leipz. 1843–68, 5 Tle.); Marquardt, Das Privatleben der Römer (2. Aufl. von Man, das. 1886, 2 Bde.); Guhl und Koner, Das Lebender Griechen und Römer, nach antiken Bildwerken dargestellt (6. Aufl., Berl. 1893); Friedländer, Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms in der Zeit von August bis zum Ausgang der Antonine (7. Aufl., Leipz. 1901, 2 Bde.); Bender, Rom und römisches Leben im Altertum (2. Aufl., Tübing. 1892); die betreffenden Teile in J. Müllers »Handbuch der klassischen Altertumswissenschaft« (Nördling. u. Münch. 1886 ff.).

II. Geschichte. Montesquieu, Considérations sur les causes de la grandeur et de la décadence des Romains (Par. 1734, 1875; deutsch, Leipz. 1842); Niebuhr, Römische Geschichte (Berl. 1811–32, 3 Bde.; neue Ausg. von Isler, das. 1873–74, 3 Bde.) und Vorträge über die römische Geschichte (das. 1846 bis 1848, 3 Bde.); Mommsen, Römische Geschichte (Bd. 1–3, 9. Aufl., das. 1903–04; Bd. 5 in 5. Aufl. 1904); Schwegler, Römische Geschichte (2. Aufl., Tübing. 1867–71, 3 Bde.; Bd. 4 u. 5 von Clason, Halle 1873–76); Peter, Geschichte Roms (4. Aufl., das. 1881, 3 Bde.); Ihne, Römische Geschichte (Leipz. 1868–90, 8 Bde.; 2. Aufl. 1893 ff.); Duruy, Histoire des Romains (Par. 1876–85, 7 Bde.), daraus »Die Geschichte des römischen Kaiserreiches« übersetzt von Hertzberg (Leipz. 1889, 5 Bde.); Pais, Storia d'Italia dai tempi più antichi sino alle guerre puniche; 1. Abt.: Storia della Sicilia e della Magna Grecia (Bd. 1, Tur. 1894); 2. Abt.: Storia di Roma (Bd. 1 in 2 Teilen, das. 1898–99); Nitzsch, Geschichte der römischen Republik (Leipz. 1884–85, 2 Bde.); Alleroft und Masom, A longer history of Rome (Lond. 1898, 4 Bde.); Devaux, Etudes politiques sur les principaux événements de l'histoire romaine (Brüssel 1880, 2 Bde.); K. Neumann, Geschichte Roms während des Verfalls der Republik (Bresl. 1881–84, 2 Bde.); Drumann, Geschichte Roms in seinem Übergang von der republikanischen zur monarchischen Verfassung (Königsb. 1834–44, 6 Bde.; 2. Aufl. von Groebe, Berl. 1899 ff.); Tillemont, Histoire des empereurs (Par. 1691 ff.; 6 Bde.); Hoeck, Römische Geschichte vom Verfall der Republik bis zur Vollendung der Monarchie unter Konstantin (Bd. 1, Abt. 1–3, Braunschw., dann Götting. 1841–50); Gibbon, History of the decline and fall of the Roman Empire (Lond. 1782–1788, 6 Bde.; deutsch von Sporschil, 4. Aufl., Leipz. 1862, 12 Bde.); Merivale, History of the Romans under the Empire (4. Aufl. 1902, 8 Bde.; deutsch, Leipz. 1866–74, 4 Bde.); Laurentie, Histoire de l'empire romain (Par. 1861–62, 4 Bde.); Schiller, Geschichte der römischen Kaiserzeit (Gotha 1883–87, 2 Bde.); E. Hübner, Römische Herrschaft in Westeuropa (Berl. 1890); Köpp, Die Römer in Deutschland (Bielef. 1905). Zeittafeln der römischen Geschichte von Fischer (Altona 1846), ClintonFasti Romani«, Oxf. 1845–50, 2 Bde.) und Peter (6. Aufl., Halle 1882). Kürzere Darstellungen der römischen Geschichte von Peter (2. Aufl., Halle 1878), Jäger (8. Aufl., Gütersl. 1901) und Roth (3. Aufl., Münch. 1905); Niese, Grundriß der römischen Geschichte nebst Quellenkunde (3. Aufl., das. 1906).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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