Puls [2]

Puls [2]

Puls (Pulsschlag), die infolge der Herztätigkeit im Arteriensystem entstehende, durch Betasten der Schlagadern wahrnehmbare Wellenbewegung. Die Pulsschläge erfolgen in einem bestimmten Rhythmus mit bestimmten Intervallen und zwar so, daß jeder Pulsschlag der jedesmaligen Zusammenziehung der Herzkammern entspricht. Diese erzeugt in der Blutsäule des von ihr ausgehenden Arteriensystems eine Welle, die vom Herzen nach den Haargefäßen hin fortschreitet, jedoch allmählich an Größe abnimmt und bereits in den kleinern Arterien durch die Reibung des Blutes an den Gefäßwänden zerstört wird. Die Blut- oder Pulswelle dehnt die elastischen Wände der Arterie aus und verursacht für den ausgelegten Finger das Gefühl des Pulses. Da jede Welle zu ihrer Fortpflanzung einer gewissen Zeit bedarf, so muß zwischen dem Ausgang der Blutwelle vom Herzen und ihrer Ankunft in einer der entferntern Arterien eine bestimmte, wenn auch geringe Zeit verfließen. Die Dauer dieses Intervalls hängt von der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Welle und von der Entfernung der geprüften Arterienstelle vom Herzen ab. Befühlt man bei einem Menschen von mittlerer Größe gleichzeitig die an der Seite des Halses liegen de Carotis und die am Fußrücken verlaufende Arteria dorsalis pedis, so kommt die Pulswelle in der erstern um 1/6-1/7 Sekunde früher an als in der letztern. Hieraus berechnet sich die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Pulswelle zu etwa 9 m in der Sekunde. Zur ärztlichen Pulsuntersuchung wird gewöhnlich die am Handgelenk an der Daumenseite oberflächlich genug verlaufende Radialarterie benutzt. Doch ist jede andre größere und nahe der Oberfläche verlaufende Schlagader ebenfalls zur Prüfung des Pulses geeignet. Die Zahl oder Frequenz des Pulses ist ein für den Arzt sehr wichtiges Zeichen, da er aus ihr den Grad der Herztätigkeit ermißt und über gewisse Änderungen des Allgemeinzustandes des Körpers durch sie unterrichtet wird. Beim erwachsenen Mann beträgt die Pulszahl 72–75 in der Minute. Doch ist sie mancherlei Schwankungen unterworfen. Erstens bestehen individuelle Verschiedenheiten; man hat Frequenzen bis zu 120 bei Gesunden beobachtet; anderseits sind Fälle bekannt, in denen sie nur 30, ja nur 20 in der Minute betrug. Napoleon I. hatte eine Pulsfrequenz von nur 40. Beim weiblichen Geschlecht findet man sie höher als beim männlichen (im Mittel etwa zu 80). Sehr hoch ist die Pulszahl des Neugebornen (im Mittel 134, im Maximum sogar 160), sie nimmt dann bis zum 21. Lebensjahr ab, bleibt bis zum 65. nahezu beständig und erfährt dann wieder eine kleine Steigerung. Größere Menschen haben gewöhnlich einen weniger frequenten P. als kleinere; kleine Nagetiere haben 175 und mehr, das Pferd 36–50, der Elefant 25–28 in der Minute.

Wie die Körpertemperatur, zeigt der P. bestimmte Tagesvariationen: er sinkt vom Morgen bis zum Mittag, steigt im Nachmittag und sinkt wieder gegen Abend und in der Nacht; im Liegen ist die Pulszahl geringer als im Sitzen, im Stehen am größten. Nahrungsaufnahme, Affekte, wie Freude, Angst, pflegen die Pulsfrequenz zu erhöhen. Wärmezufuhr steigert, Wärmeentziehung vermindert sie (Aufnahme von heißen oder kalten Getränken). Bei körperlicher Anstrengung wird der P. beschleunigt; manche nehmen an, daß ähnlich auch geistige Tätigkeit wirke. Im Fieber ist die Pulsfrequenz erhöht; neben der gesteigerten Körpertemperatur ist der frequente P. das wichtigste objektive Anzeichen des Fiebers. Bei gewissen Herzkrankheiten findet man ebenfalls eine S: eigerung, bei Gehirnkrankheiten, die mit Vermehrung des Druckes in der Schädelhöhle einhergehen, eine Verminderung (Herabsetzung der Pulsfrequenz bei Blutergüssen ins Gehirn und bei Hirnhautentzündung). Manche Arzneimittel und Gifte steigern, andere vermindern die Pulszahl; am bekanntesten ist die pulsvermehrende Wirkung alkoholischer Getränke; pulsherabsetzend wirkt die Digitalis. Wo die erhöhte Pulsfrequenz durch Fieber bedingt ist, sinkt sie unter der Anwendung fieberwidriger Mittel. Gewisse qualitative Verschiedenheiten des Pulses gestatten Schlüsse auf die Beschaffenheit der Arterien und des Herzens etc. Man unterscheidet in dieser Beziehung schnellen oder besser schnellen den und langsamen P. (nicht zu verwechseln mit dem häufigen und seltenen P.). Bei schnellem P. hat man das Gefühl einer schnell anschlagenden und schnell abnehmenden Blutwelle, die Ausdehnung des Arterienrohrs erfolgt dabei geschwinder als seine Zusammenziehung. Beim langsamen P. ist das Umgekehrte der Fall. Man unterscheidet ferner einen regelmäßigen und einen unregelmäßigen, ja selbst aussetzenden P., je nach der Gleichheit oder Ungleichheit der Intervalle zwischen zwei aufeinanderfolgenden Schlägen. Der aussetzende P ist nicht immer mit einem Aussetzen der Herzschläge verbunden; wohl aber können einzelne Herzichläge so schwach sein, daß die durch sie erzeugte Blutwelle unserm Gefühl nicht zugänglich wird. Beim großen und vollen P. wird eine ansehnliche Blutmenge in die Arterie eingetrieben; klein wird der P. bei geringer Blutmenge, geminderter Herzkraft und bei größern Widerständen der arteriellen Blutbahn. Die an stark gespannten Arterien erfolgenden Stöße nennt man harte Pulse, die an schwach gespannten weiche Pulse etc. Der zwei- und mehrschlägige P. (pulsus di- und polycrotus) ist zum Teil abhängig von den elastischen Nachschwingungen der Arterien. In gewissem Grad ist auch der normale P. zweischlägig. Ein stärker dikroter und polykroter P. stellt uch ein bei großer elastischer Nachgiebigkeit der Arterienwand, häufig bei schweren sieberhaften Krankheiten, Typhus u. dgl. Bei gewissen Krankheiten des Herzens wird der P. springend, hüpfend oder schwirrend. Obwohl die beschriebenen Pulsqualitäten schon vom tastenden Finger wahrgenommen werden können, ist eine genauere Analyse der Pulsbewegung doch erst durch Verwendung der graphischen Darstellung des Pulses mit dem Sphygmographen (s. Tafel »Blut- und Blutbewegung II«, S. IV) möglich geworden, der Pulskurven auszeichnet. An diesen Aufzeichnungen unterscheidet man außer der Hauptwelle kleinere Nebenerhebungen; fallen diese, was die Regel ist, in den absteigenden Ast der Welle, so spricht man von Katakrotismus, fallen sie in den aufsteigenden Ast, von Anakrotismus des Pulses. Über den P. bei Haustieren s. Krankheitskennzeichen. Der Kardinal Nikolaus Krebs von Cues scheint 1450 zuerst auf die Benutzbarkeit des Pulsschlages zur Beurteilung des Körperzustandes hingewiesen zu haben. Er empfahl zum Zählen des Pulses die Wasseruhr. Ende des 17. Jahrh. wurde die Beobachtung des Pulses in die ärztliche Praris eingeführt. Die alten Ägypter benutzten den Pulsschlag an den einzelnen Körperteilen als Orakel. Vgl. Landois, Die Lehre vom Arterienpuls (Berl. 1873); v. Kries, Studien zur Pulslehre (Freiburg 1891); v. Frey, Die Untersuchungen des Pulses und ihre Ergebnisse (Berl. 1892); Francke, Die Sphygmographie in der Praxis (Münch. 1900); Mackenzie, Die Lehre vom P. (deutsch, Frankf. a. M. 1904); Ellinger, Pulsfrequenz der Haussäugetiere (im »Archiv für Tierheilkunde«, Bd. 21, 1894–95).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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