Psychophysischer Parallelismus

Psychophysischer Parallelismus

Psychophysischer Parallelismus ist die Lehre, daß weder der Körper auf die Seele noch die Seele auf den Körper eine Einwirkung im eigentlichen Sinn auszuüben vermag, daß also weder die Empfindung aus der Reizung der Sinnesorgane noch die äußere Handlung aus dem Willensakt als Wirkung hervorgeht, sondern daß vielmehr in beiden Fällen der äußere (physische) und der innere (psychische) Vorgang nur in gesetzmäßiger Weise nebeneinandern ergehen. Schon den Schülern des Descartes drängte sich die Überzeugung auf, daß, wenn Leib und Seele von Grund aus verschiedene Wesenheiten sind, ein Kausalnexus zwischen ihnen undenkbar sei. Zur Erklärung des tatsächlichen Zusammenhangs des leiblichen und seelischen Lebens stellte Geulincx (s. d.) das System des Okkasionalismus (s. d.), Leibniz das der »prästabilierten Harmonie« (s. d.) auf. Spinoza suchte die Schwierigkeit dadurch zu lösen, daß er Körperliches und Geistiges für die zwei Seiten oder Erscheinungsweisen (»Attribute«) des metaphysischen Weltgrundes erklärte und hieraus folgerte, daß jedem physischen Vorgange ein psychischer entspreche und umgekehrt (Ordo et connexio idearum idem est ac ordo et connexio rerum). Ähnlich vergleicht Fechner Leib und Seele mit den beiden Seiten eines Kreises, der von außen konvex, von innen konkav erscheint. Die moderne physiologische Psychologie ist zum psychophysischen Parallelismus gelangt, weil die gegenseitige Einwirkung des Leibes und der Seele der durch die Erfahrung bewährten Annahme eines lückenlosen Zusammenhanges der physischen Vorgänge untereinander widerstreitet (der Reiz als Ursache der Empfindung wäre ein physischer Vorgang ohne ebensolche Wirkung, die Körperbewegung als Wirkung des Willens ein physischer Vorgang ohne ebensolche Ursache). Sie lehrt aber nicht (wie Spinoza) einen universellen Parallelismus zwischen allen, sondern nur einen beschränkten zwischen einzelnen physischen und psychischen Vorgängen, und stellt ihn nicht als ursprüngliche Welteinrichtung, sondern als Erfahrungstatsache auf, deren Erklärung sie der Metaphysik überläßt. Vgl. Wundt, Über psychische Kausalität und das Prinzip des psychophysischen Parallelismus (in den »Philosophischen Studien«, Bd. 10, Leipz. 1894); Kries, Über die materiellen Grundlagen der Bewußtseinserscheinungen (Tübing. 1901); Paul Schultz, Gehirn und Seele (Leipz. 1903); L. Busse, Geist und Körper, Seele und Leib (das. 1903).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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