Privatposten

Privatposten

Privatposten, Anstalten, die sich gewerbsmäßig mit Annahme, Beförderung und Bestellung solcher Postsendungen befassen, die nicht dem Postzwang unterliegen. Nach Aufhebung des Postzwangs für Paket-, Wert- und Geldsendungen im Gebiete des Norddeutschen Bundes durch Gesetz vom 2. Nov. 1867 richtete die Norddeutsche Paketbeförderungsgesellschaft in Berlin 1868 zwischen größern Städten einen billigern Paketdienst ein; die Gesellschaft vermochte sich jedoch die Gunst des Publikums nicht zu erwerben und ging nach drei Jahren ein. Kleinere derartige Unternehmungen zur Beförderung von Paketen nur zwischen bestimmten Orten hielten sich länger; es waren deren 1868: 59 vorhanden. Wenn auch jeder Spediteur heutzutage (1906) Pakete zur gelegentlichen Beförderung mit Sammelgüterwagen annimmt und größere Speditionshäuser und Transportunternehmungen, Reedereien etc. in regelmäßigen Zeitabständen Paketversande unterhalten, auch die Eisenbahnverwaltungen einen Paketdienst eingerichtet haben, so erreichen sie doch alle nicht die ununterbrochene Regelmäßigkeit der Post (s. Postpaketverkehr). Im Ausland, wo die Post Pakete nur mit großen Einschränkungen befördert, sind die privaten Paketbeförderungsanstalten unentbehrlich, z. B. die Continental Daily Parcels Express in London, gegründet 1849 für die Beförderung von Paketen, Warenproben etc. zwischen England und dem Festland, Harnden's Express und Adam's Express in den Vereinigten Staaten von Amerika, die Messageries in Frankreich etc. Die Stadtpaketpost (Poste aux Colis) in Paris, seit 1888, wird unter Aussicht der Postverwaltung von einem Privatunternehmer, zurzeit Gônon et Cie., betrieben. – Vor Einführung des Postzwangs für Ortsbriefe durch Gesetz vom 20. Dez. 1899 bestanden in den größern deutschen Städten mehr oder minder umfangreiche private Anstalten zur Beförderung von Postortssendungen. Eine der ersten Privatstadtposten, die einen Ortsbriefverkehr organisierte, war die Schreibersche Brief- und Druckschriftenexpedition in Berlin, die von 1873–74 Ortsbriefe zu 2 Pf. beförderte, während die Reichspost 10 Pf. erhob. Wirkliche Erfolge hatte indes erst die Berliner Paketfahrtgesellschaft. Im Jahre 1884 mit einem Grundkapital von 680,000 Mk. (seit 1887 auf 1 Mill. Mk. erhöht) ins Leben gerufen, richtete die Gesellschaft zunächst einen Paketdienst in Berlin und dessen Vororten ein, dehnte ihn dann auf mehrere große Plätze des Reiches aus und besorgte daneben in der Reichshauptstadt die Beförderung von Reisegepäck von und zu den Bahnhöfen, Spedition und Eilgutverkehr nach dem In- und Ausland, die Beförderung von Briefen, Postkarten, Drucksachen, Zirkularen, Einschreibsendungen etc. innerhalb des Stadtbezirks Berlin und Einziehung von Quittungen, Rechnungen, Versicherungspolicen, Vereinsbeiträgen etc. Schon 1886 hatte sie 170 Briefträger und 500 Annahmestellen; sie bestellte täglich bis zu 12,000 Briefe (bis 50 g 3 Pf.) und Drucksachen (bis 50 g 2 Pf.). Seit 1888 in der Neuen Berliner Omnibus- und Paketfahrtaktiengesellschaft ausgegangen, zog sie den ganzen Stadtverkehr der kleinen Leute und die Massendrucksachen der Geschäfte an sich. 1898 beförderte sie 89 Mill. Sendungen, d. h. nahezu die Hälfte des Berliner Stadtverkehrs der Reichspost. Dieses Anwachsen war ein Anlaß mit, den Postzwang für Ortsbriefe einzuführen und die Ortstaxen der Reichspost herabzusetzen. Seitdem (1900) befaßt sich die Berliner Paketfahrtaktiengesellschaft Starke u. Komp., die 500 Personen mit 250 Pferden beschäftigt, hauptsächlich mit Paket- und Güterbeförderung (innerhalb Großberlins 600 Annahmestellen), jedoch auch, und zwar in verstärktem Maße seit 1906 nach Erhöhung der Taxen für Postortssendungen insbes. für Drucksachen, mit der Verteilung von nichtadressierten Flugschriften, Zeitungen, Anpreisungen etc. auf Grund von Listen sowie mit der Einziehung von Geldbeträgen. Von andern Ländern ist Dänemark schon früher gegen die P. gesetzlich vorgegangen: durch das Postgesetz vom 5. April 1888 ist die Einrichtung von Stadtprivatposten verboten; in Schweden darf nach dem Gesetz vom 21. Dez. 1888 keine Privatpost in solchen Orten bestehen, wo die Postverwaltung eine lokale Briefbestellung unterhält. – Nach dem Chronisten Pelisson-Fontanier wurde die erste Stadtpost 1653 von dem Maître des requêtes (Staatsrat, Berichterstatter über Bittschriften) Velayer in Paris errichtet. Auf Grund eines von Ludwig XIV. erhaltenen Privilegiums ließ Velayer in den verschiedenen Stadtteilen von Paris Briefkasten aufstellen und die in diese eingelegten Stadtbriefe gegen die Gebühr von 1 Son bestellen. 1760 gründete der Rat am Rechnungshof in Paris, C. Humbert Piarron de Chamousset, eine Privatpost, da die bestehende Staatspost Ortsbriefe nicht beförderte. Ähnliche Anstalten entstanden in andern französischen Orten, keiner von ihnen war ein langes Leben beschieden. In Hamburg wurde 1797 eine Fußbotenpost errichtet, wofür die Hamburger Kaufmannschaft 9000 Mk. Kurant zusammenbrachte, und die bis zur Besetzung Hamburgs durch die Franzosen bestand. Eine Fußbotenpost in Berlin, gegründet 1800, mußte 1806 den Betrieb einstellen, und erst 21 Jahre später wurde die königliche Stadtpost eingerichtet.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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  • Post [3] — Post (im Mittelalter aufgekommenes Wort, vom mittellat. posta, gekürzt aus posita, aufgestellt, zu ergänzen statio), im 15. Jahrh. eine Station, besonders Relaisstation, d. h. ein Ort, wo angekommene Boten und Pferde behufs Weiterbeförderung der… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

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