Perugia [2]

Perugia [2]

Perugia, Hauptstadt der gleichnamigen ital. Provinz (s. oben), 493 m ü. M., auf einer Anhöhe über dem rechten Ufer des Tibers, an der Eisenbahn Terontola-Foligno, ist von al ien Mauern umgeben und hat 10 Tore, darunter Porta S. Pietro im Frührenaissancestil (1473). Die frühern Festungsgräben sind in Spaziergänge umgewandelt und wegen der schönen Lage, des günstigen Klimas, der Bauwerke und Kunstschätze wird die Stadt viel von Fremden besucht. Die hervorragendsten Plätze sind: Piazza Grimana mit dem besterhaltenen Tore von P. (Arco di Augusto, teilweise aus etruskischer Zeit, s. Tafel »Architektur IV«, Fig. 4); der den Dom umgebende Platz mit der Bronzestatue des Papstes Julius III. (von Dann 1556) und dem schönen dreischaligen Springbrunnen (Fonte Maggiore, 1277), mit Skulpturen von Niccolò und Giovanni Pisano, und die eine herrliche Aussicht gewährende Piazza Vittorio Emanuele mit dem Denkmal Viktor Emanuels (1890), an der Stelle der 1860 geschleiften Zitadelle. Der Corso Vannucci verbindet den Domplatz mit der Piazza Vittorio Emanuele. Die bedeutendsten Kirchen sind: der gotische Dom San Lorenzo (15. Jahrh.), mit Renaissancestuhlwerk, schönen Grabmälern und Gemälden; San Domenico, ein gotischer Bau von 1304, mit dem Grabmal Benedikts XI. von Giov. Pisano und dem größten farbigen Glasfenster Italiens (1441); die altchristliche Basilika San Pietro de' Cassinensi (um 1000 erneuert), mit schönem Portal und Glockenturm, im Innern dreischiffig, mit 18 antiken Säulen, schonem Stuhlwerk etc.; das Oratorium San Bernardino, mit zierlicher skulptierter Fassade der Frührenaissance (1461); Sant' Angelo, ein 16eckiger Bau, teilweise aus dem 6. Jahrh., im Innern zylindrisch mit 16 antiken korinthischen Säulen; San Severo, ehemalige Klosterkirche der Kamaldulenser, mit Freskobild von Raffael (1505). Andre hervorragende Gebäude sind: das Stadthaus, in italienisch-gotischem Stil (1281 und 1333), neuerdings stilvoll restauriert, mit schönem Rundbogenportal an der Hauptfassade; il Cambio, das ehemalige Handels- und Wechselgericht (1452–57), mit berühmtem Freskenzyklus von Perugino (1500) und schönem Stuhlwerk; das Universitätsgebäude; die Privatpaläste Conestabile und Baldeschi; die Maestà delle Volke hinter dem Dom, Rest des einstigen Palazzo del Podesta, jetzt Bischofsresidenz; das Haus des Pietro Perugino, wo der zwölfjährige Raffael dessen Unterricht genoß. P. zählt (1901) 20,580 (als Gemeinde 61,385) Einw. Die Industrie liefert landwirtschaftliche Maschinen, Zündhölzer, Öl, Teigwaren, Seidenraupeneier und Seide, Schafwoll- und Baumwollwaren; der Handel hat landwirtschaftliche Produkte und Vieh zum Gegenstand. Die Stadt besitzt eine 1320 gestiftete freie Universität mit zwei Fakultäten, für Rechtskunde und Medizin, nebst einem pharmazeutischen und einem Tierarzneikursus (1903: 318 Studierende), einer Bibliothek (15,000 Bände), einem Botanischen Garten und einem meteorologischen Observatorium. Andre Bildungsanstalten sind: ein Lyzeum, ein Gymnasium, ein Technisches Institut, eine Technische Schule, eine Lehrer- und Lehrerinnenbildungsanstalt, ein Institut für landwirtschaftliche Untersuchungen, eine Kunstakademie, die Gemäldesammlung im Stadthaus, die namentlich Werke der umbrischen Malerschule enthält, eine archäologische Sammlung in der Universität (mit etruskischen, römischen und mittelalterlichen Werken), ein naturhistorisches Museum, eine Kommunalbibliothek (30,000 Bände und 1220 Handschriften des 11.–15. Jahrh.) und 4 Theater. Außerdem hat P. eine Volksbank, eine Filiale der Nationalbank, ein altes Leihhaus, ein Irrenhaus und eine Frauenstrafanstalt. Die Stadt besitzt eine Schwefelquelle (San Galgano). Sie ist der Sitz des Präfekten, eines Bischofs, eines Appellhofs und eines Tribunals. 5 km östlich von P. wurde 1840 eine altetruskische Gräberstätte entdeckt. P. ist Geburtsort des Malers Pinturicchio und des Zoologen Antinori.

Geschichte. P., im Altertum Perusia. war eine der Zwölfstädte Etruriens. 310 v. Chr. wurde es vom römischen Konsul Q. Fabius nach harter Belagerung erobert. In dem sogen. Perusinischen Krieg (41–40 v. Chr.) zog Lucius Antonius, Bruder des Triumvirs M. Antonius, nach seiner Erhebung gegen Oktavian sich hierher zurück und wurde von ihm belagert. In der Stadt brach eine so furchtbare Hungersnot aus, daß der »perusinische Hunger« (fames Perusina) sprichwörtlich wurde. Nachdem die Stadt kapituliert hatte, soll Oktavian 300–400 vornehme Perusiner 15. März 40 am Altar des Cäsar hingerichtet haben. Die völlig ausgeplünderte und verbrannte Stadt wurde durch Augustus wieder aufgebaut und erhielt den Namen Augusta Perusia. 546 ward sie von dem Gotenkönig Totilas belagert und nach langem Widerstand erobert. Nachdem sie von Narses wieder genommen worden war, fiel sie nach 568 in die Gewalt der Langobarden und teilte nun die Geschicke des Langobardenreichs, bis sie nach dessen Sturz dem Papste überlassen wurde. Im spätern Mittelalter erfreute sich die Stadt, die sich ein bedeutendes Gebiet unterworfen hatte, selbständiger, bürgerlicher Verwaltung, die 1378 auch von dem Papst anerkannt wurde. Am Ende des 14. Jahrh. warf sich das Haus der Michelotti zum Herrn der Stadt auf, 1416–24 führte Braccio Fortebracci die Regierung, und unter Paul III. ward P. nach wechselnden Geschicken 1543 dem Papst endgültig unterworfen. Die Stadt, der 1553 Julius III. eine beschränkte Selbstverwaltung zurückgab, verlor damit ihre politische Bedeutung. Im Juni 1859 brach hier ein Aufstand zugunsten eines Anschlusses an Piemont aus, der am 20. Juni von päpstlichen Truppen unter Oberst Schmidt blutig unterdrückt wurde. Ende 1860 fiel die Stadt mit der ganzen Delegation an Italien. In der Kunstgeschichte hat P. als Mittelpunkt der umbrischen Malerschule eine sehr bedeutende Rolle gespielt. Vgl. Bonazzi, Storia di P. (Perugia 1875–79, 2 Bde.); Fabretti, Cronache della città di P. (Turin 1887–88, 2 Bde.); Matarazzo, Chronicles of the city of P. 1492–1503 (ins Englische übersetzt von E. S. Morgan, Lond. 1905); Symonds und Gordon, The story of P. (Lond. 1898); Gallenga, Perugia (kunstgeschichtlich, Bergamo 1905).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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