Peel [4]

Peel [4]

Peel (spr. pīl), 1) Sir Robert, brit. Staatsmann, ältester Sohn des Großindustriellen Baronet Sir Robert P., geb. 5. Febr. 1788 zu Chamber Hall bei Bury in Lancashire, gest. 2. Juli 1850, ausgebildet in Harrow und Oxford, trat 1809 ins Parlament und schloß sich den Tories an, deren Grundsätze er 20 Jahre lang getreu verteidigte. 1810 ward er Unterstaatssekretär für die Kolonien und 1812 erster Sekretär für Irland. 1817 wegen seiner Abneigung gegen die Emanzipation der Katholiken von der Universität Oxford ins Parlament gesandt, legte er 1818 sein Amt nieder und setzte 1819 die nach ihm benannte Akte durch, welche die Rückkehr zur Metallwährung anordnete. 1821 wurde er mit dem Ministerium des Innern betraut und zeigte sich auch in dieser Stellung als strengen Anhänger toryistischer Ansichten, während er zweckmäßigen Reformen keineswegs abhold war. So bekämpfte er zwar die Katholikenemanzipation und unterstützte die Fremdenbill, schuf aber die Organisation der Londoner Polizei und verbesserte vielfach das Gerichtsverfahren und die Kriminalgesetzgebung. Mit Liverpool schied P. 1827 aus seiner Stellung, trat an die Spitze der Opposition gegen Canning und übernahm nach dessen Tod zu Anfang 1828 unter Wellington von neuem das Ministerium der Innern. Um die immer drohender werdende Aufregung in Irland zu beschwichtigen, zeigte er sich jetzt der Katholikenemanzipation günstiger und setzte 1829 eine Bill durch, die den Katholiken mittels einer Abänderung der Eidesformel den Eintritt ins Parlament sowie den Zutritt zu den meisten öffentlichen Ämtern ermöglichte. Seine Wähler in Oxford entzogen ihm darauf ihr Vertrauen; selbst seine Brüder und sein Vater erklärten sich gegen ihn. Als nach der Thronbesteigung Wilhelms IV. und dem Ausbruch der französischen Julirevolution die liberale Partei immer drängender eine Parlamentsreform forderte, mußte das Ministerium Wellington 16. Nov. 1830 abtreten, und P., der nun im Unterhaus die Leitung der Opposition übernahm, kämpfte 18 Monate, freilich vergeblich, gegen die vom Ministerium eingebrachte Reformbill. Als P. im Februar 1833 in das reformierte Parlament trat, fand er die alten Anhänger seiner Partei fast um zwei Dritteile zusammengeschmolzen. Er sammelte diese Überreste um sich, zog auch manche Whigs zu sich herüber, die vor den Konsequenzen der eingetretenen Reform und der Verbindung des Ministeriums mit den Radikalen erschraken, und ward so Stifter einer neuen Partei (Peeliten), die zwischen der Starrheit der alten Tories und der Beweglichkeit der jüngern Whigs die Mitte hielt. Im November 1834 ward P. aus Italien, wohin er eine Erholungsreise unternommen hatte, zurückgerufen, um mit Wellington ein neues Kabinett zu bilden; er übernahm darin als erster Lord der Schatzkammer die Oberleitung, sah sich aber trotz der Annahme mehrerer freisinniger Maßregeln schon 8. April 1835 zum Rücktritt genötigt, da das Unterhaus einen Vorschlag Russells auf Überlassung eines Teiles des irischen Kirchenguts zu nichtkirchlichen Zwecken annahm. Von neuem übernahm Melbourne die Leitung der Verwaltung und P. die der Opposition im Unterhaus. Trotzdem unterstützte er das Ministerium in allen gemäßigt liberalen Maßregeln. 1836 ward er von der Universität Glasgow zum Rektor gewählt. Im September 1841 bildete P., nachdem Palmerston wegen seiner Zollpolitik im Unterhaus geschlagen worden war, ein neues Ministerium, das die Häupter der Tories und der gemäßigten Whigs in sich vereinigte. Dieses siegte in der Frage der Korngesetze und setzte eine zeitweilige Einkommensteuer durch. Mit großer Vorsicht ging P. hierauf an die Herabsetzung der hohen Schutzzölle. 1846 beantragte er in drei Gesetzvorschlägen völlige Aufhebung der Getreidezölle nach drei Jahren, eine neue Herabsetzung des allgemeinen Zolltarifs und Zwangsmaßregeln zum Schutz von Eigentum und Leben in Irland. Die Getreide- und die Tarifbill wurden angenommen, dagegen die irische Zwangsbill durch eine Koalition von Schutzzöllnern und Radikalen, Whigs und Irländern verworfen, worauf P. 29. Juni zurücktrat. Die von ihm geführte Mittelpartei stand in der Folge den gemäßigten Whigs näher als den Tories; namentlich unterstützte P. in den Jahren 1847–48 die Freihandelspolitik der Regierung. P. war einer der hervorragendsten Staatsmänner Englands im 19. Jahrh. Er verband mit außerordentlicher Geschäftsgewandtheit eine nüchterne und überzeugende Beredsamkeit. Seine patriotische Gesinnung, die durchaus auf das Praktische gerichtet war, erklärt die Wandlungen seiner Politik. Seiner Redlichkeit und Ehrenhaftigkeit mußten selbst seine heftigsten Gegner Gerechtigkeit widerfahren lassen; in der Westminsterabtei zu London und in vielen andern Städten, Manchester, Glasgow, Edinburg, Birmingham etc., wurden ihm Denkmäler errichtet. Seine Memoiren und eine Auswahl aus seinen Briefen gab Earl Stanhope heraus (Lond. 1856–57, 2 Bde.). Vgl. auch Künzel, Leben und Reden Sir Robert Peels (Braunschw. 1851, 2 Bde.); Guizot, Sir Robert P. (deutsch, Berl. 1856); Doubleday, Political life of Sir R. P. (Lond. 1856, 2 Bde.); Sir Lawrence Peel, Robert P., sketch of his life and career (das. 1860); Lord Henry Dalling und Bulwer, Sir R. P., an historical sketch (das. 1874); Parker, Early life of Sir R. P. (das. 1891) und »Sir Robert P., from his private papers« (hrsg. von Parker, mit biographischer Skizze von Peels Enkel, das. 1899, 3 Bde.); kürzere Biographien von Smith (das. 1881), Thursfield (das. 1891), MacCarthy (das. 1891), Rosebery (das. 1899).

2) Jonathan, brit. Militär und Staatsmann, Bruder des vorigen, geb. 12. Okt. 1799, gest. 13. Febr. 1879, trat, nachdem er in der Armee bis zum Hauptmann ausgerückt war, 1826 ins Unterhaus, war 1841 bis 1846 als Oberst unter der Regierung seines Bruders Generalinspektor des Feldzeugamtes, 1855 und 1856 als Generalmajor Mitglied der Kommission, welche die durch den Krimfeldzug aus Licht gekommenen Mißbräuche im Heerwesen zu untersuchen hatte, und im Ministerium Derby 1858–59 Kriegsminister. Nach Derbys Rücktritt wurde er zum Generalleutnant befördert und übernahm im Juni 1866 abermals das Kriegsministerium, trat jedoch mit einigen andern Mitgliedern des Kabinetts im März 1867 zurück, da ihm Disraelis Reformbill zu weit zu gehen schien.

3) Sir Robert, brit. Staatsmann, Sohn von P. 1), geb. 4. Mai 1822 in London, gest. 8. Mai 1895, betrat die diplomatische Laufbahn, ward 1844 Gesandtschaftsattaché in Madrid, 1846 Legationssekretär in der Schweiz, wurde 1850 ins Unterhaus gewählt, wo er sich Derby anschloß, und bekleidete 1855–57 im Ministerium Palmerston das Amt eines Lords der Admiralität. 1857 wurde er wegen einer Wahlrede entlassen und suchte sich seitdem im Parlament durch oft alles Maß übersteigende Angriffe an Palmerston zu rächen. Trotzdem übernahm er 1861, als jener ein neues Ministerium bildete, das Amt eines Obersekretärs für Irland, schied aber im November 1865 wieder aus.

4) William, brit. Seemann, Bruder des vorigen, geb. 2. Nov. 1824, gest. 27. April 1858, trat 1838 in die Marine, wurde 1844 zum Leutnant, 1846 zum Commander ernannt und befehligte im Krimkrieg zuerst die Fregatte Diamond im Schwarzen Meer, sodann die bei der Belagerung von Sebastopol verwandte Matrosenbrigade; er ward bei der Erstürmung der Festung schwer verwundet. Während des indischen Aufstandes erhielt er im März 1858 bei Lakhnau abermals eine schwere Wunde, anderen Folgen er starb. Er schrieb: »A ride through the Nubian desert« (Lond. 1852).

5) Arthur Wellesley, Viscount P., brit. Staatsmann, jüngster Sohn von P. 1), geb. 1829, erzogen in Eton und Oxford, war von 1868 bis zum Januar 1871 Sekretär im Armenamt, von da bis zum August 1873 Sekretär im Handelsamt, dann bis zum Februar 1874 Sekretär des Schatzamtes und vom April bis zum Dezember 1880 Unterstaatssekretär des Innern. Im Unterhaus, wo er seit 1865 Warwick vertrat, gehörte er der liberalen Partei an und wurde im Februar 1884 zum Sprecher (Präsidenten) gewählt, welches Amt er bis zum April 1895 bekleidete. Bei seinem Rücktritt erhielt er die Peerswürde und eine lebenslängliche Pension von 4000 Pfd. Sterl.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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