Palmerston [3]

Palmerston [3]

Palmerston (spr. pāmerst'n), Henry John Temple, Viscount, brit. Staatsmann, geb. 20. Okt. 1784 in Broadlands (Hampshire), gest. 18. Okt. 1865, besuchte mit Byron und Peel die Schule zu Harrow und dann die Universitäten Edinburg und Cambridge. 1807 trat er ins Unterhaus, da er als irischer Peer keinen Sitz im Oberhaus hatte, und erhielt in demselben Jahr durch Lord Portland die Stelle eines Lords der Admiralität. Im Oktober 1809 wurde er unter Perceval Kriegsminister, zunächst ohne, aber 1827, als Canning an die Spitze der Regierung getreten war, mit Sitz und Stimme im Kabinett. Als aber nach Cannings Tode Wellington die Leitung der Regierung übernahm, schied P. im Mai 1828 mit einigen Gesinnungsgenossen, denen die toryistischen Ansichten des Herzogs zu weit gingen, aus ihr aus. Seitdem gehörte er zur Opposition und griff namentlich die auswärtige Politik des Ministeriums an. Als die Tories 1830 gestürzt wurden, trat P. als Staatssekretär des Auswärtigen in das Kabinett Grey. Er entfaltete elf Jahre hindurch in den großen Fragen, die in dieser Epoche Großbritanniens innere Verhältnisse und das politische Gleichgewicht Europas berührten, eine rastlose Tätigkeit. Sein Werk war die am 22. April 1834 zum Schutz der konstitutionellen Interessen in Portugal und Spanien zwischen diesen Ländern und England und Frankreich abgeschlossenen Quadrupelallianz. Er wirkte 1839 durch einen Vertrag mit Österreich und der Pforte dem russischen Übergewicht im Orient entgegen, schritt aber auch gegen den französischen Einfluß in Syrien und Ägypten ein und machte der Eroberungspolitik Mehemed Alis von Ägypten 1840 ein Ende. Als im August 1841 das liberale Ministerium Melbourne zurücktreten mußte, übernahm er die Führung der Opposition im Unterhaus. Nachdem Peel 25. Juni 1846 seine Entlassung eingereicht hatte, ward P. im Kabinett Russell mit dem Portefeuille der auswärtigen Angelegenheiten betraut. In den nächsten Jahren vertrat er eine vielgeschäftige, sich überall einmischende, oft unüberlegte Politik, die ihm den Namen »Lord Firebrand« (Feuerbrand) einbrachte, England aber überall Feinde erweckte und zu seiner diplomatischen Isolierung führte. In der Angelegenheit der spanischen Heiraten, durch die Besiegung Sardiniens und die Niederwerfung der Revolutionen in Sizilien und Ungarn, die er begünstigt hatte, erlitt P. ebenso viele Niederlagen und überwarf sich der Reihe nach mit Frankreich, Spanien und Österreich, während seine Parteinahme für Dänemark in der schleswig-holsteinischen Frage ihn zu Preußen in Gegensatz brachte. Auch sein Auftreten gegen Griechenland im November 1849, das den englischen Einfluß in Konstantinopel erhöhen und Rußland bedrohen sollte, hatte nicht den beabsichtigten Erfolg. Bald nachher führte Palmerstons übereilte, ohne die Genehmigung der Königin oder des Kabinetts erteilte Anerkennung des französischen Staatsstreichs vom 2. Dez. 1851 seine Entlassung 22. Dez. d. J. herbei. Schon wenige Monate darauf stürzte er seinerseits durch seinen Antrag über die Milizbill 20. Febr. 1852 das Ministerium Russell. Als die Koalition unter Lord Aberdeen aus Ruder gelangte, übernahm P. 28. Dez. d. J. das Ministerium des Innern und erwarb sich in dieser Stellung namentlich um die Gesundheitspolizei Londons große Verdienste. Der Krimkrieg stürzte 1855 das Ministerium Aberdeen, und P. übernahm nun die Bildung eines neuen Kabinetts, dessen Leiter er ward. Während des indischen Aufstandes entfaltete er große Energie; aber die als für England demütigend allgemein verurteilte Verschwörungsbill, die er infolge des Orsinischen Attentats auf Napoleons III. Forderung einbrachte, führte 20. Febr. 1858 seinen Sturz herbei, und der Besuch, den er auf die Einladung seines kaiserlichen Freundes diesem in Compiègne machte, war nicht geeignet, ihn in der öffentlichen Gunst zu rehabilitieren. Trotzdem trat er schon 1859 nach der Ablehnung von Lord Derbys Reformbill zum zweitenmal an die Spitze des Ministeriums. In dem deutsch-dänischen Konflikt nahm er für Dänemark Partei, ohne jedoch die Waffen zu ergreifen. Sein Tod rief trotz aller Gegnerschaft gegen seine Politik allgemeine Trauer in England hervor, sein Leichnam ward 27. Okt. 1865 in der Westminsterabtei beigesetzt. Die Peerswürde erlosch mit ihm, da seine 1839 mit der Gräfin Cowper geschlossene Ehe kinderlos war. Vgl. Lord Dalling and Bulwer, Life of H. J. Temple, Viscount P. (Lond. 1870–74, 3 Bde., bis 1846 reichend; beendet von Ashley 1876 bis 1879, 2 Bde.) und die kleinern Biographien von A. Trollope (1882), Sanders (1888) und dem Marquis of Lorne (3. Aufl. 1906).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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